Materialien 2009

Hintergrund des Kampfes für ein Georg-Elser-Denkmal in München

München, 4. April 2009

Georg-Elser-Initiative München
Dr. Hella Schlumberger
Türkenstraße 61 Rgb.
80799 München
Tel: 089 – 272 32 17
Fax: 1893 4840

1997, nach dreieinhalbjährigem mittelschweren Einsatz war es uns gelungen, den kleinen Platz an der Türkenstraße, an dem er auf seinem Weg zum Bürgerbräukeller abends und morgens vorbei-
gekommen war, nach Georg Elser zu benennen. Die Stadt versprach, ihn, sobald Geld da wäre, mit einem Denkmal zu bestücken.

Die Jahre gingen ins Land, die Kulturreferenten kamen, gaben ihr Wort (wie Nida-Rümelin) und gingen wieder. Nichts passierte, obwohl wir nicht aufhörten zu erinnern.

Das Baureferat hatte sich sogar eine Ausrede einfallen lassen: solange die hundertjährige Kastanie (für deren Erhalt Helga Asenbaum und viele Türkenstraßler sich eingesetzt hatten) noch vor der Türkenschule stünde, könne – leiderleider – nichts geschehen. Das sei ein Junktim.

Inzwischen hatten wir den Georg-Elser-Preis als Wanderpreis, dotiert mit, damals 10.000 Mark, heute 5.000 Euro ins Leben gerufen: er wurde mit Unterstützung der Stiftung „Erinnerung“ 2001 zum ersten Mal im Münchner Rathaus verliehen und zwar an den evangelischen Pfarrer Quandt wegen seines Engagements für das Kirchenasyl. (Kreuzkirche)

Um ihn herum hat sich in den letzten Jahren die Berliner Elser-Initiative gebildet. Das war der Sinn des Preises: dass sich schneeballartig neue Initiativen bilden und neue Gesellschaftsschichten von der Elser-Begeisterung erfasst werden und bereit sind, etwas zu tun.

Nach Platz und Preis fassten wir eine Plastik ins Auge: am Georg-Elser-Platz sollte eine lebensgro-
ße Statue an Georg Elser erinnern: „Elser auf dem Weg“. Wir begannen zu sammeln, was sich zu einem zähen Geschäft entwickelte.

Als wir 5.000 Euro zusammen hatten und fünf Künstler bereits (umsonst) Zeichnungen und Ent-
würfe gemacht hatten, baten wir Sigi Benker, den Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Münchner Rathaus , einen Antrag zu stellen: München möge zum 70.Jahrestag ein Elser-Denkmal in Auftrag geben.

Die Stadt stimmte zu, wir überwiesen unsere Anschubfinanzierung an die Stadtkasse, die Stadt legte 30.000 drauf, eine Jury wurde gebildet, der ich auch angehörte und die Bürokratie nahm ihren Lauf. Und zwar dergestalt, dass keiner unserer fünf Künstler auch nur in die engere Wahl kam, man wolle doch zeitgenössische Kunst, ließ die Mehrheit der Juryteilnehmer wissen und schlug ihre Künstler vor. Nach drei Monaten konnten die Entwürfe bestaunt werden:

 ein nackter Mann, der sich eine Mohnpflanze aus den Gedärmen reißt (der Mohn sollte für die Verführbarkeit durch Hitler stehen, nur war Elser eben nie dieser Verführung anheimgefallen)

 eine Werkstatt, die unter der Kastanie (unserer geretteten! Mit der pfleglich umgegangen werden muss) stehen sollte, aus der tagsüber Arbeitsgeräusche klingen sollten und die nachts erleuchtet würde (auf der anderen Straßenseite gibt es tatsächlich noch die Werkstatt, in der Elser bei Schreiner Brög gearbeitet hatte, deshalb wäre die nachgebaute sowieso obsolet gewesen)

 eine Straßenlaterne aus den 30-er Jahren mit moderner Digitaluhr, aus der einmal im Jahr 13 Minuten lang, also die Zeit, die Hitler zu früh gegangen war, Fliegeralarm ertönen sollte (was Leute, die Bombardierungen erlebt hatten, erschrecken und Jungen nichts sagen würde)

 ein Stein aus dem Steinbruch in Königsbronn, in dem Elser gearbeitet und das Dynamit organi-
siert hatte (meine Idee), der über einer großen Bank hängen und Elsers Kopf ähnlich sehen sollte. Der Betrachter hätte sich auf die Bank setzen und was hören können (wenn er das Ohr an den Steinkopf hielt)? Ein noch zu schreibendes Hörstück von Elfriede Jelinek.

 und: eine aus roten Neonröhren gebildete Schrift: 8 November 1939, die an der Westfassade der Türkenschule angebracht und eine Minute am Tag aufleuchten sollte (um 21.20, der Zeit der Ex-
plosion im Bürgerbräukeller). Weil aber kaum einer den Zusammenhang sähe, müsste ein Extra-
schild an der Schule angebracht werden.

