Materialien 1999
Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit
Seit dem 24. März befindet sich Deutschland mit im Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Jeden Tag wird die Situation in Jugoslawien und speziell im Kosovo schlimmer. Die NATO gibt vor zu bombardieren, um eine „humanitäre Katastrophe“ zu verhindern. Doch ganz offensichtlich und nicht unerwartet wird diese „humanitäre Katastrophe“ durch die NATO-Bomben täglich schlimmer. Die NATO-Bomben sind eine wesentliche Ursache für das Flüchtlingselend.
Wir fordern von hier aus einen sofortigen Stopp der Luftangriffe! Stoppt das NATO-Bombardement jetzt! Über Jahre hinweg haben die NATO-Staaten und Deutschland die zivilen Kräfte im Kosovo hängen lassen und politisch nicht unterstützt. Der Konflikt wurde erst dann interessant, als ein kriegerischer Konflikt daraus wurde. Die UCK wurde vom Westen hochgezüchtet und aufgerüstet. Das vielgelobte Rambouillet-Abkommen war ein unannehmbarer Diktat-Frieden der westlichen Staaten. Um einen ehrlichen Kompromiss ging es dort nie. Es ist eine üble Heuchelei der Verantwortlichen der NATO-Staaten: Bei den Bombardements geht es nicht um Hilfe für Menschen in Not, hier geht es um eine menschenverachtende Demonstration der militärischen Stärke!
Diese Bombardements werden fortgeführt und Tag für Tag verschärft, weil die NATO ihr Gesicht nicht verlieren will. Mir ist jeder Mensch, der nicht umgebracht wird, lieber als das Gesicht eines Militärbündnisses!
Die NATO ist in ihre eigene Drohkulisse – in ihre eigene Sachzwanglüge gelaufen, die NATO hat mit Bomben gedroht und meinte dann, dass sie auch bombardieren müsse. Was nach den Bomben kommen soll, konnte und kann niemand sagen. Durch diesen Angriffskrieg der NATO werden täglich Menschen umgebracht. Deutsche Bundeswehrsoldaten sind höchstwahrscheinlich zu Mördern geworden. Tucholsky hatte leider wieder einmal recht mit seinem Text „Der bewachte Kriegsschauplatz“.
Dieser Kriegseinsatz ist völkerrechtswidrig! Die NATO hat sich selbst ein Mandat gegeben. Justizministerin Herta Deubler-Gmelin meinte dazu: „Rechtlich gesehen gibt es keine großen Probleme für die NATO!“ Wenige Wochen zuvor hatte Däubler-Gmelin noch gesagt, das Völkerrecht sei dazu da, dass es eingehalten werde, da ging es um die Hinrichtung der Brüder La Grand durch die US-Justiz. Eine Justizministerin, die das Völkerrecht nicht kennt, muss schleunigst zurücktreten!
Dieser Kriegseinsatz ist grundgesetzwidrig! Im Grundgesetz (Art. 26.1) heißt es: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“
Im Paragraph 80 des Strafgesetzbuches wird das konkretisiert: „Wer einen Angriffskrieg, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentzug nicht unter zehn Jahren bestraft.“
Das heißt also: Dass das „Kriegskabinett“, also Bundeskanzler Gerhard Schröder, Außenminister Joschka Fischer und Kriegsminister Rudolf Scharping vor Gericht gestellt und abgeurteilt gehören. Generalbundesanwalt Kay Nehm hat die eingegangenen Klagen nicht angenommen, weil, so seine Begründung, der Nato-Einsatz dem Völkerfrieden diene.
Hermann Hesse hat einmal gesagt: „Krieg kommt nicht aus dem blauen Himmel herunter. Er muss vorbereitet werden.“ Genau so ist es auch bei diesem ersten Angriffskrieg der Bundeswehr und der NATO. Die Bundeswehr wurde vorbereitet auf ihre Kriegsführungsfähigkeit. Die alte Regierung hat die Bundeswehr Schritt für Schritt verändert, von einer Bundeswehr, die offiziell zur Landesverteidigung da war, hin zu einer Bundeswehr zu weltweiten Kampf- und Kriegseinsätzen. Es wurden Krisenreaktionskräfte (KRK) geschaffen mit dem Kommando Spezialkräfte (KSK) an der Spitze. Seit dem Ende des Kalten Krieges wurde mit einer Salamitaktik die Einsatzoptionen der Bundeswehr Stück um Stück ausgebaut. Den Schritt zum Kriegseinsatz setzte die neue rot-grüne Bundesregierung um.
Ich rufe die Soldaten aller Seiten dazu auf, den Kriegsdienst zu verweigern oder zu desertieren!
gekürzte Rede, die Tobias Pflüger am 3. April 1999 zum Ostermarsch in München gehalten hat
antimilitarismusinformation 5 vom Mai 1999, Berlin, 64 f.