Materialien 1995
Liebe Kollegin, lieber Kollege
kaum war die neugewählte Bundesregierung angetreten, beschloss sie, 6,9 Millionen Einwohnern der BRD die gleichen Staatsbürgerrechte weiterhin zu verweigern und in Form einer Schein-Staatszugehörigkeit für die Enkelkinder der Einwanderer den rechtlichen Ausnahmezustand für die sogenannten „Ausländer“ festzuschreiben.
Diese Regelung ist die Zementierung des ungleichen Rechts mittels Einführung von Staatsangehörigkeiten verschiedener Qualität. Weder beinhaltet sie den Schutz vor Auslieferung bzw. Abschiebung, noch ermöglicht sie die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte. Das Wesen jeder Staatsangehörigkeit besteht aber darin, Rechtsgleichheit herzustellen.
Die immer schärferen Angriffe von Seiten der Arbeitgeber und der Regierung machen den Kampf um unsere Einheit zur Überlebensfrage der Gewerkschaften. Wir können nicht länger hinnehmen, dass auf der Rechtsgrundlage des Ausländergesetzes unsere Spaltung nach Herkunft und Nationalität immer weiter vertieft und der Rassismus in unsere eigenen Reihen getragen wird. Die Einheit der Arbeiter und Angestellten erfordert den Kampf gegen die rechtliche Ungleichheit, gegen die Sondergesetze, den Kampf für Gleichberechtigung. Das Grundsatzprogramm des DGB fordert von uns:
„Der Deutsche Gewerkschaftsbund setzt sich gemeinsam mit den ausländischen Arbeitnehmern für die Beseitigung ihrer besonderen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Benachteiligung ein mit dem Ziel, ihre rechtliche Gleichberechtigung zu verwirklichen.“
Kollegin, Kollege,
wir bitten Dich um Deine Unterschrift unter den beiliegenden Aufruf. Wir wollen damit erreichen, dass Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in aller Öffentlichkeit für die Gleichberechtigung, die Zielsetzung unserer Gewerkschaft, eintreten. Die Veröffentlichung des Aufrufs und der Unterschriften soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, wenn genügend Unterzeichner ihn zu einem gewichtigen Dokument aus den Gewerkschaften gegen rechtliche Ausgrenzung und Diskriminierung unserer Kolleginnen und Kollegen anderer Nationalität gemacht haben. Damit könnte diese Initiative von Betriebs- und Personalräten, Vertrauensleuten, Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen zu einem wichtigen Signal über München und Bayern hinaus werden.
Unterstützungsunterschriften an:
Wolfgang Lux, DPG Bezirkssekretär,
Schwanthalerstr. 64, 80336 München, Zimmer 084.
Münchner Lokalberichte 14 vom 6. Juli 1995, 12.