Materialien 1999

Rosa Zeiten für die Lesben

STEUERGELD
Randale im Rathaus: Die Stadt München spendiert einer bislang unbeachteten Beratungsstelle fast 300.000 Mark
von FOCUS-Redakteurin Marika Schaertl

Von Karossen und Lesben versteht Thomas Hanna etwas – davon ist zumindest der Münchner Stadtrat überzeugt. Frauen, die Frauen lieben, so der Vertreter der Autofahrerpartei (ASP), bräuchten jedenfalls „keinen Rat“.

Das bestreitet die rot-grüne Rathaus-Mehrheit und provozierte Hanna und andere Oppositionelle jüngst zum Protest: Mit 287.902 Mark bezuschußt die Isar-Metropole 1999 die Lesben-Beratung „LeTra“ – ein satter Nachschlag zu ursprünglich geplanten 111.302 Mark.

„Purer Luxus“, maulte Hanna und forderte Fakten, SPD-Sozialreferent Friedrich Graffe verweigerte ihm barsch Details. Die CSU-Frau Gisela Oberloher, die Lesben für „normale Menschen“ hält, wähnte verschleudertes Steuergeld, von Einsparungen getroffene Lobbys mobbten die Lesben, und die Lokalpresse delektierte sich am bisher unbekanntesten Skurrilitäten-Posten im Stadtsäckel. Ungeklärt blieb die Frage, ob „Lesbischsein per se“ sozialen Notstand begründe.

Genau mit dem Argument hatte Graffe „LeTra“ vor vier Jahren abgeschmettert. Der Beratungsbedarf, behauptete er jetzt kühn, sei „um etwa 37 Prozent“ gestiegen: Tatsächlich bedurften 430 Lesben 1998 kurzer bis „wochenlanger“ Aufpäppelung am Telefon oder vor Ort – ergo sponserte das Rathaus jede Lesbe mit etwa 700 Mark: Würde die Stadt jeden Hetero-Münchner bezuschussen, kostete sie das rund eine Milliarde Mark.

„Wir sind eine schützenswerte Minderheit“, kämpft „LeTra“-Chefin Martina Weiland für sich und die „Mitfrauen“. Die Soziologin mit Bubikopf und orangen Socken hilft Lesben beim Coming-out und gegen „Anfeindungen“. In „LeTras“ 50-Quadratmeter-Hinterhof-Büro sitzen noch zwei Lesben hauptamtlich. Sie organisieren vornehmlich Bergtouren, Spieleabende und Gruppen wie die „Lesbischen Lehrerinnen“.

Trotz der Reibereien im Rathaus sahnen die Lesben ab. Dort co-regiert schließlich, bundesweit einmalig, die Rosa Liste, die für das Homo-Zentrum „SUB“ – Herberge für „schwule Spielgruppen“, „schwule Ehemänner“, „schwule Polizisten“ und „die Vereinigung schwuler, bisexueller und lesbischer Juden“ – bereits rund 400.000 Mark im Jahr erstritt.

Peanuts, meint Sozialreferent Graffe, der jährlich 100 Millionen Mark Zuschüsse verteilt. Der Mann hat Recht, auch andere Referate hätscheln ihre Kundschaft und geben generös Steuergeld aus. So unterstützt die mit 4,2 Milliarden Mark verschuldete Stadt ein Ökobildungscenter (FDP: „Akademie fürs Radieschen-Anpflanzen“) mit 648.000 Mark per anno. 103.000 Mark kostete 1998 das Projekt „Zeit, Schlacht, Raum“ („Bierstube für angejahrte Alternative“).

Den „Ruch von Verschwendung“ weist Graffe von sich: 40.000 Mark Zuschuß für den Gaststättenlehrlings-Treff „Piccolo“ habe er gerade gestrichen.

Liberalitas Bavariae

Städtische Spendierhosen: Für die Lesbenberatung und ein Schwulenzentrum berappt die Stadt München insgesamt rund 700.000 Mark.

Sparsameres Hamburg: Dort kassieren Lesben- und Schwulenberatung gemeinsam 360.000 Mark Zuschuß.


Focus 28 (1999); www.focus.de/politik/deutschland/steuergeld-rosa-zeiten-fuer-die-lesben_aid_179486.html.

Überraschung

Jahr: 1999
Bereich: Schwule/Lesben

Referenzen