Materialien 1996
Parklizenz Haidhausen - Chronik
Die Geschichte der Parklizenz in Haidhausen hat ihre Ursprünge wohl in der ersten Hälfte der 80er-Jahre. Die Verkehrssituation im Viertel wurde zunehmend bedrohlicher, Gehsteigparken
und nächtlicher Kneipensuchverkehr nahmen deutlich zu.
Die BürgerInnen wehrten sich, teils durch originelle Aktionen: So wurde 1982 nächtens ein Zebrastreifen am Orleansplatz aufgemalt. 1982 wurden Autos, die auf Fahrradwegen parkten, schlicht und einfach mit einem weißen Streifen übermalt. Etwas rabiater wurden die Haidhau-
serInnen dann 1983, als eine „Aktion Pffft“ Gehsteigparkern die Luft aus den Reifen ließ (HN 5/84). Zugleich wurden in Bürgerversammlungen immer wieder Verkehrsberuhigungskonzepte und -Maßnahmen gefordert.
Auf den 19. September 1984 datiert ein Beschluss des städtischen Planungsausschusses, der um-
fangreiche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung empfiehlt. Unter dem Titel „Parklizenzierung“ schreiben die HN im Oktober 1984: „Für Haidhausen bedeutet dies, dass spätestens bis zur ‚Vollinbetriebnahme des Kulturzentrums’ (Herbst 1985) die Parklizenzierung wie z.B. im Lehel durchgeführt wird.“
Die Forderung zur konkreten Einführung eines Parklizenzgebiets in Haidhausen wurde fortan immer deutlicher. Unter dem Motto „Weg mit dem Verkehr – Wir machen dicht“ veranstaltete beispielsweise die Mieterinitiative am 31. Januar 1985 eine selbstorganisierte „Einwohnerver-
sammlung“ (HN 3/85). Am 5. März desselben Jahres fand in der Wörthstraße ein „St. Häm-
merlein’s Tag“ statt, bei dem in Form eines Straßentheaters Kinder bereitgestellte Schrott-
fahrzeuge demolieren durften (HN 4/85).
Als im Herbst 1985 immer noch keine Parklizenz in Sicht war, bekräftigte die Haidhauser Bürgerversammlung vom 17. September die Forderung nach ihrer Einführung. Doch es sollte nochmals fast ein Jahr vergehen, bis die Parklizenz am 1. Juli 1986 in Haidhausen in Kraft trat (HN 7/86). Es war dies noch keine feste Einrichtung, sondern eine Pilotphase, die bis Ende 1987 terminiert war.
Gar nicht gefallen hatte das Pilotprojekt der CSU, die für Tiefgaragen statt „sozialistischer Mangelverwaltung“ plädierte. Es waren dies die Zeiten wechselnder „Gestaltungsmehrheiten“ unter OB Kronawitter. Im Dezember 1987 gelang es der CSU jedoch aufgrund einiger weniger fehlenden Stimmen nicht, den Parklizenzversuch auslaufen zu lassen, er wurde vielmehr bis zum 31. Juli 1988 fortgeschrieben. Eine städtische Umfrage belegte zugleich eine deutliche Mehrheit in Haidhausen für eine endgültige Einführung der Parklizenz (HN 1/88).
Eine außerordentliche Bürgerversammlung in Haidhausen sprach sich dann am 14. Juni 1988 für die endgültige Einführung und Ausweitung der Parklizenz aus. „Klares Votum für die Parklizenz“ titelten die HN in der Juli-Ausgabe. Der Stadtrat beschloss jedoch im Juli 1988 erneut nur eine weitere Fortsetzung der Versuchsphase, diesmal bis 30. Juni 1989, sowie eine Ausweitung des Lizenzgebiets (1. Januar 1989).
Zunehmend machte jetzt die CSU gegen die Lizenz mobil: im Schlepptau Haidhauser Geschäfts-
leute, die sich durch die eingeführte Kommunale Parküberwachung gestört fühlten (HN 9/88). Sie formierte eine „Bürgerinitiative Haidhausen contra Parklizenzierung“, die am 4. April 1989 3.000 Unterschriften im Rathaus vorlegte. Die Unterschriften stammten jedoch weitgehend nicht von AnwohnerInnen, die Listen lagen vielmehr wochenlang in Geschäften aus. HN 5/89: „Gezinktes Spiel mit 3.000 Unterschriften“.
Die Bürgerversammlung vom 16. Juni 1989 bot kurz vor dem Auslaufen der Versuchsphase noch-
mals alle Originalität und Entscheidungskraft für den Erhalt der Parklizenz auf. OB Kronawitter wurde auf der Versammlung mit einem großen Pappauto begrüßt, das von einigen BürgerInnen als „Goldenes Kalb“ in den Saal getragen wurde (HN 7/89).
Doch die Gestaltungsmehrheiten im Rathaus hatten sich geändert: Am 5. Juli 1989 beschloss der Stadtrat mit den Stimmen von CSU, FDP und USD gegen SPD und Grüne das Aus für die Parkli-
zenz zum Monatsende (31. Juli 1989). Die Stadtratsentscheidung wurde von einem Flugblattregen empörter ZuhörerInnen begleitet und SPD-Stadträtin Adelheid Dietz-Will war zur Sitzung mit einem demonstrativen T-Shirt angetreten (HN 8/89).
Die lizenzlose Zeit sollte über ein Jahr, bis zum 1. Oktober 1990 dauern. Die Haidhauserlnnen protestierten in der Zwischenzeit teilweise mit „Abendspaziergängen“ (HN 10/89). Die politische Wende kam erst mit der Kommunalwahl vom 14. März 1990, die eine bunte Mehrheit im Stadtrat brachte. Nachdem sich die Bürgerversammlung im Mai erneut für die Parklizenz ausgesprochen hatte, beschloss der neue Stadtrat am 29. 8. 90 die Wiedereinführung der Parklizenz zum 1. Oktober 1990 (s. HN 9/90 und 10/90), diesmal unbefristet.
Die CSU machte in Haidhausen erstmals wieder im Oktober 1994 einen Versuch, gegen die Parkli-
zenz vorzugehen. Sie scheiterte damals allerdings auf der Bürgerversammlung mit einem Antrag, die Lizenz zeitlich einzuschränken. Im Verbund mit dem VDK versuchte die örtliche CSU jedoch im Februar 1995, denselben Aufweichungsantrag über den Bezirksausschuss einzubringen (HN 3/95). Die anderen Fraktionen gaben sich zwar in den Sachfragen aufgeschlossen und diskutierten das Thema bis in den Sozialausschuss (HN 7/95), blieben jedoch im entscheidenden Punkt hart.
Mit Urteil vom 24. April 1996 wurde die Parklizenzierung Au/Haidhausen vom Verwaltungsgericht München für unwirksam erklärt. Die Stadt will gegen das Urteil keine Berufung einlegen. Der „Vollzug“ der Parklizenz wurde am 6. Mai 1996 „einstweilen“ ausgesetzt.
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Haidhauser Nachrichten 6 vom Juni 1996, 7.