Materialien 1996
An den Schulen regt sich der Geist der Auflehnung!
Dieser Artikel soll ein kurzer Bericht über eine in München neu entstandene und kämpferische SchülerInnenbewegung sein. Anlass ist ein am 19. Juli 1996 von elf Gymnasien durchgeführter eintägiger Schulstreik, an dem sich sieben- bis zehntausend SchülerInnen beteiligten.
Grund des Protestes waren die seit Jahren laufenden finanziellen Streichungen im Schulsektor sowie die Ankündigungen neuer Kürzungen des bayerischen Kultusministeriums, das dazu ein Gutachten des Wirtschaftsberatungsinstituts Kienbaum einholte. Das Kienbaum-lnstitut hilft normalerweise Firmen, durch Strukturreformen profitabler zu werden (eine Maßnahme ist oft, ArbeiterInnen zu entlassen). Dass somit die Schule immer mehr nach kapitalistischen Verwertungsinteressen umstrukturiert werden soll, erregte den besonderen Zorn der SchülerInnen. Die am Schultag gehaltenen Reden und der ihnen entgegenbrausende Beifall machte deutlich, dass sich die SchülerInnen nicht mehr mit der Zurücknahme der Kürzungen, ein paar Reförmchen hier und da, zufrieden geben, sondern zunehmend erkennen, dass ein Ausweg aus diesen Mißständen nur durch eine grundsätzliche Änderung des Schulwesens, ja der ganzen Gesellschaft, gefunden werden kann.
Sie sahen daher ihren Schulstreik als einen Teil des Kampfes gegen den allgemeinen sozialen Kahlschlag.
Aus den Vorbereitungen des Streiks entstand die SIM (SchülerInnen-lnitiative München). Sie ist eine von staatstragenden Institutionen und Parteien unabhängige Interessenvertretung der SchülerInnen. Dies zeigt, dass die Jugendlichen nicht, wie so oft behauptet wird, politikverdrossen sind, sondern lediglich keine Illusionen mehr in Institutionen, wie beispielsweise die SMV (Schüler-Mitverwaltung), haben, die nur dazu da sind, Protest wirkungslos verpuffen zu lassen. Auch haben sie kein Vertrauen mehr in die etablierten Parteien, die alle in das soziale Einschnitts-Gerede gefallen sind. Sie schaffen sich ihre eigenen Organe!
Eine andere Aktion der SIM war, am Samstag, den 12. Oktober 1996, auf eine Demonstration von SportlehrerInnen zu mobilisieren. Allerdings reihte sie sich nicht unter deren Motto „Sparen, ja aber verteilt auf viele Fächer!“ ein, sondern verteilte ein Flugblatt, auf dem es heißt: „Gespart muß werden – aber bei den Reichen!!!“ Zur Zeit versucht die SIM, ihre Strukturen an der Basis durch SIM-Komitees an den einzelnen Schulen auszubauen, sowie ein Seminar über das Wesen der Schule im Kapitalismus bzw. Alternativen zu organisieren. Keine spektakuläre Aktion, aber die nötige Kleinarbeit, auf der jeder erfolgreiche Widerstand beruht.
Aus dem Bewusstsein heraus, dass die sozialen Kürzungen auch andere Schichten betreffen (StudentInnen, ArbeiterInnen, Arbeitslose und RentnerInnen) und deshalb nur ein gemeinsamer Kampf sinnvoll und erfolgversprechend ist, plant die SIM auch gemeinsam getragene Aktionen.
Nähere Informationen und die Möglichkeit als SchülerIn mitzuarbeiten, bieten die SIM-Treffen jeden Montag ab 18.00 Uhr im Gewerkschaftshaus in der Schwanthalerstraße 64 (U 4/5 Theresienwiese).
Freidenkerinfo. DFV Ortsgruppe München vom Januar – April 1997, 16.