Materialien 2009
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister
Dr. Rolf Eckart
Rümannstraße 19
80804 München
Tel. 089 – 302899
28. 0ktober 2009
Herrn
Oberbürgermeister Christian Ude
Landeshauptstadt München
80331 München
Offener Brief zur Ilan-Pappe-Veranstaltung (SZ 24./25., 27. und 28. 0ktober 2009)
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
in der Entscheidung des Schulreferats, die Raumzusage kurzfristig und mit fadenscheinigen Grün-
den zu widerrufen, sehe ich einen Anschlag auf die Freiheit der Wissenschaft und auf die von Ihnen stets gerühmte Toleranz und Weltoffenheit Münchens:
a) Die Kurzfristigkeit dieser Aussperrung hätte zum Scheitern der Veranstaltung führen können, was das Schulreferat, will man dies nicht als Zweck der Absage unterstellen, mindestens billigend in Kauf genommen hat.
b) Die vom Schulreferat angeführten „Sicherheitsbedenken“ wegen befürchteter „Proteste“ hätten sich aus „verschiedenen Quellen gespeist“. Das klingt sehr verantwortungsvoll. Aber warum wurde dann nicht die Polizei eingeschaltet und Personenschutz empfohlen? Jedenfalls reicht diese Aus-
kunft weder demokratisch noch rechtsstaatlich zur Legitimation dieses Willküraktes aus. Außer-
dem ist diese Geheimnistuerei geeignet, Spekulationen hervorzurufen. Man fängt an zu rätseln: sollten etwa Antisemiten gegen den jüdischen Historiker protestieren? Oder vielleicht jüdische Mitbürger, die jede kritische Auseinandersetzung mit der Politik Israels für antisemitisch halten?
c) Die Deutsch-Israelische Gesellschaft hat mit ihrem Schreiben an Sie und an Stadträte, wie das Ergebnis zeigt, zwar Erfolg gehabt, ihrem Satzungszweck aber, die Beziehungen zwischen Deutsch-
land und Israel zu vertiefen, einen Bärendienst erwiesen. Diese dummdreiste Intervention stellt das Demokratieverständnis des Vereins in Frage. Man darf gespannt sein, ob, wie und mit welchen Folgen die Mitglieder diese Geschichte diskutieren.
d) Da Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, zu den Adressaten jenes anmaßenden Schreibens zählen, würde man gern erfahren, wie Sie darauf reagiert haben, zumal Sie vielleicht privat oder von Amts wegen selbst Mitglied dieser Organisation sind. Da auch die Israelitische Kultusgemein-
de der Deutsch-Israelischen Gesellschaft angehören dürfte, stellt sich weiter die Frage, ob und auf welchem Weg die Entscheidung des Schulreferats durch die Israelitische Kultusgemeinde beein-
flusst worden ist.
Im Interesse der Erhaltung einer urbanen Diskussionskultur bitte ich Sie, sehr geehrter Herr Ober-
bürgermeister, die Öffentlichkeit über die Hintergründe und die Einflussfaktoren dieser für die Stadt so blamablen Affäre aufzuklären. Darüber hinaus wünschte ich mir, dass die Stadt derartige Veranstaltungen in ihren Räumen nicht nur duldet, sondern ausdrücklich fördert. Es geht dabei ja um nichts Geringeres als um Menschenrechte und Frieden im Nahen Osten.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Dr. Rolf Eckart
Manuskript, Sammlung Richy Meyer