Materialien 1996

Zu „Weiterstadt“ und anderen Lügen

„… wir können entweder sterben, buchstäblich als volk und möglicherweise als ganzer planet, oder wir können der sich häutenden schlange gleich zu bewussten zeugen des todes der existierenden kultur werden und uns mit der strahlend neuen haut identifizieren, die sich unter der oberfläche des alten zu zeigen beginnt …“
(aus: mythen, musen und tarnt, von vicki noble)

mein name ist andrea wolf. ich werde wegen des sprengstoffanschlags der RAF auf den knastbau in weiterstadt gesucht. im november letzten jahres wurde deswegen haftbefehl gegen mich erlassen, obwohl dem staatsschutz bekannt ist, dass ich damit nichts zu tun habe. ich war zu dem zeitpunkt weder illegal noch bei der RAF, sondern auf reisen in lateinamerika. ich lebe jetzt allerdings seit einem jahr in der illegalität, weil sich meine mögliche verhaftung bereits im sommer ’95 abzeichnete. das ermittlungsverfahren bedroht mich als teil der linksradikalen opposition, in der ich seit 15 jahren aktiv bin. konkret heißt das zum beispiel, dass ich teil der häuserbewegung anfang der 80er war. in infoladenstrukturen und in der anti-waa-bewegung organisiert war, dass ich in frauenzusammenhängen und im antirassistischen und antifaschistischen info- und notruftelefon frankfurt am main mitgearbeitet habe oder in einzelnen mobilisierungen wie im hungerstreik der politischen gefangenen 1989 aktiv war.

als mitte der 80er die hoffnung auf eine grundsätzliche veränderung der machtverhältnisse, die an unsere kämpfe geknüpft war, immer schmaler wurde, habe ich, wie viele andere auch, versucht, revolutionären kampf neuzubestimmen. nach wie vor geht es um eine fundamentale opposition. die frage ist nur das „wie“. nach wie vor ist das interesse des staates, das zu bekämpfen und zu verhindern.

in meinem fall konnten sich bundeskriminalamt (bka) und bundesanwaltschaft (baw) zunutze machen, dass ich monate nach bad kleinen das motorrad des steinmetz von seiner wohngemeinschaft gekauft hatte. (steinmetz ist der agent des verfassungsschutzes, der im juni 93 die sicherheitsbehörden nach bad kleinen führte, wo birgit hogefeld verhaftet und wolfgang grams erschossen wurde.) der kauf war ein grosser fehler, an dem motorrad und den dazugehörenden koffern wird das ganze verfahren gegen mich aufgehängt und eine beteiligung von mir an der knastsprengung in weiterstadt konstruiert. mein denken damals, dass so ein motorrad keine rolle spielen wird, weil der v-mann sowieso das blaue vom himmel runter lügen wird, wie die behörden es wollen, um damit weiter ermitteln und kriminalisieren zu können, macht nur deutlich, dass ich noch gar nicht begriffen hatte, was eigentlich passiert war.

die steinmetzsche geheimdienstoperation ist wahrscheinlich die größte in der geschichte der brd gegen die linke, ihre wirkliche dimension ist heute noch nicht bekannt, und regierung und behörden setzen auch alles daran, dass das so bleibt. war das celler loch, mit dem mitte der 70er jahre eine befreiung von RAF-gefangenen fingiert wurde, um vs-männer in die RAF zu schleusen, ein übungsstück, geht der steinmetz-einsatz schon einen schritt weiter. eher vergleichbar ist die operation mit dem amerikanischen „counter-intelligence-program“. dies wurde vom fbi unter psychologischen gesichtspunkten entwickelt, die aus der jahrelangen beobachtung der politischen organisationen und einzelnen dann gewonnen wurden und auf ihre schwachstellen abzielte. sowohl black panther party als auch das american indian movement wurden mit diesem programm aufgerieben, die bewegungen wurden nicht mehr nur militärisch bekämpft, sondern unterwandert, manipuliert, gegeneinander ausgespielt und so eine wirksame arbeit verhindert. die öffentlichkeit bekam diesen schmutzigen krieg nie zu gesicht. die regierung war fein heraus, sichtbar wurden nur die folgen: die zig politischen schwarzen und native gefangenen, die z.t. noch heute in den us-gefängnissen sitzen.

