Materialien 2010

Kunstverbot oder Freiheit der Kunst?

Verhüllung der Siegesgöttin/v. „Friedensengel“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Ihr Schreiben macht deutlich, dass es bei dem städtischen Verbot der Kunstaktion während der Münchner Kriegskonferenzen in Wahrheit um eine politische Entscheidung geht, die lediglich hinter allerlei verwaltungsrechtlichen Vorwänden verborgen wird, weil Sie sich scheuen, diese politischen Gründe offen zu benennen, während die Bundeswehr in Afghanistan an einem sinnlosen und mörderischen Krieg beteiligt ist, bei dem viele unbeteiligte Menschen getötet werden und weder Sieg noch Frieden in Aussicht stehen.

Die Teilnehmer der Kriegskonferenz inmitten der Stadt und die Bewohner dieser Stadt, die sicher mehrheitlich gegen solche militärischen Maßnahmen und Konferenzen sind, sollen von allen Irritationen und auch von einer ganz unschädlichen Kunstaktion verschont werden.

Die Kunstaktion „Verhüllung von Siegesgöttin/,Friedensengel’“ wurde im Laufe eines Jahres von verschiedenen städtischen Institutionen mit verschiedenen Vorwänden verboten:

 Da wurde der Friedensengel zu „privatem Eigentum der Stadt“ erklärt.

 Das Baureferat vermutete eine „Verdoppelung der Windangriffsfläche“ und die Gefahr des Absturzes – natürlich ohne irgend eine exakte Berechnung -, gab mir dann auf, eine Berechnung eines Statikers nach DIN 1055 „Wind“ vorzulegen, zog dies dann zurück und gab die Angelegenheit wegen ihrer Wichtigkeit an den Ältestenrat, der in geheimer Sitzung feststellte, dass „die Stadt“ die Verhüllung nicht wolle.

Bemerkenswert dazu ist, dass die großmächtige Verhüllung des Friedensengels im Zweiten Weltkrieg offenbar über 6 Monate von Winden verschont wurde, aber im Frieden der Wind in München wohl besonders stark zu sein scheint …

Grundsätzlich bitte ich Sie zu bedenken, dass sowohl in der Bayerischen Verfassung als auch im Grundgesetz die Freiheit der Kunst garantiert ist – und dieses Grundrecht nicht als eine „laufende Angelegenheit i.S. von Art. 37 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO“ zur Disposition steht.

Und ich bitte Sie sehr, sich für die Wahrung dieses Grundrechtes … einzusetzen – selbst wenn Ihnen aus anderen politischen Gründen die Ansicht eines Kunstwerkes nicht behagt.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfram P. Kastner
30. November 2009


Proteste gegen die NATO-Kriegstagung am 5. und 6. Februar 2010 in München , Flugzeitung, 4, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.

Überraschung

Jahr: 2010
Bereich: Kunst/Kultur

Referenzen