Materialien 1992
Werter Kollege Meyer
wahrscheinlich ist es nicht allein der großen Hitze zuzuschreiben, dass Du Dich seit gestern öf-
fentlich für internationale Kampfeinsätze der Bundeswehr einsetzt. Du hast nicht nur das richtige Sprachrohr für Deine Äußerungen gefunden (die Bildzeitung erklärte uns z.B. vor wenigen Tagen sehr detailliert, über welche Feuerkraft der in der Adria kreuzende Zerstörer „Bayern“ verfügt). sondern argumentierst auch in sich schlüssig: „Wir werden unsere ach so bequeme Außenseiter-
rolle nicht mehr länger spielen dürfen nach der Deutschen Vereinigung.“ Ein großes Deutschland erfordert eben große Taten. Oder anders: Tapfere Jungs unter Blauhelmen sollen wieder auf jenen Pfaden marschieren können, die großdeutsche Männer vor 50 Jahren z.B. in Serbien getrampelt haben.
Für jemanden, der sich mit anderen stets darum bemüht hat, dass die Gewerkschaften gegen jede Form von deutschem Militarismus ihre Stimme erheben und der auf diese Tradition (vom Kampf gegen die Wiederbewaffnung bis hin zu Aktionen gegen den Golfkrieg) stolz ist, stellt sich nun die Frage, wie ein DGB-Bundesvorsitzender nicht als Herr Meyer, sondern in seiner Funktion derarti-
ges absondern kann. Ein DGB-Vorstandsbeschluss, den es in einer solchen Grundsatzfrage wohl mindestens bräuchte, ist mir nicht bekannt …
Christian Stupka, Bezirkssekretär der IG Medien München
Aufsteh’n. Zeitung der GewerkschafterInnen gegen Krieg und Rassismus 1/Antikriegstag 1992, München, 7.