in der deutschen auflage wurde der verfassungsschutz-agent steinmetz fast zehn jahre in linksradikalen zusammenhängen geführt. er war spätestens 1984 als asta-vertreter an der uni kaiserslautern vom rheinland-pfälzischen verfassungsschutz angeworben worden. von lateinamerika-solidaritätsgruppen über die startbahnbewegung bis hin zu hausbesetzungen – es gab kaum einen zusammenhang der radikalen linken, den er in seiner laufbahn ausgelassen hat. mit diebstählen und einbrüchen und dadurch, dass er seine technischen fähigkeiten zur verfügung stellte, legitimierte er sich. die konsequenz dieser entwicklung war, dass er mitte 1991 kontakt zur RAF bekam. ohne einen stoffwechsel zwischen ihr und der legalen linken kann eine guerilla nicht leben, geschweige denn handeln. dass eine derart wichtige position sozusagen unter einfluss des verfassungsschutz stand, macht den verlauf der politischen entwicklung in den letzten jahren klarer. sichtbar wird auch das bekämpfungskonzept des apparates, der mit jahrelanger überwachung, kill- und rasterfahndung, isolationshaft und horror-urteilen die politische konfrontation nicht zum erliegen gebracht hatte. jetzt sollte von innen her aufgeräumt werden. via steinmetz konnte der verfassungsschutz bestehende politische konflikte und unsicherheiten ausnutzen und manipulieren. die zentrale rolle von steinmetz drohte kurz nach bad kleinen an die öffentlichkeit zu dringen … das alles sollte den wirklichen hintergrund der operation steinmetz aus dem öffentlichen schussfeuer ziehen. im „spiegel“ wird steinmetz kurzerhand zum freien mitarbeiter gemacht, der sich rühmt, zwischen beiden seiten vermittelt haben zu wollen. seine staatlichen auftraggeber rücken mehr und mehr in den hintergrund. doch das öffentliche interesse daran, ob steinmetz, also auch teile in der regierung, im vorfeld von der weiterstadt-aktion wussten, lässt nicht nach. es wird ein verfahren gegen steinmetz eingeleitet wegen unterlassung der anzeige von straftaten und beihilfe zur sprengstoffexplosion. als freier mitarbeiter geniesst er keine behördliche immunität mehr. dieses verfahren wird im februar 1994 eingestellt. es würde schlecht schule machen für alle weiteren spitzel, die der vs noch anwerben will. das verfahren wird gegen unbekannt, also gegen die linke, weitergeführt, und es ist genau das, in dem ich zuerst zeugin war und mittlerweile beschuldigte bin.

ich kannte steinmetz knapp über ein jahr, wovon ich drei monate in lateinamerika war. kennengelernt hatte ich ihn im rahmen der vorbereitungen gegen den weltwirtschaftsgipfel, der im juli 1992 in münchen stattfand. gegen den gipfel der reichsten der welt wurde nicht nur eine grossdemonstration mit über 25.000 teilnehmerInnen organisiert, sondern auch ein gegenkongress mit beteiligung von vertreterInnen aus nationalen befreiungsbewegungen weltweit. mein kontakt zu steinmetz war von anfang an ein politischer, wo es um „fragen und diskussion des kampfes“, um grundsätzliche veränderung der machtverhältnisse ging. obwohl mir seine tour als unbehagen irgendwie aufstiess, konnte ich ihn nicht wirklich durchschauen und identifizieren. er setzte z.b., psychologisch präpariert von seinen v-mann-führern, oft pures vs-wissen an stelle von eigener meinung und diskussion. frauen gegenüber mimte er den aufmerksamen und mitdenkenden, und meinungsverschiedenheiten unter gruppen und einzelnen, nach denen er sich immer wieder erkundigte, benutzte er, um sich darin sicher bewegen zu können und die leute voneinander getrennt zu halten.

es gab keine irgendwie gearteten aktionen von mir mit steinmetz. die bezeichnung „freundin“ in den medien soll mich als frau demütigen und mein handeln und denken entpolitisieren: die frau ohne eigenen willen, als anhängsel des (v)-mannes war überall dabei, dann wieder suggeriert es, der vs-agent wäre eben schon auf die „richtigen“ angesetzt gewesen …

