Materialien 1998

Münchner Polizei „begrüßt“ die „Samstags-Mütter“ aus der Türkei

- ihre Unterstützer werden mit einer Hausdurchsuchung überzogen

Heute morgen wurden in einer zwei Stunden dauernden Polizeiaktion die Räume des „Vereins zur interkulturellen Zusammenarbeit“ und der „Informations- und Beratungsstelle für Menschenrech-
te MESOPOTAMIA“ in München zum wiederholten Male durchsucht.

Der Durchsuchungsbeschluss lag diesmal nicht seit Monaten in der Schublade der Staatsanwalt-
schaft (politische Abteilung), sondern wurde relativ kurzfristig konstruiert. Die Maßnahme wurde vor einer Woche angeordnet, weil am 1. Mai dieses Jahres Flugblätter der ERNK in München auf-
getaucht sein sollen. Die ERNK (nationale Befreiungsfront Kurdistans) ist in der Bundesrepublik mit einem Betätigungsverbot belegt.

Dennoch ist der Zeitpunkt der Durchsuchung mit Sicherheit nicht zufällig gewählt. Denn heute Abend trifft eine Delegation der „Samstagsmütter“ aus der Türkei in München ein. Die „Samstags-
mütter“ sind Menschenrechtlerinnen, die allesamt Angehörige auf Grund von Menschenrechts-
verletzungen in der Türkei und Kurdistan vermissen bzw. verloren haben. Eine Abordnung der „Samstagsmütter“ befindet sich zur Zeit auf einer Rundreise durch die Bundesrepublik, um über die Situation in ihrem Land zu informieren und zu diskutieren. Die Rundreise wurde organisiert vom Kurdistan-Informationszentrum (KIZ) und der Informationsstelle Kurdistan (ISKU) in Köln. Zu den bundesweiten UnterstützerInnen zählen:

Aachener Friedenspreis e.V., amnesty international, Bündnis 90/Die Grünen (Bundesvorstand), Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifafschisten und weitere. Auch in München wird die Rundreise von einem breiten Bündnis von Parteien, Organisationen und Menschenrechtsgruppen getragen. Zu den bisherigen Unterstützern zählen in München die Informations- und Beratungsstelle für Menschenrechte MESOPOTAMIA, der Verein für inter-
kulturelle Zusammenarbeit e.V:, die „Kurdischen, türkischen und deutschen Frauen“, das Kur-
distan-Solidaritätskomitee und weitere Personen aus Gewerkschaften und diversen Kreis- und Landesverbänden der im Landtag vertretenen Parteien. Eingeladen sind die „Samstagsmütter“ sowohl vom Dritten Bürgermeister der Landeshauptstadt München, Hep Monazeder als auch von den Fraktionen der SPD und der B90/Die Grünen im bayerischen Landtag. Außerdem haben weitere Politikerinnen und Politiker ihre Teilnahme an der morgigen Kundgebung zugesagt bzw. Grußbotschaften übermittelt. Dazu zählen unter anderen Claudia Roth, Mitglied des Europäischen Parlamentes (B90/Die Grünen) und Anne Hirschmann, MdL (SPD).

Die „Samstagsmütter“ setzen sich seit Jahren für die Menschenrechte in der Türkei und die Beendigung des Krieges in Kurdistan ein. Sie fordern aber auch Deutschland auf, endlich die Waffenlieferungen an die Türkei einzustellen. Darüber hinaus sollte Deutschland seine Rolle in dem seit fast 15 Jahren dauernden Konflikt besser dazu nutzen, eine Vermittlerposition einzunehmen und eine politische Lösung zu fördern.

Stattdessen wird nun auch die Delegation der „Samstagsmütter“ auf perfide Weise vom deutschen Staatsschutz begrüßt. Indem konstruiert wird, die Unterstützer der MenschenrechtlerInnen seien kriminell oder gar terroristisch, soll das Anliegen der „Samstagsmütter“ allgemein diffamiert wer-
den – wie in der Türkei! Wir protestieren aufs Schärfste gegen die heutige Durchsuchung und for-
dern, endlich eine politische Lösung für Kurdistan auf den Weg zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen
Roland Meier
lnformations- und Beratungsstelle für Menschenrechte MESOPOTAMIA


Münchner Lokalberichte 13 vom 2. Juli 1998, 2 f.

Überraschung

Jahr: 1998
Bereich: Internationales

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