Materialien 1995

Staatsfeindliche Sprüherei am Boulevard

Buh! Ruft der Staatsapparat

München. In einer großangelegten siebenjährigen konzertierten Aktion der Bundesgrenzschutz-Ermittlungsgruppe Hauptbahnhof (was machen die eigentlich?) und der Arbeitsgruppe Sprayer/Kratzer des Polizeipräsidiums ist es endlich gelungen, den seit 1988 gesuchten illegalen Sprüher Markus M. alias „Uno“ alias „Won“ zu fassen.

Mit Hilfe eines Durchsuchungsbefehls wurden in der Wohnung eines Freundes (!) Originalentwürfe gefunden. „Die Beamten freuen sich besonders über den Erfolg ihrer Arbeit“ war in der Süddeutschen Zeitung zu lesen. Gegen den 26jährigen Kunststudenten läuft ein Ermittlungsverfahren wegen „gemeinschädlicher Sachbeschädigung“; der bisher festgestellte Sachschaden beträgt ca. 40.000 Mark. Nach Mittätern wird noch gefahndet.

Wie können wir uns noch schützen vor einem sich immer dümmer und dreister gebärdenden Staatsapparat? Was kostet eigentlich einer dieser „sich über den Erfolg ihrer Arbeit freuenden „Sesselfurzer? Und wie viel dann zwei Stäbe über 7 (in Worten: sieben) Jahre?

Während die Werbung sich gerne der Graffiti samt Lebensstil bedient, um den Konsum anzukurbeln, werden junge Künstler verfolgt und kriminalisiert. Nestle wirbt gerade großflächig mit Graffiti für seinen Tee; Logo: „Graffitea“ – hier muß wegen Anstiftung zur Sachbeschädigung ermittelt werden!

Wir fordern:

 Freigabe aller Kunstwerke, und ihre Versteigerung zugunsten eines Förderungsfonds für Graffitierer.

 Nestle, der sich gerade der Graffiti in seinen Werbekampagnen bedient, soll die Verteidigungskosten übernehmen.

 Alle Akten der Bundesgrenzschutz-Ermittlungsgruppe zu Sprayer und der Polizei AG Sprayer/Kratzer sind als möglicherweise umfassendster Überblick über diese Kunstform in München an die Hochschule für Kunst auszuhändigen, damit diese einem breiteren, kunstverständigen Publikum zugänglich werden.

 Auflösung der Arbeitsgruppe Sprayer/Kratzer beim Polizeipräsidium München.

KünstlerInnen sollen sich bei der Redaktion melden. Wir würden gern noch einiges zu eurer Arbeitssituation veröffentlichen.


Stadtratte 27 vom Juni 1995, 7.

Überraschung

Jahr: 1995
Bereich: Graffiti

Referenzen