im zuge der ermittlungen wurde mein wohnort, das teilbesetzte haus und wohnprojekt fritzlarer strasse in frankfurt am main, wo 16 erwachsene und zwei kinder seit jahren zusammenleben, ständig terrorisiert und immer wieder von sonderkommandos der polizei durchsucht. eine frau ist zusammen mit ihrem sohn mittlerweile ausgezogen. im juli 1995 nach der dritten hausdurchsuchung war die situation für mich nicht mehr überschau- oder einschätzbar. ich war zusammen mit fünf anderen aus meiner wohngemeinschaft zeugin in dem o.g. verfahren gegen unbekannt geladen. gleichzeitig war im durchsuchungsbeschluss zu lesen gewesen, dass ich ja den weiterstadt-sprengstoff transportiert haben könnte. ein nahtloser übergang von der beuge- zur u-haft war zu befürchten. so entschied ich mich wegzugehen, um aus sicherer entfernung zu beobachten, was weiter passiert. es kann auch sein, dass nur der eindruck erweckt werden sollte, dass meine verhaftung unmittelbar bevorsteht. unter einem solchen druck, spekulierte der staatsschutz möglicherweise, würde ich dazu gebracht, neue fehler zu machen, die er für die verfolgung nicht nur von mir, sondern auch von anderen benutzen könnte. d.h. aber umgekehrt nicht, dass nichts passiert wäre, wenn ich zuhause geblieben wäre.

ende november 1995 konnte ich der presse entnehmen, dass haftbefehl gegen mich erlassen worden war. ausserdem wurden sechs meiner mitbewohnerInnen erneut als zeugInnen geladen, diesmal um gegen mich auszusagen. vier von ihnen saßen bis zu fünf monaten in beugehaft, weil sie sich weigerten, mit der politischen justiz zusammenzuarbeiten.

ich kam kaum dazu zu realisieren, was ein haftbefehl bedeutet, als sven s. am 6. dezember 1995 an einem deutsch-österreichischen grenzübergang kurzfristig festgenommen wurde. bei ihm wurden außer diskussionsmaterial persönliche briefe von mir gefunden. als folge davon wird ein neues verfahren gegen mich eingeleitet wegen mitgliedschaft in einer terroristischen vereinigung. in dem beschluss des bundesgerichtshofs dazu werden einzelne wörter aus dem zusammenhang gerissen und, mit füllwörtern aufgepeppt, so wieder zusammengesetzt, dass sich ein neuer sinn ergibt. ich hatte in einem brief über meine entscheidung, weggegangen zu sein, geschrieben: „… ich bin froh, nicht mehr abzuwarten, sondern zu handeln.“

die verdrehung der bundesanwaltschaft endete in der kernaussage, dass ich in einem pkk-ausbildungslager sei und mit einer unbekannten gruppe zurückkehren wollen würde, um den bewaffneten kampf aufzunehmen. aufgrund dieser behauptung wird nicht nur gegen mich ein neues verfahren eingeleitet, auch gegen sven wird wegen unterstützung dieser angeblichen terroristischen vereinigung als „kurier“ ermittelt, weil bei ihm die briefe gefunden wurden.

die gefundenen diskussionspapiere setzten sich unter anderem mit dem zustand der linken insgesamt, ihren fehlern und derzeitigen möglichkeiten auseinander. alles drehte sich um die suche nach einer neuen perspektive des kampfes, nach ideen und impulsen auch außerhalb der eurozentristischen realität. die linke in den reichen industriezentren hat sich aus ihrer teilhabe an der macht nicht wirklich befreien können, hat diese reproduziert und sich letztlich selbst gestoppt. deshalb ist zentrales thema für mich, wo was gelernt werden könnte, um aus der verwobenheit wirklich rauszukommen. das ist der hintergrund, vor dem die pkk erwähnt wird, als einer der befreiungsprozesse in der heutigen zeit, der ständig anwächst. die pkk hat es geschafft, von einer kleinen isolierten guerillagruppe, die im august 1984 den bewaffneten kampf aufnahm, zu einer großen breiten volksbewegung zu werden. in ihr organisieren sich frauen zu eigenständigen fraueneinheiten, eine reine frauenarmee wird angestrebt. dieser innerhalb der organisation respektierte raum und gewollte schritt ist ein ausdruck davon, dass die pkk es ernst meint, wenn sie sagt, dass es ohne die befreiung der frau eine befreiung nicht nur des kurdischen volkes nicht geben kann. es wäre spannend und interessant kennenzulernen, wie das alles in der realität aussieht. um schießen zu lernen jedenfalls braucht niemand nach kurdistan zu gehen.

