Materialien 1990
Siemens-Betriebsräte kritisieren CSU-Kandidat und Konzernpolitik
Die Leser der Süddeutschen Zeitung wurden kurz vor den bayerischen Landtagswahlen (14. Oktober 1990) mit einer Meldung über eine Veranstaltung des CSU-Bundestagskandidaten Herbert Frankenhauser konfrontiert, die eine lügenhafte, rassistische Hetze gegen Ausländer und Asylanten zum Inhalt hatte:
„Sogar Ausländern und Asylanten geht es in München besser als durchschnittlichen Arbeitnehmern. Das war die fast einmütige Meinung von Betriebsräten aus über 100 Firmen, die CSU-Stadtrat und Bundestagskandidat Herbert Frankenhauser zu einer Aussprache eingeladen hatte: Die für Scheinasylanten ausgegebenen Gelder sollten besser für deutsche Familien verwendet werden, wurde gefordert. Bei der Vergabe von Sozialwohnungen müssten die Münchner endlich stärker berücksichtigt werden.“
Gegen diese Ausländerhetze haben die Betriebsräte von Siemens-Matsushita in einem – bisher in der SZ unveröffentlichten – Leserbrief protestiert:
„1. Weit mehr als die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Firma sind Ausländer. Sie sind ausnahmslos unsere Kolleginnen und Kollegen.
2. Die in dem Artikel benutzte Formulierung – Sogar Ausländer und Asylanten … – weisen wir als Diskriminierung von ausländischen Kollegen und Asylbewerbern schärfstens zurück.
3. Die Firmenleitung der Firma Siemens hat in den letzten Jahren immer mehr Verträge für werksgeförderte Wohnungen gekündigt und tut dies weiterhin. Als ehemaligen Siemens-Standort führt das auch bei den Mitarbeitern der Firma S+M zu vermehrten Härtefällen (wochenlange Übernachtung im Pkw, Notunterkunft von alleinerziehenden Müttern mit Kind bei Freunden, drohende Abschiebung, Ausweisung von Familienangehörigen usw. Alles Probleme aus unserer täglichen Praxis).
4. Wir haben unsere Firmenleitung zum wiederholten Mal aufgefordert, wenigstens für die dringendsten Fälle ein Wohnkontingent zur Verfügung zu stellen. Bisher ohne Erfolg.
5. Die insbesondere in München verheerende Wohnungsnot hat ihre Ursachen in Spekulationsgeschäften mit Wohnraum und grenzenloser Preistreiberei bei den Mieten. Unter unseren ausländischen Kolleginnen und Kollegen kennen wir keine Spekulanten.“
Bundestagspolitiker von CDU, CSU und FDP sind auch dafür verantwortlich, dass in den letzten fünf Jahren die Mieten in München um durchschnittlich 33 Prozent – also mehr als sieben mal so stark wie die sonstigen Lebenshaltungskosten – gestiegen sind. Für billigere Altbauwohnungen sind die Mietpreise sogar um 46 Prozent nach oben geschnellt.
Quelle: metall 23/90, Mieterschutz 5/90 – (dil)
Münchner Lokalberichte 24 vom 28. November 1990, 2.