Materialien 2006

Grußwort zum Ostermarsch am 15. April 2006

ver.di Bezirk München

Liebe Freundinnen und Freunde,
Kolleginnen und Kollegen,

„Du bist Deutschland“ knallte es Anfang des Jahres von Plakatwänden und in aufwändigen Werbespots aus allen Fernsehkanälen. Mit einer Grundausstattung von 30 Millionen Euro forderte uns ein Konsortium, zu dem vor allem die großen Pressekonzerne und Medienunternehmen gehören, auf, uns doch endlich mal am nationalen Riemen zu reißen.

Inzwischen läuft – hauptsächlich getragen von der Bundesregierung und vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) – quasi als Folgekampagne „Deutschland – Land der Ideen“, mit dem Ziel, ich zitiere: „Zur Fußball-Weltmeisterschaft im In- und Ausland ein Bild von Deutschland als innovatives, weltoffenes und begeisterungsfähiges Land zu vermitteln.“

In diesem „innovativen“ Land der Ideen wurden und werden Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet, Erwerbslose wurden und werden mehr und mehr aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt, jungen Menschen wird die Zukunftsperspektive verbaut, alten Menschen ihre Existenzsicherung genommen.

„Weltoffen“ allerdings zeigt man sich, wenn es um Auslandseinsätze der Bundeswehr geht oder um Betriebsverlagerungen in Niedriglohnländer. Für Menschen ausländischer Herkunft im Inneren dieses „begeisterungsfähigen“ Landes ist jedoch schnell Schluss mit der Weltoffenheit, wenn es sich nicht gerade um finanzkräftige Investoren handelt.

Liebe Freundinnen und Freunde, ich brauche nicht die vielen richtigen Sachen, die heute schon gesagt wurden, noch einmal zu wiederholen. Wir, die wir hier zu diesem Ostermarsch zusammengekommen sind, wissen alle, dass Sozialabbau und soziale Deklassierung schon immer zusammengingen mit expansionistischen Projekten und nationalem Getöne. Und gerade wir in den Gewerkschaften – ich sage das hier als Vertreter von ver.di – sollten uns immer wieder daran erinnern, was für verhängnisvolle Folgen das für die arbeitenden Menschen in diesem Land gehabt hat.

Nicht nur Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sollten deshalb noch stärker als bisher ihr Augenmerk auf solche Zusammenhänge richten. Auch auf die Bestrebungen, die Bundeswehreinsätze im Inneren unseres Landes voranzutreiben, angeblich zum Schutz der inneren Sicherheit bei Events wie der Fußball-WM. Sehr schnell kann es nämlich dazu kommen, dass der Begriff der inneren Sicherheit ausgeweitet wird: auf Streiks und auf andere politische und soziale Auseinandersetzungen. Davon, dass solche Auseinandersetzungen zunehmen werden, bin ich überzeugt.

Wir bemerken das derzeit ja hier schon – auch in München – ganz deutlich. Wann hat es das in den letzten Jahrzehnten je gegeben: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst sehen sich gezwungen, über Monate hinweg ihre Arbeit niederzulegen, weil die Arbeitgeber – hier konkret die Bayerische Staatsregierung mit den Herren Stoiber und Faltlhauser an der Spitze – nicht gewillt sind, einen Millimeter von ihren Arbeitszeitverlängerungs- und Arbeitsplatzvernichtungs-Vorhaben abzurücken.

Wenn wir uns darüber einig sind, dass der Kampf für Frieden und der Kampf um soziale Gerechtigkeit, hier bei uns und weltweit, untrennbar zusammengehören, dann gilt das auch vor Ort. Deshalb unsere Anerkennung und unser Dank von diesem Ostermarsch aus an all die Kolleginnen und Kollegen, die im Lauf der letzten Monate für ihrer sozialen Rechte, für ihre Arbeitszeit-, Lohn-, und Gehaltsforderungen vor die Betriebe und Dienststellen und auf die Straße gegangen sind.

Den Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst – hier in München besonders den unermüdlich Streikenden an den Staatstheatern und im Klinikum Rechts der Isar – den Kolleginnen und Kollegen aus der Druckindustrie, dem Groß- und Einzelhandel, der Metallbranche und all den anderen Wirtschaftsbereichen.

Ihr Engagement ist auch unser Engagement, ihre Streiks sind Bestandteil unseres gemeinsamen Einsatzes für eine friedliche und sozial gerechte Welt, gegen einen wild gewordenen Kapitalismus und gegen die neoliberalen Angriffe auf Menschen- und Freiheitsrechte.

Schön wäre es natürlich, wenn solche Gemeinsamkeiten auch in unserem Land noch deutlicher sichtbarer würden. Bei großen Demonstrationen und Aktionen, an denen alle miteinander diese Zusammenhänge öffentlich machen. Dann ließe sich sicherlich auch manches noch besser bewegen.

Hier könnten wir – nicht nur die Gewerkschaften, wir alle – bestimmt noch einiges von unserem Nachbarland Frankreich lernen. Aber ich bin zuversichtlich: Was noch nicht ist, kann ja noch werden.

Fangen wir doch einfach konkret damit an: Im Rahmen der Tarifauseinandersetzung im Öffentlichen Dienst läuft zurzeit eine Aktion, an der sich jede und jeder beteiligen kann. Sie richtet sich die Sozialabbau-Politik und heißt: „Wir opfern Stoiber unser ‚letztes Hemd’.“

Bestimmt habt ihr alle noch Hemden im Schrank, mit der ihr zu dieser Aktion beitragen könnt. Sie können abgegeben werden beim ver.di-Infozelt, das seit Wochen im Rahmen einer Mahnwache gegenüber von der Staatskanzlei steht. Die Mahnwache geht rund um die Uhr – 24 Stunden lang; Zeit genug also, dort vorbeizuschauen und ein Hemd mitzubringen. Das sollte allerdings vor dem 20. April geschehen – dann werden die „letzten Hemden“ ab 11 Uhr in öffentlichkeitswirksamem Rahmen den Herren in der Staatskanzlei präsentiert.

In diesem Sinne: Uns allen weiterhin viel Erfolg!

Ernst Antoni, stellvertretender Vorsitzender ver.di Bezirk München


www.friedenskooperative.de.