Materialien 1990

Presseerklärung „Kritischer Polizisten und Polizistinnen“ zum geplanten Verfassungsschutzgesetz und Änderung des PAG

Können und dürfen Polizeibeamte sich zu Gesetzesentwürfen äußern?! Ja – sie müssen sich sogar dazu äußern. Als Bürger in Uniform ist der Polizeibeamte nicht nur beruflich, sondern auch privat betroffen.

Die jetzt geplanten neuen Artikel der Datenerhebung und der Datennutzung, die in das PAG eingefügt werden sollen, sind lediglich eine nachträgliche gesetzliche Ermächtigung der bisher schon durchgeführten Speicherung. Der einseitigen Datenerhebung durch die Polizei steht kein Auskunftsrecht des betroffenen Bürgers gegenüber.

Die offene und verdeckte Datenerhebung, der Einsatz nicht näher definierter technischer Mittel, die auch gegen Dritte angewandt werden dürfen, der Einsatz von V-Männern, die Rasterfahndung, die mögliche Übermittlung von Daten an ausländische Behörden und an „Private“ rücken die Polizei in die Nähe von Geheimdiensten. Das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgerinnen und Polizistinnen wird belastet, wenn nicht zerstört.

Konzipiert als Pflichterfüllung der Staatsregierung, aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, erfüllt das Verfassungsschutzgesetz keineswegs die Anforderungen, die an einen bürgernahen Rechtsstaat gestellt werden. Wohlweislich ohne polizeiliche Befugnisse sind denn noch die Aufgaben derart schwammig und allgemein gefasst, dass jede/jeder Gefahr läuft beobachtet zu werden. Zur weiteren Aufgabenerfüllung dürfen Spitzel und nicht näher erläuterte nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden. Die Auskunftserteilung an den Betroffenen klingt wie Hohn, denn sie unterbleibt ohne Begründung nach Gusto des Verfassungsschutzes (VS). Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht.

Die Mitwirkung des Datenschutzbeauftragten wird am Schluss des Entwurfs mit wenigen Sätzen abgehandelt. Eine wirksame Kontrolle des VS unterbleibt, da sie auch faktisch nicht möglich ist. Gerichte, Gemeinden und die Bundespost haben von sich aus Daten zu übermitteln, AOK und TÜV haben auf Ersuchen relevante Informationen an den VS weiterzuleiten. Die Unabhängigkeit der Gerichte wird zur Farce. Dagegen darf der VS personenbezogene Daten an obige Stellen übermitteln, wenn der VS es für erforderlich hält.

Die Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutz gleichen sich immer mehr an. Zusehends wird jede/jeder als Sicherheitsrisiko betrachtet, die/der schon im Vorfeld gespeichert und überwacht werden sollte. Die Polizei als Büttel des Verfassungsschutzes – nein danke!!

Kontakt:
c/o S. Krempl, Säbenerstraße 7, 8 München 90, T. 089/6971231


Münchner Lokalberichte 13 vom 27. Juni 1990, 9.

Überraschung

Jahr: 1990
Bereich: Bürgerrechte

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