unter dem titel „hilflos vor dem terror“ bereitet der spiegel (13/1996) auf, wie die informationen aus den sicherheitsbehörden gelesen werden sollen: die bevölkerung in deutschland soll nicht angst haben vor massenentlassungen, dem atommüll, der dramatischen wirtschaftlichen situation, nicht vor der änderung erkämpfter rechte, nicht vor dem polizeiterror und den korrupten eliten, nein vor der pkk, „… die das land bedrohe und terrorisieren und sogar mit deutschen terroristen zusammenarbeiten würde … auch die wegen des sprengstoffanschlags auf die jva weiterstadt mit haftbefehl gesuchte andrea wolf halte sich, so mutmaßt das bka, in einem camp der guerilla auf.“

ich bin weder in einem pkk-lager noch habe ich etwas mit weiterstadt zu tun!

mit derart konstruierten behauptungen wird eine bedrohung von außen skizziert, angesichts deren die wirklichen probleme in deutschland in den hintergrund treten sollen. es ist das immer gleiche strickmuster. anfang der 20er jahre waren jüdische menschen diese bedrohung, nach dem zweiten weltkrieg die rote gefahr des kommunismus, heute die farbigen und schwarzen völker. die verfolgung der pkk hat immer auch etwas von dieser rassistischen komponente. gegen sie wird gehetzt, sie wird verfolgt. verboten ist die pkk aber vor allem deshalb, weil sie die regierung mit der größten radikalen linken organisation seit dem verbot in den 50ern konfrontiert.

den paranoiden hirnen des über 20 jahre hochgezüchteten staatsschutzes entspringt die phantasie einer „neuen terroristischen vereinigung“ à la RAF, die ich gründen wollen würde. weil in den siebzigern spätere RAF-leute in palästina militärische ausbildungen machten, kann es nur das sein. die reaktion spricht eine deutliche sprache: es ist die drohung, wer den gedanken an widerstand nicht aufgibt, wird mit dem, seit der zerschlagung der arbeiterbewegung immer weiter perfektionierten, deutschen polizeiapparat eingekreist, isoliert und bis zur vernichtung gejagt werden. nur 24 stunden nach der grenzkontrolle wird meine wg, in der auch sven wohnt, zum fünften mal durchsucht. sven wird erneut festgenommen und zehn stunden festgehalten. zwei neue 129a-verfahren werden eingeleitet und in der presse wird gegen die pkk gehetzt.

in den von mir verfassten briefen geht es um meine situation in der illegalität. so wie ich es mitkriege, ist das immer noch ein tabu-thema in der linken, obwohl viele der von den aktuellen verfahren bedrohten untertauchen mussten. ich mache selbst die erfahrung, wie schwierig es ist, den kontakt und die diskussion unter den gegebenen umständen aufrechtzuerhalten. der staat weiß, dass es in der illegalität ohne anbindung an eine organisation oder politische perspektive nur die alternative gibt, aufzugeben oder auszuwandern. deshalb setzt er alles daran, die verbindung und den kontakt der linken zu den illegalen zu verhindern. punktuell ist das auch gelungen, wenn man sich anschaut, wieviele menschen aus den 80er jahren heute noch illegal leben, an die sich kaum jemand mehr erinnert bzw. von denen fast niemand etwas weiß. ich kriege erst jetzt so langsam eine vorstellung davon, was es für die zig-tausende flüchtlinge in deutschland bedeutet, tag für tag ohne papiere und ohne status ums überleben zu kämpfen. und dabei habe ich noch das „privileg“, weiß zu sein.

ich bin überrascht, wie liebevoll und offen ich überall aufgenommen werde. allen, auch zu hause, möchte ich für ihre solidarität danken. diese solidarität ist wie eine welle, die mich trägt. ich hoffe, alle, die in der gleichen situation sind, erleben das genauso. euch möchte ich sagen, dass meine gedanken und meine liebe euch begleiten, egal wo auch immer ihr sein mögt!

ich erfahre aber hier auch den riss, der quer durchgeht: unser mögliches potential einerseits, aber andererseits alte fehler der linken … unsere schwäche weiß der staat und setzt alles daran, einen neuen, geeinten widerstand erst gar nicht aufkommen zu lassen. deshalb werden einzelne wie ich, die eine lange widerstandsgeschichte haben und nicht aufgegeben haben, verfolgt. deshalb werden die redakteurInnen der zeitung „radikal“, die eine freie und unzensierte information und diskussion ermöglicht, kriminalisiert. deshalb werden antifaschistische organisationen wie die „antifa m“ angeklagt. menschen, die nicht kollaborieren, wie monika haas, eingesperrt – oder in beugehaft gesteckt. auch fahndungshetze gegen drei männer, die versucht haben sollen, unter dem namen „komitee“ den in umbau befindlichen abschiebeknast in berlin-grünau in die luft zu sprengen, soll ablenken von den organisierten verbrechen, das die flüchtlings- und asylpraxis der reichen industriestaaten real ist. das denken in den eigenen reihen, dass angesichts unserer schwäche die repression nachlassen müsste, ist zwar an sich logisch, negiert aber alle erfahrungen mit dem system.