Dieser Entwurf von Silke Wagner bekam den Zuschlag. (Am 27. 0ktober soll das Neonteil, das eher an Discoreklame oder an einen Partygag erinnert, feierlich eingeweiht werden.)

Ich hatte nicht zugestimmt, ein CSU-Stadtrat ebensowenig.

Mehrmals wurde die endgültige Abstimmung im Stadtrat verschoben. Ob Ude sprach von Bauch-
grimmen, das er bei der Abstimmung habe, weil ihm die „Akzeptanz vor Ort“ nicht gegeben schien.

Sie ist immer noch nicht da, wir haben Unterschriften gesammelt, alle Lehrerinnen und die Direk-
torin sind dagegen, die Anwohner ebenfalls. Außerdem finde er (Ude) die Definition der Künstlerin doch nicht ganz nachvollziehbar, dass Elsers Tat „durch Unsichtbarkeit nur umso sichtbarer wür-
de“ (was immer das heißen mochte). Eine Woche vor der endgültigen Stadtratsabstimmung (an der Ude nicht teilnahm, weil er in Rom anzapfen musste) hatte ich endlich die Zusage des öster-
reichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka bekommen: dass er bereit wäre, mit Ben Siegel zusammen ein   Elser-Denkmal für München (und vielleicht auch für Berlin, das wäre sowieso das Höchste: dass 70 Jahre nach Elsers Attentat ein großer Künstler zwei Denkmäler schafft, die sich aufeinan-
der bezögen. In München Elser als den Mann der Tat, in Berlin als Opfer der Nazis, die ihn gleich-
wohl nicht brechen konnten) zu gestalten.

Ich benachrichtigte alle Stadtratsfraktionen: dass eine neue Situation neue Entscheidungen brauche. Und dass München – es war gerade Geld übrig für „Kunst am Bau“, weil das „Denkmal für Demokratie“ doch nicht den Mehrheitskonsens gefunden hatte, es handelte sich um 600 – 700.000 Euro – sich mit einem Hrdlicka schmücken könne.

Das war dem neuen Kulturreferenten Küppers (aus Bochum) gar nicht recht. Er verfiel in Ent-
zücken, wenn er von dem Neonteil sprach und mit ihm SPD und Grüne. Nur die CSU war in diesem Fall auf unserer Seite.

Bei der entscheidenden Abstimmungssitzung brachte es der Kulturausschuss doch fertig, den Namen Hrdlicka nicht einmal zu erwähnen: das Neonteil wurde durchgewunken.

Wir waren platt. Aber nicht lange. Wir forderten unsere Spendengelder (die 5.000 Euro) zurück: Dafür wurde nicht gesammelt, dafür wurde nicht gespendet. Die Stadt stellte sich taub. Erst nach Einsatz eines Rechtsanwalts wurde angeboten, die Hälfte der Spendengelder zurückzuzahlen, in-
zwischen ist sie sogar bereit, die 5.000 Euro „in Gänze“ zurück zu überweisen.

Wir überlegen uns, ob wir damit von Hrdlicka vielleicht eine Gedenkplatte erstehen könnten.

Aber noch immer träumen wir von einer lebensgroßen Elser-Plastik, die angefasst und zu der ge-
sagt werden kann: „Wir sind stolz auf Dich, Schorsch“, wir träumen davon, Elser dem Volk zurück-
zugeben, aus dem er stammt.

Und uns nicht abspeisen lassen von einer eine Minute am Tag aufleuchtenden konsequenten Halb-
herzigkeit. Seit 9/11 lässt sich schließlich jedes Thema schön unverbindlich mit seinem Datum ab-
haken.

Als wir mit Hrdlickas Galerie sprachen, fiel eine Summe von ungefähr 135.000 für ein Elser-Denk-
mal.

Vielleicht findet sich ja ein großherziger Spender.


Hella Schlumberger am 27. Januar 2011

Überraschung

Jahr: 2009
Bereich: Gedenken

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