Materialien 2005
Tod, Verklärung und Verrat - Moshammers Ende
Die Moshammer-Festspiel- oder Trauerwochen gehen auch in München ihrem Ende entgegen.
Der tragische Tod von Rudolph Moshammer erschütterte viele Gemüter in München. Nach dem Bekanntwerden seines Todes glich die Münchner Maximilianstraße einer Mischung aus Altötting und Event. Trauerkerzen und Blumengebinde waren massenhaft vor dem Geschäft des exzentri-
schen „Modezaren“ zu sehen. Es gab viele Menschen, die ernsthaft den Tod von „Mosi“ betrauer-
ten, aber auch genügend Schaulustige, die ein letztes mal den Moshammer-Kult genießen wollten. Die Beerdigung Moshammers am 22. Januar, der Trauerzug durch die Maximilianstraße brachte Tausende auf die Straße. Der feudale Abschied von Moshammer, die Zeremonie in der Hofkirche, war ganz im Sinne Moshammers inszeniert. Aber offensichtlich traf der Tod des Selbstdarstellers nicht den Nerv seiner Bekannten aus der Bourgeoisie und der Schickimicki Szene. Für Ottfried Fischer (Der Bulle von Tölz) stand fest: „Die Münchner Schickeria hat Mosi verraten.“ In der Tat, an den Beerdigungsfeierlichkeiten nahm weder eine Fürstin Gloria von Thurn und Taxis noch Franz Beckenbauer oder Thomas Gottschalk teil. Auch die politische Prominenz blieb der Beerdi-
gung fern. Oberbürgermeister Ude schickte seine Stellvertreterin, Altbundespräsident Walter Scheel sagte ab und der CSU Finanzminister Kurt Faltlhauser meldete Bedenken gegen die Feier
in der „Allerheiligen Hofkirche“ an.
Viele, die sich gern mit Moshammer zeigten, versetzten ihm nach seinem Tod eine saftige Ohrfeige. Der Promiauftrieb hielt sich in argen Grenzen. Es erschienen angeschlagene Figuren wie Roberto Blanco, Ex-Löwen-Präsident Karl Heinz Wildmoser, dazu der Sänger Patrick Lindner, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt. Die Promiszene aus Film und Show hatte an diesem Tag ein anderes Highlight, das Hahnenkammrennen in Kitzbühl. Einige von diesem Menschenschlag rieten dem Anwalt Moshammers: „Du kannst doch den Termin verschieben, der Samstag ist wegen Kitzbühl echt ungünstig“. So verhalten sich keine Freunde, sondern egozentrische Stars und Klein-
bürger. Der Typus, den Moshammer mit Klamotten bediente, stellte seine negativen Charaktersei-
ten offen zur Schau. Nur viele einfache Menschen und normale Kleinbürger hielten Moshammer die Treue. Der Kult um Moshammer von der Medienwelt inszeniert, hält sich bei Teilen des gemei-
nen Volkes.
Der Mosi Kult
Der Kult um Rudolph Moshammer erreichte mit seinem Tod einen letzten Höhepunkt. Breit wurde die Lebensgeschichte von Moshammer heruntergeleiert. Er gab den modernen „Märchenprinzen“, der es von unten her schaffte, reich zu werden, und seine Macken auslebte. Zudem wird Mosham-
mer dafür gerühmt, sich ein Herz für die Obdachlosen bewahrt zu haben. In der Tat, Moshammer war nicht intelligent, dafür aber mit einer guten Portion Frechheit und Bauernschlauheit ausge-
stattet. In den letzten Lebensjahrzehnten war Moshammer ein selbstinszeniertes „Neuschwan-
stein“, ein „Modemärchenprinz“. Moshammer warb mit seiner Daisy für viele Produkte, wagte sich auf die Bühne mit dem Song „Mos-hamma“ und er fehlte mit seiner Aufmachung bei keinem Pro-
miauftrieb. Sein Modeladen war allerdings schon länger Mega-Out, er führte die letzen Jahre „bil-
lige Krawatten“ (zwischen 30 und 50 Euro) für das gemeine Volk. Sein Geschäft war ein festes Ziel von Reisegruppen. Der Schnappschuß für das Familienalbum war gefragt. Moshammer imponierte vielen Möchtegerns wegen seiner „Prunksucht“ und der barocken Selbstinszenierung.
Er lebte in der Tat einen ziemlich mutigen Kleinbürger, der sich am Gerede der Leute berauscht und bereichert. Dieser geistlose Mut in einer geistlosen Stadt war imponierend. Moshammer ähnelte in vielem dem neureichen Bürger aus dem vorletzten Jahrhundert. Alte Karikaturen und Bilder porträtieren die junge Bourgeoisie zutreffend mit Frack, Zigarre und fettem Bauch. Tat-
sächlich war der durchschnittliche Kapitalist des neunzehnten Jahrhunderts in Kleidung und Körperfülle sofort erkennbar. Sichtlich nahm sich die junge Bourgeoisie den untergegangenen mondänen Adel zum Vorbild und achtete nicht auf Kalorien. Zwischenzeitlich ist die Bourgeoisie vernünftig geworden, es wird in diesen Kreisen auf Kalorienmengen geachtet und Sport getrieben.
