Flusslandschaft 1966

Kunst/Kultur

BILDENDE KÜNSTE

Richard Hiepe gründet einen Grafikkreis, in dem jede Frau und jeder Mann ab Januar 1966 handsignierte Grafiken für wenige Mark erwerben kann.1

„In einem Rechtsstreit der Witwe des Malers Kandinsky, Frau Nina Kandinsky (Paris), gegen den Verleger Lothar-Günther Buchheim (Feldafing, Obb.) hatte das Landgericht München II in einem Urteil vom 23. Januar 1963 entschieden, dass das von Buchheim verfasste Werk »Der Blaue Reiter und die Neue Künstlervereinigung«, erschienen in Feldafing 1959, nicht verbreitet werden dürfe. Die Druckstöcke nach Werken von Wassily Kandinsky seien zu vernichten. Die Abbildungen waren ohne Genehmigung der Witwe des Malers erschienen. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch das Buch bereits vergriffen. Die Druckstöcke befanden sich nicht mehr im Besitz des Verlages, so dass das Urteil praktisch illusorisch war. Verleger Buchheim legte dennoch im März 1965 Berufung gegen das Urteil beim Oberlandesgericht München ein. Jetzt hat dieses Gericht der Berufung des Beklag-
ten stattgegeben und das Urteil des Landgerichts München II vom 23. Januar 1963 aufgehoben. Von weittragender Bedeutung ist die Begründung, die der VI. Senat des Münchner Oberlandesge-
richtes zum Recht der Abbildung von Werken der Bildenden Kunst gegeben hat, soweit sie noch dem Urheberschutz unterliegen (Aktenzeichen 6 U 879/63). Das Berufungsgericht hat nämlich eine ganz neue Auslegung des Begriffes »einzelne Werke, die der Erläuterung des Inhalts dienen« vorgenommen. Sie steht im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung. Bisher wurde die Meinung vertreten, dass es sich nur um einige wenige Abbildungen handeln dürfe. Das Münchner Oberlan-
desgericht vertritt dagegen die Auffassung, dass die Zahl der Abbildungen gegen das Gesamtwerk des in Frage kommenden Künstlers abgewogen werden müsse. Im vorliegenden Streitfall hatte Buchheim 69 Abbildungen von Werken Kandinskys wiedergegeben. Diese 69 Bildwiedergaben sind also in Beziehung zu setzen zu den mehr als tausend Werken des Malers Kandinsky. Infolge-
dessen vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, dass die genannte Zahl von Abbildungen nicht das Maß dessen überschreitet, was in einem wissenschaftlichen Buch zur Erläuterung des Textes auch ohne Genehmigung des Urheberberechtigten zulässig ist.“2

Im Herbst 1965 lud Guido Zingerl Kolleginnen und Kollegen ein, Grafiken und Plastiken für eine Ausstellung bereitzustellen, die gegen den Vietnamkrieg Stellung nehmen. Viele beteiligen sich, Ende März 1966 wird die Ausstellung in der Neuen Münchner Galerie eröffnet.3

FILM

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Die vier Brüder Schamoni, vorne Peter und Ulrich, in Kristls „Der Brief“

Seit 1963 lebt der in Zagreb geborene Vlado Kristl in München. Sein Film „Der Brief“, der 1966 er-
scheint, schildert, wie T. (Kristl) einen Brief findet und auf vielen Umwegen zum Empfänger bringt. Der Brief enthält das eigene Todesurteil. T. wird hingerichtet. Die Kamera ist ständig in Bewegung, taumelt, Menschengruppen robben, greifen an, fliehen, winken, fluchen, zerstören … Der Verantwortliche dieser web-Seite sieht den Film in einem Schwabinger Kino. Ihn fasziniert die Unruhe im Publikum. Mehrmals protestieren laute Männerstimmen. Schon nach zehn Minuten erheben sich die ersten, um das Kino zu verlassen. Die ständige Bewegung auf der Leinwand findet ihre Entsprechung im Saal. Von den ursprünglich sechzig Besuchern sind zum Schluss etwa zehn übrig, die sich an diese Erfahrung noch lange erinnern.

Die Vorbereitung des ersten bundesdeutschen Filmförderungsgesetzes durch den Deutschen Bun-
destag zeigte, dass die neue Generation von Regisseuren und Produzenten zwar gehört wurden, aber als Institution nicht anerkannt waren und auch wirtschaftlich keinen Vertretungsanspruch hatten. Das führt am 24. Oktober 1966 zur Gründung eines zweiten Produzentenverbandes, der „Arbeitsgemeinschaft neuer deutscher Spielfilmproduzenten e.V.“ in München. Die zehn Grün-
dungsmitglieder sind Horst Manfred Adloff, Boris Borresholm, Roger Fritz, Peter Genée, Rob Houwer, Walter Krüttner, Hans-Jürgen Pohland, Christian Rischert, Peter Schamoni und Haro Senft. Sechs davon waren Mitunterzeichner des „Oberhausener Manifests“. Es beginnt die Blüte-
zeit des deutschen „Autorenfilms“. Seit den 70er Jahren wirkt die „Arbeitsgemeinschaft“ der füh-
rende Produzentenverband mit über fünfzig Mitgliedern.

MUSIK

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Einige — nein, es ist die Mehrheit — sind aufgewühlt, verunsichert, verärgert, fühlen sich bedroht: Die spleenigen Briten waren uns schon immer suspekt. Sie haben kein Problem damit, ihre eigenen Kinder ins Unglück laufen zu lassen. Das liegt vermutlich am Themse-Nebel, der ihr Gehirn durch-wabert. Unsere Kinder müssen wir schützen. Aber wie!? Und dann kommt der nächste Schlag:

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Am 10. November singen Degenhardt, Moßmann, Süverkrüpp und andere im Zirkus Krone an der Marsstraße 43.

KABARETT

Als eines der schärfsten politischen Kabaretts gilt das Rationaltheater in der Hohenzollernstraße 74 in Schwabing.6 Siehe auch „Zensur“.

(zuletzt geändert am 2.6.2021)


1 Vgl. tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 36 1965/66, 310.

2 Die Kunst und das schöne Heim 8 vom Mai 1966, München, 22.

3 Vgl. tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 40 vom September/Oktober 1966, 151 ff.

4 Westermanns Monatshefte 10 vom Oktober 1966, 14.

5 Altbayerische Heimatpost 23 vom 10. Juli 1966, 17.

6 APO-Archiv, Berlin

7 Siehe „Hilfe! – Opposition!“ von August Kühn.

Überraschung

Jahr: 1966
Bereich: Kunst/Kultur

Materialien

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