Materialien 1988

Zuschauerkritik

An den
Intendanten der ARD
Rothenbaumchaussee 132 – 134
2000 Hamburg 13

Nachrichtlich an den
Bayerischen Rundfunk

München, 9. August 1988

Betrifft: „Die Radikale Konsequenz. Einblicke in das Opus Dei“
Fernsehfilm von Marius Langer, ARD vom 22. Juli 1988, 21.50 – 22.30

Wenn wir als Freidenker/innen gegen die Sendung über das Opus Dei protestieren, geht es uns nicht um Detailkritik, sondern darum, dass diese Sendung als Ganzes so völlig aus dem Rahmen der ARD fällt. Wir sind der Ansicht, dass eine der Wahrheit verpflichtete Darstellung dieses Themas dazu hätte beitragen können, die weit verbreitete Unkenntnis und die vielen Halbwahrheiten über das „göttliche Werk“ zu berichtigen. Darüber hinaus hätte die Fernsehsendung, die von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt ausgestrahlt wurde, die Pflicht gehabt, die tatsächliche Einflussnahme dieser kirchlichen Geheimorganisation auf Kirche und Gesellschaft gleichermaßen offenkundig zu machen.

Stattdessen wurde den Zuschauern eine Sendung zugemutet, die als Auftragsarbeit des BR-Kirchenfunks angesehen werden muss, eine apologetische Sendung, die jeder journalistischen Objektivität Hohn spricht. Von der Auswahl der Bilder, die eine Sympathiewerbung für alle im Zusammenhang mit Opus Dei stehenden Bereiche darstellten bis zur demutsvollen Fragestellung, die allenfalls Randbereiche ansprechen, zog sich eine gerade Linie durch die Sendung, die mehr in Schutz nahm als offensiv dem Wahrheitsgebot nachzukommen. Die einzige kritische Meinung in der Sendung stammte von einem katholischen Kirchenmann, der allein an der Geheimhaltungspolitik des Opus Dei Anstoß nahm.

Inhaltlich kam das „göttliche Werk“ völlig ungeschoren davon, ja, die entscheidenden Kritikpunkte an der Politik des Opus Dei wurden nicht einmal angesprochen. Wo blieb – wenn man mit der Biographie seines Begründers anfängt – der Hinweis auf die Rechtfertigung des Putsches von General Franco durch Escriva und seine glühende Verehrung für Adolf Hitler? Hätte die Sendung diese wichtigen Informationen gebracht, dann wären dem Zuschauer/der Zuschauerin die besonderen Beziehungen des Opus Dei und seines Gründers zu den Nachkriegsdiktatoren bis zu Pinochet unter dem gemeinsamen Nenner, dem Antikommunismus, schon wesentlich klarer geworden.

Warum wies die Sendung nicht auf die Generalkonzeption des heiligen Werkes hin, über die Besetzung von Schlüsselstellungen in der katholischen Kirche und in den Gesellschaften der westlichen Welt mittels Seilschaften weniger prominenter Mitglieder Macht und Einfluss zu gewinnen? Während in Südamerika Angehörige des Jesuitenordens verfolgt und getötet werden, erobern mit Segen des Papstes Opus-Dei-Leute entscheidende kirchliche Machtpositionen. Ein Beispiel dafür ist der kolumbianische Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, der als streng antikommunistischer Kirchenfürst ein entschiedener Gegner der Theologie der Befreiung ist, um der Kirche von Unten und deren sozialkritischen Reformvorschlägen entgegenzuarbeiten.

Überall dort, wo es in den letzten Jahren undemokratische Bewegungen gegeben hat, waren daran Opus-Dei-Leute beteiligt, die nicht zuletzt als Opponenten von nuklearen Abrüstungsbestrebungen in Erscheinung traten.

Der Beitrag des Bayerischen Fernsehens im Rahmen der ARD hätte auch die besonders heiklen Beziehungen von Opus Dei zu CDU- und CSU-Institutionen beleuchten müssen. Verbindungen über Franz Josef Strauß zur Hanns-Seidel-Stiftung und zum Bildungszentrum Weikersheim, das von Filbinger initiiert worden ist, gehen jede politisch interessierte Person an, von dem Finanzgebahren des „göttlichen Werks“ ganz zu schweigen.

Es kann durchaus sein, daß über all diese Tatsachen nur schwer beweisbares Material zu erhalten gewesen ist, aber dann wäre es sicher klüger gewesen, auf eine Ausstrahlung zum jetzigen Zeitpunkt zu verzichten, als eine Sendung mit gefärbten Halbwahrheiten und breiten Lücken auszustrahlen, die den Verdacht aufkommen lässt, dass die Konzeption der gesamten Sendung über den Schreibtisch von Opus-Dei-Verbindungsleuten gegangen ist.

Eduard Eben
1. Vorsitzender des DVF
Ortsgruppe München

P.S. Wir freuen uns auf Ihre Antwort, die wir ebenso wie dieses Schreiben in unserer Mitgliederzeitschrift veröffentlichen werden.


Freidenkerinfo. DFV Ortsgruppe München vom 1. September – 31. Dezember 1988, 28 f.

Überraschung

Jahr: 1988
Bereich: Religion

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