Moshammer spielte nochmals die Rolle des Neureichen aus dem vorletzten Jahrhundert. Es war beeindruckend, wie „Mosi“ sich selbst und die Leute zum Narren hielt. Moshammer schrieb Bü-
cher unter dem Titel „Mama und ich“ mit aussagekräftigen Überschriften wie „Warum Mama blaue Haare trug“ oder ein Buch, indem er die Hundedame Daisy ihre „Bekenntnisse“ niederschreiben ließ. Mit solchen Titeln hatte Moshammer Erfolg, nachdem seine „Garderobenkunst“ zunehmend weniger gefragt war. Sein Auftreten drehte sich um ihn selbst, um seine Neigungen und Bedürfnis-
se. Diese Sucht nach dem „Wahren, Guten und Schönen“ unterschied Moshammer positiv von der Spezis unter den Kleinbürgern, die sich unter diesen Dingen nur kraftstrotzende deutsche Krieger vorstellen können.
Moshammer berauschte sich an der eigenen Person, seinem Haupthaar, seinen Klamotten und seinen Automobilen. Er gab den Clown und machte mit edlen Leuten Geschäfte. Er hatte nicht den Wahn heruntergekommener Adliger, die stets die angeblichen Vorzüge ihres blauen Blutes betonen müssen. Auch litt er nicht an der Krankheit vieler Kleinbürger, die die angeblichen Vorzüge ihrer „Nationalität“ hervorheben. Moshammer wollte nach oben und er hat es aus seiner Sicht glänzend hingekriegt. Ab einer gewissen Stufe schrieben die Gazetten mehr über den Modemacher, als über seine Kunden. In der gelangweilten Stadt München etablierte sich Moshammer fast wie ein realer Monarch. Obwohl jeder wusste, dass Moshammer homosexuell war, hat das die wenigsten gestört. Amtlich darf ein „Vergehen“ in dieser Hinsicht in München nicht sein. In Bayern wird der homo-
sexuelle Bürger toleriert, solange diese „Sauerei“ nicht offiziell ist. Wenn einer CSU-Mitglied ist, sind bestimmte Einträge in das Strafregister eher karrierefördernd. Allerdings hört sich in Bayern die Gemütlichkeit bei offener Homosexualität (auch in Bayern kein Straftatbestand) immer noch auf. Deshalb setzte sich die politische Prominenz in Bayern von dem toten Moshammer ab.
Was bleibt von Moshammer?
Die politische Kaste benützte den Tod von Rudolph Moshammer sofort, um einen Schritt weiter in den absoluten Überwachungsstaat zu gehen. Nicht nur das Nordlicht Angelika Merkel fordert den DNA-Test für alle. Der Mörder Moshammers ist ein irakischer Kurde. Das Magazin Focus trom-
melte umgehend gegen „ausländische Stricher kurdisch arabischer Herkunft“ sowie gegen die „Strichergefahr aus Osteuropa“. Das tragische Ende Moshammers wird in gemeinen Rassismus umgemünzt.
Das hat Rudolph Moshammer nicht verdient; er mag gewesen sein, wer er will, aber ein Rassist war Moshammer nicht. Etwas eleganter versucht die Stadt München sich der Person Moshammer zu entledigen. Ziemlich deutlich wurde der Wunsch nach einer Rudolph-Moshammer-Straße zu-
rückgewiesen. Neben einer formalen Begründung, warum das vorläufig nicht zur Debatte steht, wurde offen die Frage gestellt: „Was Moshammer denn für München geleistet hat?“
Diese Frage ist berechtigt, aber der Fragesteller aus Politik und staatstreuem Bildungsbürgertum hat kein Recht eine solche Frage aufzuwerfen. Der Hobbykabarettist Ude wälzt die kommunale Finanznot z.B. über neue saftige Preiserhöhungen im öffentlichen Verkehrssystem nach unten ab. Seine kabarettistischen Leistungen sind ebenfalls unter aller Kanone. Seine Partei, die SPD, führt gegenwärtig den krassesten Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik durch. Dabei ver-
sucht die Union im Wettlauf der Neoliberalen natürlich in Sachen sozialer Grausamkeit die Regie-
rung zu übertreffen. Wenn solche Leute von Kultur sprechen, wird es geradezu peinlich. Das Sy-
stem ist sozialdarwinistisch und kulturlos.
Moshammer war ein bunter individualistischer Teil des Systems ohne Entscheidungskompetenz. Er war auf seine Art ein begnadeter Selbstdarsteller, der gewollt oder ungewollt dem System durch die Rolle, die er in ihm spielen durfte, den „kulturellen“ Spiegel vorhielt. Die Tatsache, dass Mos-
hammer, wie die Boulevardpresse nicht müde wird zu betonen, ein Herz für die Obdachlosen hatte, sollte zum Nachdenken Anlass geben. Was ist das überhaupt für eine Gesellschaft, die Obdachlo-
sigkeit hinnimmt und einen Rudolph Moshammer dafür lobt, weil er an Obdachlose spendete?
Max Brym
1. Februar 2005