Materialien 2002

Leserbrief

zum Demonstrationsverbot vom 1. – 3. Februar 2002 in München
Münchner Freiheit und Feldherrnhalle

Am Samstag, den 2. Februar 2002 an der Absperrung zur kundgebungsfreien Zone Marienplatz: Ich frage einen der grünen Pistolenträger, wie ich denn bitteschön jetzt zur Münchner Freiheit käme. Der Brandenburger zückt arglos einen kleinen MVV-Faltplan und erklärt mir bereitwillig, der nächste „freie“ Einstieg zur U-Bahn Richtung Münchner Freiheit befinde sich am Odeonsplatz. Aha, denke ich, es gibt Zeiten, da muss man für den Weg vom Münchner Rathaus zur Münchner Freiheit einen Fußmarsch über die Feldherrnhalle auf sich nehmen.

Auf dem Weg dorthin werfe ich einen Blick durch die verbarrikadierte Maffeistraße. Behelmte Uniformierte, waffenstarrend, mit deutlich sichtbaren Maulkörben unter dem heruntergelassenen Visier, dahinter Wasserwerfer. Also mache ich Gebrauch von der mir noch verbliebenen Münchner Gedankenversammlungsfreiheit:

Drüben am Promenadeplatz hält der Oberbürgermeister wohl gerade Bayerisch Hof mit den Kriegsausrüstern der Welt. In seinem demokratischen Vorleben hatte er sich als Rechtsanwalt betätigt. In seinem jetzt vordemokratischen Leben hat er sich zum Rechtsausleger gemausert. Als Vertreter der Schily-Partei Deutschland.

Gustav Noske hätte gelächelt, Gustav Radbruch geweint über die Provinzprotzerei dieses Möchtegern-Fouché, der 3.500 Pistolenträger aufmarschieren lässt, nur weil irgendein anderer Held der inneren Unsicherheit mit Schlapphut ihm das hässliche Wort „Chaos“ ins Ohr geraunt hat.

In der Woche danach werden Wahlbenachrichtigungen zur Wahl des Oberbürgermeisters am 3. März 2002 verschickt. Und nicht nur im Schlachthofviertel werden wieder einmal die Kälber ihren Metzger selber wählen.

Herzliche Grüße
Axel Kotonski


Haidhauser Nachrichten 3 vom März 2002, 8.