Materialien 2003

Münchner Freiraumtage

Demonstrationsbericht: „Miete ist Diebstahl – Freiräume erkämpfen!“ am 4. Oktober 2003 – Die u.a. wetterbedingt kleine, aber kräftige Demo mit rund 150 Teilnehmerinnen und völlig übertriebenem Polizeiaufgebot startete am Samstag am Kreisverwaltungsreferat und zog dann ins Westend, das derzeit wie kein anderes Stadtviertel in München saniert und „umstrukturiert“ wird. Obwohl der Weg mitten durch die Wiesenmeute führte, hielt sich das Gepöbel in Grenzen. Insgesamt überwogen bei den PassantInnen zustimmende Kommentare und die Verwunderung darüber, warum eine Demo, die sich gegen Wohnungsnot richtet, derart viel Staatsmacht auf den Plan ruft. Zum Schluss hin mussten Cops dann wohl doch noch zeigen, dass die DemoteilnehmerInnen „gefährlich“ seien, indem sie wahllos Leute angriffen. Durch das besonnene Verhalten der Demonstrantlnnen wurde eine Eskalation aber vermieden, es kam zu keinen Verhaftungen.
Robinhaus – FreiRaumInitiative München

PE Rote Hilfe. Von 2. bis 5. Oktober 2003 fanden in München Aktionstagen gegen Wohnungsnot und Freiraummangel statt. Veranstaltet wurde das Programm u.a. von der Münchner Gruppe Robin Haus, die im Dezember mit der symbolischen Besetzung eines leer stehenden Ex-Bahnwohnheims Aufsehen erregte. Im Rahmen mehrerer angemeldeter Aktionen und Veranstaltungen sollte das Thema Wohnungs- und Raumnot vielseitig thematisiert werden.

Diese Tatsache veranlasste die Münchner Polizei zu zahlreichen Repressionsmaßnahmen, die teilweise deutlich über deren Aufgabenbereich hinaus gingen und der Kriminalisierung und Denunzierung der VeranstalterInnen dienen sollten.

Schon vor dem offiziellen Beginn der Aktionstage am Mittwoch hatte eine Aktivistin einen Anruf der Polizeidienstelle 33 (Laim) erhalten, in dem der Dienst habende Beamte um Adressen von OrdnerInnen für die anstehende Demonstration bat. Als dies misslang, verlor er die Beherrschung und sagte der jungen Frau, dass sie noch nicht mal im Traum daran denken solle, eine illegale Handlung durchzuführen, da sie unter Beobachtung stehe und einschlägig als Hausbesetzerin bekannt sei. Die grüne Ordnungsmacht witterte anscheinend den nächsten großen Schlag der „Szene“ und versuchte die VeranstalterInnen der legal angemeldeten Aktionstage einzuschüchtern.

Darüber hinaus wurden (vorgesehene) Kooperationspartnerinnen der Aktionstage kontaktiert und die Veranstalter kriminalisiert und denunziert. So erreichte offenbar ein warnender Anruf die zunächst verhandlungsbereite Baufirma HochTief (Eignerin des ehem. „Kunstgaragen“-Geländes, das für eine Veranstaltung angemietet werden sollte), welche sich daraufhin bei den AktivistInnen meldete und schüchtern anfragen ließ, ob denn eine Hetzkampagne gegen sie geplant wäre.

Auch die Leitung der Akademie der Bildenden Künste erhielt an jenem Tag einen Anruf der Polizei, in dem sie auf die „Geschichte“ der Gruppe sowie die vermeintlich anstehenden kriminellen Aktionen der VeranstalterInnen hingewiesen wurde. Da die Leitung des Hauses, in dem ein Info-Point eingerichtet war und mehrere Workshops, Diskussionen und Volksküchen stattfinden sollten, nichts illegales an den Aktionstagen finden konnte, ließ sie sich von den Verleumdungen nicht beeindrucken, woraufhin der Beamte noch die Beobachtung des Hauses ankündigte. Tatsächlich wurden während der vier Tage immer wieder ZivilbeamtInnen um und auch in der Akademie „enttarnt“ und höflich hinaus gebeten.

Am Samstag wurde die Kriminalisierung von VeranstalterInnen und SympathisantInnen auf der Demonstration „Her mit den Freiräumen“ fortgesetzt. Obwohl wetterbedingt nur etwa 150 Teilnehmerinnen am Kreisverwaltungsreferat zusammen kamen, um gegen Wohnungsnot und für die Schaffung von (öffentlichen) Freiräumen zu demonstrieren, folgte die Polizei mit zwei Hundertschaften des Unterstützungskommandos (USK), Staatsschutz und zahlreichen ZivilbeamtInnen, darüber hinaus wurde der Aufzug von einem voraus fahrendem Polizei-Wagen gefilmt. Während der Abschlusskundgebung am Georg-Freundorfer-Platz musste das USK – wohl aufgrund des friedlichen Verlaufes der Demonstration und um den überdimensionierten Einsatz zu „rechtfertigen“ – noch für eine Eskalation sorgen. Vorwand für den Übergriff mehrerer Polizeikräfte auf zwei DemonstrationsteilnehmerInnen lieferte die Tatsache, dass einige Leute im Regen zur Musik tanzten und dabei auf die ohnehin von Einsatzfahrzeugen zugestellte Strasse traten. Durch das besonnene Auftreten der Demonstrierenden konnten eine weitere Eskalation und Festnahmen verhindert werden.

Am Sonntag war offenbar auch der Polizei klar geworden, dass die Aktionstage keine Schmiede für Gewaltexzesse darstellten, und so versteckten sich die USK-Kräfte in den umliegenden Strassen des Marienplatzes, wo etwa 60 Leute ein Camp-In abhielten. Bei der Anmeldung des Camps musste Anfang der Woche noch erbittert, aber erfolgreich die Verbindung Volksküche-politische Aktion durchgesetzt werden, da die Ordnungsbehörden offenbar wenig davon halten, wenn linke Politik auch noch soziale Angebote bereithält. Der Staatsschutzvertreter vor Ort beließ es denn auch bei fortwährenden Ermahnungen zur Einhaltung der peniblen Auflagen.

Zusammengefasst zeigte das Wochenende einmal mehr, mit welchem Aufwand der Staatsschutz versucht, linke Politik und engagierte Menschen zu kriminalisieren und zu diffamieren. Einmal mehr wurde dabei weit über dem gesetzlichen Rahmen und Kompetenzbereich hinausgegangen, einmal mehr wurde versucht, linke AktivistInnen einzuschüchtern und der Öffentlichkeit eine Gefahr vorzugaukeln, die nie existierte. Und einmal mehr ließen sich die AktivistInnen davon nicht beeindrucken.

Wir fordern die Vernichtung der an diesem Wochenende angefertigten Daten bei den Verfolgungsbehörden. Wir erklären uns solidarisch mit AktivistInnen, die aufgrund ihres politischen Engagements für selbstbestimmte Freiräume von staatlicher Repression betroffen sind, ob in München, Karlsruhe, Frankfurt, Hamburg, Osnabrück oder anderswo!

Kontakt: robinhouse@indynews.net
Rote Hilfe e.V: Ortgruppe München,
Schwanthalerstraße 139. 80339 München.
muenchen@rote-hilfe.de. www.rote-hilfe.de.


Münchner Lokalberichte 21 vom 16. Oktober 2003, 12.