Materialien 1986

Blut-Orangen unterm Weihnachtsbaum

Auf Gabentischen unter bundesdeutschen Weihnachtsbäumen liegt Obst in frischer, getrockneter und verpackter Form aus Südafrika mit den Markennamen CAPE und OUTSPAN. Im Fernseher daneben läuft die Tagesschau der ARD: Da schlagen Polizisten auf dunkelhäutige Menschen ein, mit Knüppeln und Peitschen. Ein Hund verbeißt sich in einen dunklen Arm, und der Polizist schlägt nicht auf den Hund, sondern prügelt mit seinem Schlagstock den, der schon hilflos am Boden liegt.

Südafrika ist ein armes Land: 3,5 Millionen Schwarze ohne Arbeitsrechte, Wohnrecht oder Staatsbürgerschaft sind in „homelands“ abgeschoben und bilden ein billiges Reservoir für Südafrikas Wirtschaft. Mit Prügeln, Tränengas und Schusswaffen versucht das weiße Regime. den Aufruhr der verelendenden Schwarzen niederzuschlagen. Wer hinschaut, sieht, dass die gepanzerten Wagen, von denen aus in die Menge geschossen wird, auf Fahrgestellen von Mercedes Benz und Magirus Deutz rollen.

Südafrika ist ein reiches Land: Vor allem Bodenschätze, Agrarprodukte und die militärische Lage waren das bestimmende Motiv, das auch Deutschland bewog, im Burenstaat seit der Zeit Kaiser Wilhelms des Ersten zu investieren. Die Bundesrepublik ist heute der wichtigste Handelspartner Südafrikas. Neben den großen Chemie- und Elektrokonzernen, der Schwer- und Automobilindustrie engagieren sich besonders Kreditinstitute wie z. B. die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die Bayerische Vereinsbank in Südafrika.

Südafrika ist ein reiches Land: Ungehemmter Kapitalfluss und militärische Exporte nach Südafrika wie auch die Einfuhr südafrikanischer Waren in die Bundesrepublik stabilisieren die Herrschaft und den Reichtum der weißen Rassisten.

Südafrikas Schulden sind enorm. Im September 1985 bereits schrieb der prominente (weiße) Journalist Allister Sparks im Johannesburger „Star“: „Das seit Jahren gebrauchte Argument, Sanktionen würden unwirksam gegen Südafrika sein, weil unsere Wirtschaft so stark sei, dass sie uns nicht berühren würden, wurde durch den Beschluss einiger Banken, Südafrika zu boykottieren, hinweggefegt. Die bloße Entscheidung einiger amerikanischer Banken, die Kurzzeitanleihen für Südafrika nicht zu erneuern, löste eine Finanzkrise aus, die die politische Perspektive völlig veränderte. Jetzt wissen wir, dass Südafrikas Wirtschaft durch solche Sanktionen tatsächlich extrem verletzlich ist. Das andere Argument, das wir gegen die Wirksamkeit von Sanktionen vorbrachten, nämlich dass die Schwarzen am härtesten durch die Sanktionen getroffen würden, erwies sich ebenso als irrig.“

„Jeder Kauf eines südafrikanischen Produkts, jeder Bankkredit, jede Investition ist ein weiterer Baustein in der Mauer unseres Fortbestehens“, sagte der ehemalige südafrikanische Ministerpräsident John B. Voster. Der Friedensnobelpreisträger und anglikanische Bischof Desmond Tutu dagegen am 2. April: „Unsere Kinder sterben. Unser Land brennt und blutet. Wir gehen einer Katastrophe entgegen. Nur die Anwendung von Druck durch die internationale Gemeinschaft kann uns retten.“

Kauft keine Waren aus Südafrika!

Günther Gerstenberg


Wir. DGB Kreis München 2 vom Oktober-November-Dezember 1986, 2.

Überraschung

Jahr: 1986
Bereich: Internationales

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