Materialien 1995

Freistaat BY eifert Militärstaat TR nach

„Türkisches Szenario“ auf der Theresienwiese

Am Hungerstreik kurdischer Kriegsgefangener in türkischen Gefängnissen beteiligen sich auch KurdInnen in mehreren deutschen Städten. Mehrere dieser Mahnwachen wurden von der deutschen Polizei gewaltsam zerschlagen, so in Frankfurt und Berlin. In Berlin starb eine 41jährige Kurdin an den Folgen des Hungerstreiks und der polizeilichen Repression.

Wie nicht anders zu erwarten beteiligt sich auch die bayerische Polizei an dem Terror gegen die kurdische Bevölkerung. Am Samstag, den 29. Juli, wollten KurdInnen aus München zu einer Protestveranstaltung außerhalb Bayerns fahren. Als sie einem Zivilpolizisten bei der Abfahrt vor dem Kurdischen Elternverein nicht das genaue Ziel der Fahrt angaben, wurde der Reisebus von mehreren Polizeiwagen aufgehalten und zur Theresienwiese entführt.

Hier auf der menschenleeren Wiese bot sich den KurdInnen ein „türkisches“ Szenario. Ein Kontrollposten aus mehreren Mannschaftswagen war errichtet worden. PolizistInnen eines SEK mit Panzerwesten und Helmen standen bereit und spielten mit ihren Knüppeln. Einer hielt einen Schäferhund. Zwei Polizisten richteten ihre Maschinenpistolen auf den Bus. Die Polizei bestand darauf alle InsassInnen des Busses zu kontrollieren und begründete dies damit, es bestände der Verdacht, die KurdInnen führen zu einer verbotenen Kundgebung. Das bayerische Polizeiaufgabengesetz würde eine solche Kontrolle rechtfertigen. Die KurdInnen erklärten darauf, sie würden sich nicht kontrollieren lassen und lieber die Fahrt abbrechen und zum Elternverein zurückfahren. Dennoch bestand die Polizei, die sich schon mit mehreren SEK-Beamten im Bus befand, auf die Personenkontrolle.

Einem Mitglied des Münchner Kurdistan-Solidaritätskomitees wurde es nach einer umfassenden Durchsuchung erlaubt, den Rechtsanwalt Michael Sack zu verständigen. Der kam dann auch gerade in dem Moment, als sich die Polizei auf eine gewaltsame Durchsuchung des Busses vorbereitete. Es war ihm zwar nicht möglich, die Kontrollen zu verhindern, allerdings war die Polizei durch das Beisein eines Anwaltes zur Deeskalation bereit und die Maschinenpistolen und Helme verschwanden. Als sich dann Männer und Frauen unter der Bewachung des SEK in Reihen entlang der Seiten des Busses aufstellten und durchsucht wurden, erinnerte dies wieder stark an Bilder aus der Türkei. Gefunden hat die Polizei nichts, ein Kurde wurde verhaftet, weil er gegen das Ausländergesetz verstoßen haben soll.

Die Polizei hatte ihr Ziel dennoch erreicht. Die Teilnahme der KurdInnen aus München an der Veranstaltung war durch das stundenlange Festhalten verhindert worden. Mit den Drohgebärden eines Aufgebots von schwerbewaffneten Sondereinsatzkommandos hat der deutsche Staat wieder bewiesen, dass er den schmutzigen Krieg und Staatsterrorismus der Türkischen Republik nicht nur deckt, sondern auch bereit ist, mit ähnlichen Mitteln gegen die kurdische Bevölkerung in der BRD vorzugehen. Der letztes Jahr in Hannover von der Polizei ermordete Halim Dener ist ebenso Zeuge dafür, wie die letzte Woche in Berlin gestorbene Gülnaz Baghistani.

(Niß)


Münchner Lokalberichte 16 vom 3. August 1995, 1.

Überraschung

Jahr: 1995
Bereich: Internationales

Referenzen