Materialien 2009

500 gegen die „Hasselbande“

Rund 150 Neonazis demonstrierten am Samstag für die Freiheit der Nazipropaganda. Doppelt so viele Antifaschist_innen machten vorher deutlich, dass „nichts und niemand vergessen“ ist. Die Polizei nahm 16 Nazigegner_innen fest.

Antifaschismus scheint weiten Teilen der bürgerlichen Linken nicht mehr wichtig zu sein. Zu diesem Schluss muss mensch erneut kommen, wenn er/sie am Samstagvormittag zur antifaschi-
stischen Demonstration an der Schwanthalerhöhe kam. Wieder einmal war es den am „Münchner Bündnis gegen Naziaufmärsche“ beteiligten gemäßigten Gruppierungen wie Gewerkschaften und Friedensgruppen nicht gelungen, ihr „Lager“ gegen den von Neonazi Phillip Hasselbach organisier-
ten Aufmarsch zu mobilisieren. Nur einzelne Verteter_innen zeigten sich. Wieder waren es also vor allem Leute aus der radikalen Linken, die an diesem Tag Präsenz zeigten.

Erstmals wurde allerdings die Demonstration auf Initiative des „Antisexistischen Aktionsbünd-
nisses München“ (asab_m) von zwei Duzend Frauen angeführt. Unter dem Motto „Reclaim the Antifa“ hatte das Bündnis gegen die meist hohe Männer- (und Männlichkeits-) Dominanz Frauen zur aktiven Teilnahme aufgefordert.

Die Demonstration zog gegen halb eins durch die Mittagshitze in die Innenstadt. Die antisexisti-
sche Ausrichtung wurde schnell auch außenstehenden deutlich, als Parolen wie „Gegen Macker und Sexisten – Fight the Power, Fight the System“ hörbar wurden.

Eine Zeitlang verlief die Antifademonstration recht gemütlich, wenngleich Spalier und die als Absperrung geparkten Polizeibusse deutlich machten, dass die Polizei einen Durchbruch wie zuletzt am 8. Mai verhindern wollte. Erst nachdem die Demonstration an der Goethestraße vorzeitig beendet wurde, kam es zu Übergriffen der Polizei, als Leute versuchten, zur Neonazi-
demonstration zu gelangen. Indymedia berichtet dazu:

„Die Meisten bewegten sich Richtung Goetheplatz, wo ca. 150 weitere Antifaschist_innen die Neonazikundgebung bereits lautstark störten. Für diejenigen Antifaschist_innen, die nicht ortskundig waren, war es nahezu unmöglich auf die Lindwurmstraße, die erste Etappe des Neonazimarsches, zu gelangen. Blockadeversuche von einigen wenigen wurden unmittelbar
und mit äußerster Aggression ‘weggeboxt’.

Am Sendlinger Tor angekommen, war es für den größten Teil der Antifaschist_innen sehr schwierig, überhaupt an die Gitter heranzukommen. Trotzdem gelang es einer Gruppe von
ca. 15 Leuten, die Polizei zu überwinden und eine Sitzblockade zu initiieren. Diese hatte ein paar Minuten Bestand, bevor sie brutal geräumt wurde. Viele andere Gegendemonstrant_innen standen hinter den Absperrgittern, und schrieen die Nazis an.

Das USK wurde an dieser Stelle sehr übergriffig. Neben den gewöhnlichen Auseinandersetzungen kam es u.a. es zu einem sexualisierten Übergriff. Ein USKler packte eine Demonstrantin an der rechten Brust und riss sie mit diesem Griff zur Seite. Er versuchte nicht, seinen Griff zu korrigie-
ren, um sie beispielsweise am Arm zu packen. Diese Form von Gewalt, in einer derart bedroh-
lichen Situation bedeutet eine Maximierung der Einschüchterung. Auch wenn es bereits im letzten Herbst zum 1000 Kreuze Marsch fundamentalistischer Abtreibungsgegner_innen schon zu Über-
griffen kam, die den Spruch ‘Deutsche Polizisten – Macker und Sexisten’ rechtfertigen, ist uns diese Dimension sexualisierter Gewalt seitens der Polizei in München noch nicht begegnet.

Entlang der gesamten Route wurden die Nazis von Gegendemonstrant_innen lautstark gestört. Am Stiglmaierplatz gelangten einige Antifaschist_innen in die nächste Nähe der Neonazidemon-
stration, wo sie von Mitgliedern der Anti-Antifa Nürnberg abgefilmt und fotografiert wurden. Aus Selbstschutz hielten sich einige Antifas Tücher vor das Gesicht, später wurden sie von Zivil-
polizisten unter dem Vorwurf der Vermummung festgenommen.“

Wie schon bei den letzten Malen also drängte die Polizei die Antifaschist_innen auseinander und von der in Sperrgittern laufenden Neonazidemonstration weg. Neu war lediglich die Flexibilität der Straßensperren. War es früher bei derlei Anlässen noch üblich, die halbe Innenstadt stundenlang abzuriegeln, so wurde nun schon kurz nach dem Vorbeiziehen der Rechtsextremen der Verkehr wieder freigegeben.

Die rund 500 Gegendemonstrant_innen hatten keine Möglichkeit, effektiv gegen den Aufmarsch der „Hasselbande“ vorzugehen. Gegen 17:30 beendeten die Neonazis ihre Demonstration am Hauptbahnhof. Zu beklagen gibt es 16 vorübergehende Festnahmen und einige Verletzte.

Am späten Abend – das sei der Vollständigkeit halber erwähnt – zogen noch ein gutes Dutzend Antifaschist_innen laut und mit Fahnen durchs Gärtnerplatzviertel, um gegen die Polizeirepres-
sion zu protestieren.


www.luzi-m.org, 22.5.09.