Materialien 1991

München leuchtet

Am Samstag, den 23. März 1991, versammelten sich am Deutschen Museum rund dreihundert Neo-Nazis zum sogenannten „Leuchter Kongress“.

Sie wollten dort Grundlagen für einen „Durchbruch des Revisionismus“ schaffen. Aufgerufen dazu hatte der Deutschkanadier Ernst Zündel, der seit Jahren eine herausragende Persönlichkeit der weltweiten Revisionistenclique ist. Er gibt den Rundbrief „Germania“ heraus, und ist Autor der Schrift „Starben wirklich 6 Millionen?“. Als Kontaktperson und Organisator des Münchner Treffens fungierte Ewald Althans, führendes Mitglied der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) und Mitbegründer des faschistischen „Deutschen Jungendbildungswerkes“. Der Leuchterkongress ist nach dem US-Bürger Fred Leuchter benannt, der seit 25 Jahren Hinrichtungsanlagen für US-Zuchthäuser erstellt, wie etwa die Gaskammer in Jefferson City/Missouri. Er schrieb 1988 den spektakulären „Leuchter Report“, in dem er bewiesen haben will, dass in den Vernichtungsanlagen des 3. Reichs keine Massenvergasungen und -verbrennungen stattfinden konnten. Er wird dafür von der internationalen Nazi-Szene als Held gefeiert.

Der Ort des Kongresses wurde von den Nazis streng geheimgehalten. Ewald Althans jedoch hatte versucht den Kongreßsaal des Deutschen Museums für eine „Internationale Multimedia Show“ anzumieten. Dies jedoch war ihm von der Direktion des Deutschen Museums verweigert worden.

Der „Leuchter Report“ wurde vom Münchner Institut für Zeitgeschichte als „pseudowissenschaftliche, ziemlich plump gemachte, NS-apologetische Propagandaschrift“ bezeichnet.

Im März 1990 versicherte jedoch der Ministerialbeamte Böing, im Auftrag des damaligen FDP-Ministers Hans A. Engelhardt, dass es sich bei dem „Leuchter Report“ um eine wissenschaftliche Untersuchung handle. Erst ein halbes Jahr später nahm Engelhardt diese Aussage zurück. Die Stadt München hatte aufgrund des positiven Engelhardt-Briefs ein bereits ausgesprochenes Redeverbot wieder zurückgenommen, und die Neo-Nazis nutzten den Zeitraum für diverse Propagandaveranstaltungen.

Für den „Leuchter Kongress“ waren als Redner unter anderem eingeladen: David Irving, britischer „Historiker“, mit engem Kontakt zur DVU, Dr. Robert Faurisson1 , Verfasser der Schrift „Es gab keine Gaskammern“ und Mitauftraggeber des „Leuchter Reports“, sowie Fred Leuchter selbst.

Ab 8.30 Uhr versammelten sich die Neo-Nazis vor dem Deutschen Museum. Bei der „Mahnwache“ ab 9.50 Uhr war es allen angekündigten Rednern gelungen zu sprechen. Durch ein juristisches Hin und Her war es den Neo-Nazis möglich die „Mahnwache“ bis auf wenige Festnahmen, wegen des Tragens von Nazi-Emblemen, oder des „Hitler Grußes“, ungestört abzuhalten. Um 13.30 Uhr wurde das Spektakel mit „Ausschwitz“ Sprechchören beendet.

Am Isartor fand am selben Tag um 11 Uhr eine Gegendemo statt, zu der das „Antifaschistische Plenum“ aufgerufen hatte. Die Veranstalter warfen der Stadt vor, sich bei der Auseinandersetzung mit Faschisten hinter dem Versammlungsrecht zu verschanzen. Bei Kundgebungen linker Veranstalter seien Verwaltung und Gerichte weniger zimperlich. München scheint sich als beliebter Versammlungsort der Revisionisten und ihrer faschistischen Anhängerschaft zu etablieren.

tina

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1 Faurisson wurde im April in Frankreich wegen öffentlicher Verleugnung der Massenvernichtung in den Konzentrationslagern („Ausschwitz-Lüge“) zu 30.000 Francs verurteilt.


Stadtratte 6 vom Mai/Juni 1991, 5.