ich gehe in meinem fall davon aus, dass meine kriminalisierung davon ablenken soll, dass mit steinmetz der von der regierung als schattenbereich für v-leute definierte raum überschritten wurde. außerdem, dass solche verfahren einzelne aus dem verkehr ziehen, werden sie dazu benutzt, um mit zeugInnenvorladungen, beugehaft u.ä. die reihen der linken szene durchzukämmen und zu beobachten, wer sich wie verhält. von den monaten knast mal ganz abgesehen. aktuell sind mir mindestens 20 solcher vorladungen im zusammenhang „komitee“ in berlin bekannt, über 20 aus wiesbaden und darmstadt wegen weiterstadt.

zur einleitung unseres zeitalters – das der menschen – gehört, unsere fehler aufzuarbeiten, um unsere schwäche zu überwinden. es braucht einen begriff des vergangenen. z.b. hat der vs durch steinmetz mehr mitgekriegt und mehr einfluss gehabt, als bisher zugegeben wurde. zu einem ehrlichen umgang fordere ich alle auf, die mit steinmetz zu tun hatten. nach wie vor gibt es über die frage, wie sich steinmetz bis schlusspunkt bad kleinen halten und agieren konnte, keine ausreichend genaue und gemeinsame auseinandersetzung. trotz einzelner öffentlicher äusserungen ist es immer noch so, dass die geheimdienstoperation und ihre folgen, die verunsicherung nachwirken kann. das nicht- oder nur sehr mäßige verhalten derer, die mit dem agenten zusammengewesen waren, mit ihm gearbeitet und gelebt haben, ist wie ein vakuum, ein grauenvolles nichts, das alles verschluckt, die betroffenen alleine lässt und dem staat den raum gibt, nach seinem belieben damit zu jonglieren. das rätselraten, wieso die eine behörde steinmetz schützt, während die andere ihn angeblich verfolgen will, führt zu nichts. im dezember 1995 wurde erneut ein haftbefehl gegen ihn erlassen, aber nur zum schein. der eindruck, dass steinmetz eine zwielichtige figur sei und nicht auf regierungsauftrag gehandelt hätte, soll damit verstärkt werden. es mögen verschiedene arbeitsmethoden innerhalb des apparates sein, die sich auch manchmal im weg stehen, im kern ist ihr ziel aber identisch: die bestehende machtordnung aufrechtzuerhalten und allen widerstand dagegen zu brechen. im gremium der kgt (koordinierungsgruppe terrorismus), wofür extra die im grundgesetz verankerte gewaltentrennung aufgehoben wurde, erfolgt die absprache zwischen geheimdienst und den polizeibehörden des bundes zusammen mit den verantwortlichen politikern. angesichts der dimension, die der geheimdiensteinsatz des agenten steinmetz für die deutsche regierung hat, ist die aufregung um seinen haftbefehl doch sehr gering.

ich rufe hiermit alle fortschrittlichen menschen, auch in den medien, auf, sich an den verdrehungen und der hetze nicht zu beteiligen. die geheimdienstoperation um steinmetz herum muss komplett offengelegt werden.

 die verfolgung von mir, meiner wohngemeinschaft und der linken muss aufhören!

 schluss mit all den aktuell laufenden politischen verfahren.

 weg mit den haftbefehlen und der beugehaft (ermittelt werden muss beim verfassungsschutz und in der regierung).

 statt dessen sollte endlich das pkk-verbot aufgehoben, die militärhilfe für die türkei eingestellt werden, die politischen gefangenen freigelassen und die menschenverachtende asylpraxis gestoppt werden.

 für unser recht auf leben als menschen und frauen.

freiheit und glück.
andrea wolf, juli 1996


Angehörigen Info 185 vom 6. September 1996. Herausgegeben von Angehörigen, Freunden und Freundinnen politischer Gefangener in der BRD, www.nadir.org/nadir/periodika/angehoerigen_info/ai185.html.

Überraschung

Jahr: 1996
Bereich: Militanz

Referenzen