Materialien 1987

Es plätschert munter kregel fort, das Jahr ...

Seine fernsehliche Klimax erkletterte es bereits am Wahlabend des 25. 1., als ein schwer angetrunkener und/oder tablettenbehämmerter F.J. Strauß den eigenen Parteinamen auch in mehreren Versuchen – »Ssehsuh«, »Zsehessuu« – nicht mehr recht gatzen konnte; was, vom Peinvollen herschludernd, schon das Tragische anschlich. Während Straußens Leute nur unsagbar peinlich waren: im unedlen Wettstreit die Partei- und die journalistischen Schranzen, voran der die Katastrophe durch fortwährendes Zähneblecken bemeisternde W. Feller, mit den zum Feiern angebrummten Parteiinfantilen, die auch noch die gröbsten Fallouts und die desperat-dissolutesten Sprechversuche ihres schwiemeligen Vorsitzenden (»Schminken Sie sich doch diesen Bart ab!«) mit offenbar keineswegs betretenem, sondern dankbarem Lachen quittierten.

Mit der exzellierendsten journalistischen Frechheit des Jahres zog >Bild< gleich anderentags nach und druckte es dem »dümmsten Volk« (Benn an Oelze genau 50 Jahre vorher) sogar halbfett: Strauß sei nach anfänglichen Wahlstress-Symptomen »zu Hochform aufgelaufen«, jawohl, so war’s.

Geheimnisreich aber auch das breite, hingegossene und scheint’s wirklich genießerische Grinslachen, mit dem Kohl den erwähnten TV-Auftritt Straußens im zugeschalteten Münchener vom Mainzer Studio aus bedachte. Spürbar war dies nicht mehr das altbekannt allfällige linkisch oggersheimische Verlegenheitsgrinsen, das zwischen Machtbewusstsein und Ohnmacht flatternde und hinlänglich analysierte – nein, der Kanzler freute sich offenbar frank und frei, sei’s über Straußens schonungslose Selbstentlarvung, sei’s über das Komische der Welt an sich – und dies trotz eines lebensbedrohlichen Stimmanteilverlusts! Doch, abermals hat man Anlass, Kohl neu zu überdenken und jedenfalls im Auge zu behalten.


Eckhard Henscheid, Polemiken, Frankfurt am Main 2003, 522 f.

Überraschung

Jahr: 1987
Bereich: CSU

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