Materialien 1994
Frauen in den Betriebsräten
Die Basis allen Übels seien die Betriebsräte – und die Frauen, denn die Frauen wählten nur die Männer in die Betriebsräte – sagen meine männlichen Kollegen. Das stimmt bis zu einem gewissen Grad natürlich, aber eben auch nicht; es hat sich in den letzten Jahren ziemlich gewandelt. Der Frauenanteil ist bei den Betriebsratswahlen durchaus gestiegen.
Ich habe mal eine Analyse gemacht und mir Gremien angeguckt, und zwar Gewerkschaftsgremien und Betriebsratsgremien, und festgestellt: 99 Prozent aller Frauen, die in Betriebsratsgremien sind, sind Schriftführerinnen.
Was beweist, Frauen können schreiben und lesen, Männer offensichtlich nur unterschreiben. Diese Frauen fand man auch in allen möglichen und unmöglichen Ausschüssen, vor allen Dingen in den unangenehmen, den arbeitsintensiven und den uneffektiven, also, wo am wenigsten Macht war. Arbeitssicherheitsausschuss, Kantinenausschuss, selten im Wirtschaftsausschuss. Obwohl die meisten Frauen Angestellte waren, und von daher mit Zahlen eigentlich ganz gut umgehen konnten. Aber die Tatsache, dass sie Angestellte waren, prädestinierte sie besonders für die Schriftführerposition.
Frauen sind als Betriebsrätinnen außerordentlich engagiert. Das heißt, sie haben meist einen sehr engen Kontakt zur Belegschaft, zumindest zu ihrer Abteilung, sind fachlich ziemlich fit, gehen auf Schulungen, sofern es die familiäre Situation zulässt – und da ist leider Gottes auch der Ehemann, der ein gewaltiges Wort mitzusprechen hat. Doch die Gruppe derer, die sich davon schrecken ließ, war eigentlich relativ gering.
Die meisten Frauen sind zu der Position Betriebsrat gekommen, weil sie schwer nein sagen können. Das war eigentlich so die Hauptmotivation, habe ich festgestellt. Sie wurden ausgeguckt und dann genagelt, dann konnten sie eigentlich nicht nein sagen. Denn sie wussten nicht, was sie taten.
Sie gingen meist voller Angst in dieses Amt rein, weil sie keine Ahnung hatten, was auf sie zukommt. Um dann festzustellen, dass dort auch nur mit Wasser gekocht wird und dass ihre männlichen Kollegen schon gar nichts mehr vom Hocker reißt. Wo sie schon voller Emotionen unter der Decke schwebten und sagten: „Aber das darf doch nicht sein, kann man da gar nichts machen?“ antworteten die: „Nein, da kann man nichts machen.“ Das machte sie dann so wütend, dass sie meinten: „Da wollen wir mal sehen, ob wir wirklich nichts machen können.“ Dann sind sie sehr kämpferische und heftige Betriebsrätinnen geworden, sehr zum Unbill ihrer Kollegen. Denn dann wurden sie die berühmten Unruhestifterinnen. Sie waren zwar nicht wohlgelitten, aber sie kümmerten sich tatsächlich um die Belange der anderen.
Die gleiche Problematik fand sich, wenn es um die Durchsetzung von Frauenthemen innerhalb des Betriebsrates ging. Fürchterlich auf die Schnauze fielen wir alle mit dem Thema sexuelle Belästigung im Betrieb. Wir wollten sogenannte Vertrauensfrauen installieren, die in der Regel Betriebsrätinnen waren, als Ansprechpartner für Betroffene innerhalb des Betriebes. Die Diskussion ging dann darum, dass so eine dazu bestimmt wird oder überhaupt, dass es so was gibt im Betrieb. Sie wurde von einer Frau initiiert und das ganze führte soweit, dass diese Frau völlig in die Ecke gestellt wurde und das nächste halbe Jahr den Mund nicht mehr aufmachte. Sie musste allein eine Position vertreten, wo sich jedermann auf den Schlips getreten fühlt, wenn nicht woanders hin.
Trotzdem habe ich im Verlauf meiner Arbeit festgestellt, dass Frauen sich besser durchsetzen können. Das ist ein sehr schleichender Prozess, aber so allmählich fingen die Frauen an, sich einzumischen innerhalb der Betriebe. Der Beweis dafür ist eigentlich die steigende Zahl an Betriebsrätinnen. Auch in der Gremienarbeit fassten sie Fuß. Nicht in den Positionen, die die Kollegen haben, aber das sagt noch nichts über eine Einflussnahmemöglichkeit aus. Einfluss üben sie aus, sie sind da nicht mehr wegzudenken, da kommt auch so schnell keiner mehr an ihnen vorbei.
Frauen in Tarifkommissionen
Das höchste der Gefühle war die Tarifkommission. Weil, da konnte ich es politisch klar begründen, dass man da was bewegen kann. Doch nach ein, zwei Jahren sprangen sie mir in der Regel wieder ab und sagten: „Scheißladen. Ich bin mit noch einer Kollegin da drin und wenn ich sage: ‚Die unterste Lohngruppe, das kann nicht sein!‘, da gucken mich die Herren Facharbeiter alle an und sagen: ‚Wieso denn nicht?’ und damit war’s gelaufen.“ Also, die Diskussion zur Veränderung der Tarife für Frauen war ganz schwer hinzukriegen und ging auch selten ohne persönliche Angriffe ab.
Wenn ich dann noch kam und meinte: „Sag, magst du nicht hier in die Frauengruppe kommen“ hieß es: „Sag, bist narrisch? Also, ich bin Betriebsrätin und in den Verwaltungsstellen-Vorstand gewählt, jetzt soll ich noch in die Frauengruppe? Dann bin ich in tausend Ausschüssen, in meinen Betriebsrat und dann muss ich vielleicht noch auf Landesebene irgendwie Vertretung spielen. Ja was soll ich denn noch alles? Nee, das ist mir zuviel. Pass auf, ich bleib’ auf meiner Verwaltungsstellenebene und mache da meine zwei oder drei Sachen. Den DGB-Kreisfrauenausschuss gibt es ja auch noch. Das langt mir.“ So gingen mir leider viele gute Frauen durch die Lappen.
Sabine Langer
Ingelore Pilwousek (Hg.), Wir lassen uns nicht alles gefallen. 18 Münchner Gewerkschafterinnen erzählen aus ihrem Leben, München 1998, 135 ff.