Materialien 1988

Unterstützertreffen zur Vorbereitung einer solchen Veranstaltung

Montag, 2. Mai 20.00 Uhr, Holzstrasse 2, 8 München 5

Gentechnologie und Humangenetik

Die Gen- und Biotechnologien gelten seit Ende der 70iger Jahre als Wachstumsbranche der Zu-
kunft, die nicht nur die Struktur- und Absatzkrise der Chemie/Pharma-Industrie beheben, sondern mit einer völligen Umwälzung der Nahrungsmittel- und Naturstofferzeugung eine weitere industri-
elle Revolution einleiten soll.

Seit Mitte der 80er Jahre wird in der BRD mit besonderer Energie daran gearbeitet, den Investi-
tions- und Forschungsrückstand aufzuholen und einige besonders wichtige Gebiete in führender Position zu erschließen.

Im medizinischen Bereich geht es vor allem um die Entwicklung von immer neuen Diagnosever-
fahren, um Träger bestimmter Merkmale oder Erkrankungsrisiken ausfindig zu machen und aus-
zuschalten. Hierfür stellt die Gentechnologie effektive, mit wissenschaftlicher Autorität versehene, lautlose Aussonderungskriterien für unerwünschte, unangepasste und leistungsschwache Men-
schen bereit.

Z.B. werden in Indien reihenweise Fruchtwasseruntersuchungen gemacht, um das Geschlecht zu bestimmen und gegebenenfalls die unerwünschten weiblichen Feten abzutreiben. Humangenetiker versuchen sog. Schwachsinn oder Alkoholismus auf eine abnorme Genkonstellation zurückzufüh-
ren und damit zur Erbkrankheit zu machen. In den USA werden bei Chemiearbeiterinnen geneti-
sche Reihenuntersuchungen gemacht, um gegen bestimmte Chemikalien empfindliche ArbeiterIn-
nen zu erfassen und evtl. eine Einstellung zu verweigern. Menschliche Embryonen und missgebil-
dete, „nicht lebensfähige“ Neugeborene sollen in Zukunft als „Ersatzteillager“ für Organverpflan-
zungen benutzt werden.

Hier trifft die Gentechnik auf ein sozialpolitisches System, das – z.B. gegen Anstaltsinsassen, Pfle-
gebedürftige, AIDS-Kranke und buchstäblich „ verschlissene“ Alte längst zum Vernichtungsangriff übergegangen ist.

Rote Zora und revolutionäre Zellen

Die Namen dieser beiden Gruppen tauchen seit Mitte der 70iger Jahre auf. Laut Bundesanwalt-
schaft verübten sie rund 250 Anschläge. Sie standen alle in engem Zusammenhang mit aktuellen politischen Themen und fanden Widerhall in den laufenden Diskussionen der Gruppen.

Militarisierung, AKW-Widerstand, Palästina, Südafrika, Flüchtlingspolitik fanden in den Aktionen der Revolutionären Zellen einen praktischen Ausdruck. Die Frauen der Roten Zora richteten ihre Anschläge gegen Einrichtungen der Gentechnologie, der Humangenetik, des Menschenhandels mit Frauen aus der „Dritten Welt“ – für die Unterstützung von Frauenkämpfen weltweit.

Nach den spektakulären Anschlägen gegen das Textilunternehmen ADLER (mit dem die Rote Zora den Streik südkoreanischer Frauen unterstützte, die für diese Firma arbeiten) und auf die Lebens-
mittelkette REWE (die in großem Stil Obst aus Südafrika importiert) stand das BKA unter enor-
mem Erfolgsdruck – auch wegen einer merkbaren Klimaveränderung: Schadenfreude, klamm-
heimlich empfunden bis offen geäußert, machte sich ob der Anschläge breit.


Archiv Reader 1 vom April 1988, 40 ff.

Überraschung

Jahr: 1988
Bereich: Frauen

Referenzen