Materialien 1986
Erfahrungen der Münchner Südafrika-Gruppen
‚Frauen für Südafrika — gegen Apartheid’ mit Polizei und Ordnungsamt
Zu der nötigen Öffentlichkeitsarbeit über das brutale Apartheidssystem in Südafrika und unsere bundesdeutsche Verstrickung darin gehören Demonstrationen, Mahnwachen und Bankenaktionen. An Hand einiger Vorkommnisse bei Mahnwachen möchte ich die Behinderungen durch unsere Ordnungshüter in München schildern.
In München befindet sich eines der größten südafrikanischen Generalkonsulate Europas, am Sendlinger Torplatz 5, in einem normalen Geschäftshaus. Seit Ostern 1982 stehen dort je zwei von uns an jedem Donnerstag (das muss nicht angemeldet werden), um gegen Verhaftungen, Folterungen, Todesurteile und den wiederholten Ausnahmezustand in Südafrika zu protestieren.
Am Tag der Menschenrechte, am 10. Dezember, führten wir eine angemeldete Mahnwache unter dem Thema „Südafrika führt Krieg gegen Kinder“ durch: Fünf Mahnwächter/innen vor dem Generalkonsulat und ca. 20 – 30 im rollierenden Schweigekreis vor dem Sendlinger Tor. Das Kreisverwaltungsreferat ordnet an, dass die Mahnwache nicht vor dem Eingang zum Generalkonsulat stattfinden darf, sondern an der Ecke des betreffenden Häuserblocks. Den ganzen Tag wurden wir beobachtet von zwei uniformierten Polizisten und zwei Beamten von der Kripo in Zivil (warum eigentlich?), die im Auto zwischen Generalkonsulat und Sendlinger Torplatz pendelten. Sie haben die Texte sämtlicher Plakate notiert bzw. auf Tonbandcassette gesprochen. Der Auflagenbescheid wurde mir erst bei Beginn der Mahnwache ausgehändigt, trotz rechtzeitiger Anmeldung und Absprache, dass er von uns am Tag zuvor abgeholt wird. Auf diese Weise ist eine gründliche Kenntnisnahme des Auflagenbescheides und ein Einspruch gegen evtl. ungerechtfertigte Auflagen nicht möglich. Dies muss man schlucken, genauso wie die Androhung, all unsere Flugblätter zur Mahnwache zu beschlagnahmen, da der Vermerk „ViSdP“ vor unserer Kontaktadresse fehlt. Eine lächerliche Formalie!
Bei der großen Mahnwache am 16. Juni, dem 10jährigen Jahrestag zum Soweto-Schüleraufstand wurde die verantwortliche Versammlungsleiterin von der Polizei bedrängt, zwei der Mahnwächter, die wie jede Woche vor dem Eingang des Konsulates standen, an die Ecke zu den anderen zurückzupfeifen. Unsere Leiterin hat die Vorgehensweise der Polizei als Gängelung und Einschüchterung erlebt, da sie mehrmals aus der Reihe herauszitiert und unter vier Augen gemahnt und gemaßregelt wurde; auch geschah dies erst dann, als die prominenten Mahnwächter den Tatort verlassen hatten. Einige Wochen später bekam sie die Mitteilung, dass gegen sie ein Bußgeldverfahren wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet wurde. Doch es geschah nichts, dafür bekam der eine der Mahnwächter einen Bußgeldbescheid über DM 150. Diese Strafe, der unverhältnismäßige Polizeieinsatz, die Einschüchterung … wir sind besorgt um unser verbrieftes Demonstrationsrecht.
Ingrid Ammon
Dokumentation. Recht ist, was Strauß nützt. Rechtsbrüche der CSU im Jahre 1986, München 1986, unpag.