Flusslandschaft 1947
Frauen
In der 30er Jahren war der Protest gegen den Abtreibungsparagraphen 218 unübersehbar. Jetzt kommt er langsam wieder auf die Tagesordnung.1
„Geh’ ins Kloster, Ophelia! – In einem Vorlesungsauszug über ‚Grundprobleme der sozialen Poli-
tik’ von Dr. Weinreich, Technische Hochschule München, Sommer-Semester 1947, finden wir fol-
gende Lösung der Frauenfrage: ‚Hieher gehört auch der Unsinn der beruflichen und politischen Gleichberechtigung der Geschlechter, die offenbar in der natürlichen Ordnung keinen Grund fin-
det.’ ‚Frauenarbeit ist Arbeit in Haus, Küche, Stall und Garten.’ ‚Die beste bisher in Europa gefun-
dene Lösung der Frauenfrage … war die Herausnahme derer, die nicht in der Familie ihre Lebens-
aufgabe finden konnten, aus dem Staat (der sich eben aus Vollfamilien zusammensetzt) in den Bereich der Kirche.’“2
Gewerkschaften waren ursprünglich eine Männerdomäne. Jetzt richtet der Bayerische Gewerk-
schaftsbund (BGB) ein eigenes Frauensekretariat unter der Leitung von Christa Gebel ein.3
1 Siehe „§ 218“ von Heinz Hartwig.
2 Die Nation. Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur 5 vom August 1947, 17.
3 „Christa Gebel, geb. Kern (*1924) hatte gerade ihr Staatsexamen an der Fachschule für Sozialarbeit absolviert, als sie
im Sommer 1946 im Alter von 21 Jahren als leitende Fürsorgerin im Lager München-Allach II die Sorge für ca. 2.000 Menschen übernahm. Nachdem sich der Bayerische Gewerkschaftsbund (BGB) 1945 wieder konstituiert hatte, wurde 1947 ein Frauensekretariat für den Bereich München gegründet. Christa Gebel übernahm den Aufbau dieser Abteilung. Aufgabe der Frauensekretärin war es, sich um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen zu kümmern, die Ziele der Gewerkschaftsarbeit zu vermitteln und so Hilfe vor Ort zu ermöglichen. Ab 1947 fanden spezielle Frauenarbeitstagungen in der BGB-Bundesschule Kochel statt. Es war jedoch nicht immer einfach, die Betroffenen anzusprechen, da sich gerade nach den Erfahrungen des Dritten Reichs viele scheuten, sich (gewerkschaftlich) zu organisieren. – 1949 unternahm Christa Gebel im Auftrag der amerikanischen Militärregierung eine sechswöchige Amerika-Reise mit dem Ziel, die Arbeitsbedin-
gungen amerikanischer Frauen in Betrieben und Verwaltungen sowie die Arbeit der Frauenorganisationen kennenzulernen. Diese zum ‚Reeducation’-Programm der amerikanischen Regierung gehörende Reise gab Christa Gebel auch Gelegenheit, in Amerika über die schwierigen Lebensbedingungen deutscher Frauen zu berichten. – Wichtigste Forderung ihrer zehnjähri-
gen Tätigkeit als ‚Münchner’ Frauensekretärin blieb für Christa Gebel die berufliche Gleichstellung der Frau: ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit’. Als Frauensekretärin besuchte sie fast alle Münchner Betriebe, um sich über die Arbeitsbedingungen von Frauen zu informieren und sich für Verbesserungen einzusetzen. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 48 Stunden an sechs Tagen, der weibliche Stundenlohn lag bei nur ca. 50 Pfennig; gesetzliche Arbeitsschutzvorschriften sowie eine Mutter-
schutzregelung gab es nicht. Christa Gebel versuchte auch bei heute so selbstverständlichen Dingen wie Pausenregelung, Licht und Belüftung Änderungen zugunsten der Frauen zu erreichen. Unterstützung erhielt sie dabei von Thea Harmuth (1904 – 1956), die zuerst Landesbezirks-Frauensekretärin gewesen war und 1949 auf dem Gründungskongress des Deut-
schen Gewerkschaftsbundes in den Bundesvorstand gewählt wurde … Von 1957 bis 1966 übernahm Christa Gebel die Leitung der Abteilung ‚Angestellte’ des DGB für München und Augsburg. Dieser Wechsel ist als der eigentliche Karriere-
sprung in Christa Gebels Berufslaufbahn zu sehen: Nun war sie nicht mehr nur für Frauen, sondern auch für Männer zuständig – durchaus keine Selbstverständlichkeit (so bedurfte es auch in Gewerkschaftskreisen erst der Überzeugungsar-
beit, dass eine Frau Hauptreferentin einer Großkundgebung sein konnte). 1966 wechselte Christa Gebel nach Berlin zur Deutschen Union der Filmschaffenden und übernahm als Geschäftsführerin neben dem ausschließlich ,mit Männern besetzten Vorstand die gewerkschaftliche Vertretung der Filmschaffenden in Westdeutschland und Berlin. B. Hu.“ Agnete von Specht (Hg.), Geschichte der Frauen in Bayern. Von der Völkerwanderung bis heute. Katalog zur Landesausstellung in den Ausstellungshallen im Klenzepark in Ingolstadt — 18. Juni bis 11. Oktober 1998, Augsburg 1998, 348 f.