Materialien 2002
Nazi-Verhüllung: Statt Verurteilung zu 2.000 Euro gestern in 2. Instanz Verfahrenseinstellung
Isabellastr. 6, 80798 München, Tel/AB/Fax 089/2715917.
Münchner Friedensbündnis
Pressemitteilung 5. Dezember 2003. Gut 300 Antifaschisten hatten sich vor einem Jahr knapp 30 Gegnern der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ nicht nur „entgegengestellt“. Sie versuchten gewaltfrei, die anderen mit einem 90 m langen und 1 m hohen, ab Brusthöhe gehaltenen weißen Stoffband zu verhüllen, sie zumindest optisch „aus der Öffentlichkeit herauszunehmen“. Nun stand erneut Günter Wimmer vor Gericht, der das Riesen-Tuch hingeschleppt und für möglichst wirksame Platzierung gesorgt hatte.
Nach einer eingehenden Berufungsverhandlung am 25. November, bei der sich die Zeugenaussagen jedoch als wenig ergiebig herausstellten, vertagte das Gericht, um die Rechtsfragen noch eingehender zu prüfen. Zudem sollte der polizeiliche Einsatzleiter als Zeuge geladen aussagen. Dazu kam es am 4. Dezember erst gar nicht, denn das Verfahren wurde unter der Auflage eingestellt, 400 EUR an Amnesty International zu überweisen. Der Angeklagte und sein Verteidiger Hartmut Wächtler gaben zu Protokoll, dass mit der Annahme dieser Verfahrensbehandlung keinerlei Schuldeingeständnis verbunden ist. Der Vorsitzende Richter erklärte, das Ziel einer nicht verbotenen Versammlung, potentielle Interessenten mit ihren Botschaften zu erreichen, mit einem langen Tuch in Sichthöhe zu verhindern, sei eine „grobe“ Störung des Versammlungsrechts und damit strafbar. Der Angeklagte habe aber keinerlei Ausflüchte versucht, die Aktion sei originell gewesen, es bedürfe keiner Verurteilung.
Beim ersten Berufungstermin war inhaltlich „gerungen“ worden. Auf die Frage des Richters, ob der Angeklagte denn bei einer seiner Veranstaltungen von Gegnern „der Öffentlichkeit entzogen“ werden wolle, hatte dieser geantwortet: „Nein, aber wenn ich für etwas werben würde, was eigentlich verboten ist, und selbst wenn die Polizei nichts dagegen tut, dürfte ich mich nicht wundern, wenn aufrechte Bürger mich mein Unwesen nicht weiter treiben lassen würden. Faschismus ist keine Meinung wie viele andere, sondern ein Verbrechen“. „Heiß“ war die Sache schon von daher, als jene zeitweise verhüllte „Mahnwache“ genau von jenem Martin Wiese angemeldet war, der wegen geplanter Sprengstoffanschläge anlässlich der Grundsteinlegung der Synagoge am Jakobsplatz in Untersuchungshaft sitzt – was zeigt, dass die Warnungen der Nazi-Gegner sehr realistisch waren. Ebenfalls aus genau dieser Gruppe heraus war immerhin schon der Überfall in der Zenettistraße auf einen Griechen erfolgt, der nur überlebte, weil sich zwei Türken ihrerseits unter Lebensgefahr dazwischen warfen. Und wieder diese „Kameradschaft Süd“ hatte am 14. Oktober 2002 hei einer Kundgebung gegen die damalige Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht mit ihrem Haupttransparent gezeigt. dass sie eben nicht nur die in etlichen Einheiten der Wehrmacht verübten Verbrechen leugnen, sondern offen für den Nationalsozialismus werben:
Mit ihrem Fronttransparent und den dort jeweils durchgestrichenen Wörtern „Nationalismus“ und „Sozialismus“ und dem als Erlösung angebotenen Wort „Nationalsozialismus“ zeigten sie sich nicht nur unmissverständlich als Nazis. sondern machten sie verbotene Propaganda.
Dass entgegen § 86 Abs. 4 Strafgesetzbuch und sogar Art. 139 Grundgesetz sowie Art. 184 Bayerische Verfassung die Ordnungsbehörden einschließlich Staatsanwaltschaft dies als „nicht justizrelevant“ erklärt hatten, erzürnte Wimmer besonders. Er erklärte, er bedauere, dass dies alles in diesem Verfahren nicht weiter „ausgefochten“ werden konnte. Er sei aber kein „Prozesshansl“, werde jedoch weiter politisch dafür zu arbeiten versuchen, dass der Schwur der 1945 in Buchenwald befreiten KZ-Häftlinge „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ nicht vergessen wird.
Dr. Wolfgang Fischer
Münchner Lokalberichte 25/26 vom 11. Dezember 2003, 6.