Materialien 2002
Weitere Prozesse gegen die Antifaschisten
In den letzten Monaten fanden vor dem Amtsgericht München einige Verfahren gegen Antifa-
schisten statt im Zusammenhang mit Protestaktionen gegen eine Reihe neofaschistischer Ver-
sammlungen gegen die Wehrmachtsausstellung im Oktober und November 2002. Dabei kam es einerseits zu harten Urteilen gegen Antifaschisten, andererseits auch zu einem relativ großen Echo in Presse und Öffentlichkeit, welches nicht ohne Wirkung blieb.
Am Montag, den 22. September fanden vor dem Amtsgericht München zwei Prozesse gegen Antifa-
schisten statt, denen „Aufruf zu Straftaten“ vorgeworfen wird. In bei den Fällen sollen die Ange-
klagten dazu aufgerufen haben, am 30. November 2002 einen Naziaufmarsch gegen die Wehr-
machtsausstellung zu blockieren (Wir berichteten, WESTEND NACHRICHTEN Nr. 101). Beide Angeklagten wurden zu Geldstrafen verurteilt, was auch in bundesweiten Medien Echo fand und Empörung auslöste.
Die unangenehme Öffentlichkeit für Staatsanwaltschaft und Gericht hatte offensichtliche Auswir-
kungen auf die nächsten Prozesse, die mit vergleichsweise milden Urteilen und Freisprüchen en-
deten. Der Grünen-Stadtrat Sigi Benker wurde zu 150 Euro auf Bewährung verurteilt, weil er in einer Pressekonferenz an die Polizei appelliert hatte, den Weg der Nazis nicht gewaltsam freizu-
räumen. Damit habe er offensichtlich mit einer Blockade gerechnet, so der Amtsrichter. Benker wertete dieses Urteil als einen „Freispruch zweiter Klasse“.
Wegen der Verhüllung einer Nazikundgebung am 16. November 2002 mit einem weißen Tuch standen auch Jan und David vor Gericht. In Jan’s Fall machte Staatsanwalt Hoffmann, wohl auch unter dem Eindruck der inzwischen breit organisierten solidarischen Öffentlichkeit, das Angebot, das Verfahren nach § 153a gegen Zahlung von 200.- € einzustellen. Doch der Angeklagte beharrte auf einem Freispruch. In der Beweisaufnahme stellte sich dann heraus, dass sich der Polizeizeuge nur sehr ungenau daran erinnern konnte, wie lange und unter welchen Umständen Jan das Trans-
parent gehalten hatte. Der Prozess endete mit einem Freispruch und Staatsanwalt Hoffmann fuhr sich nach dem Prozess von Sigi Benker die zweite Niederlage ein.
Auch David konnte nicht nachgewiesen werden, das Transparent bewusst gehalten zu haben. So kam es zu der in linken Prozessen höchst ungewohnten Situation, dass der Staatsanwalt wegen Mangels an Beweisen den Freispruch fordert, dem der Richter dann auch folgte.
Westend Nachrichten. Stadtteilzeitung für das Westend und die Schwanthalerhöh’ 102 vom November 2003, 6.