Materialien 2010

Stattpark

Seit einer Woche ist ein Teil des Schwere-Reiter-Geländes am Leonrodtplatz besetzt – der Ausgang ist offen

Die Abschlussrunde des Rodeo-Theaterfestivals am vergangenen Samstag endete – so die Abendzeitung mit einem „angekündigten Paukenschlag“. Angelika Fink vom Pathos Transport Theater hätte die Besetzung eines Teils des Geländes an der Dachauerstraße „denkbar ungeschickt und kontraproduktiv“ angekündigt, ohne erklären zu können, wofür die Szene das „Kreativquartier“ benötige.

Die Journalistin des Boulevardblattes machte keinen Hehl daraus, dass ihr die „Kulturoffiziellen“ um Kulturreferent Hans-Georg Küppers näher sind, als die spontanen Besetzer_innen: „Mit stiller Diplomatie hat Küppers viel vorher Undenkbares ermöglicht“ und lässt sich jetzt „politische Schleichwege nicht durch öffentliche verbale Kraftmeierei verbauen.“

Wie auch immer es Herr Küppers und Frau Lorenz von der „AZ“ gefallen mag, seit Samstag jedenfalls finden in der alten Halle Theater- und Musikveranstaltungen statt, während draußen einige Wagenbewohner_innen den „Statt Park Olga“, eine Wagenburg mit gemütlicher Couchatmosphäre gegründet haben. Täglich werden die Aktiven und Besucher_innen von der Volxküche versorgt.

Auf dem Gelände, das neben der Kulturreferats-Technik schon die Kammerspiele, die Kunstakademie, aber auch die Freiwillige Feuerwehr und die „Technische Inspektion Waffen und Geräte -ZD 9“ der Polizei und eben das „Pathos“ beherbergt(e), stehen mehrere Hallen leer. Die bisherige Planung sieht einen lange andauernden Abriss des Geländes vor. Dazu die Besetzer_innen in einem offenen Brief:

„Tanz, Theater, Musik und Bildende Kunst konzentrieren sich auf engem Raum. Nach dem Willen des Münchner Kommunalreferats soll sich das bald ändern. Aus der Keimzelle wird Münchens größte Baustelle und viele Kreative heimatlos. Der Prozess der Ausdünnung läuft systematisch. Die Feinspeiserei, Kantine und gemeinsamer Treffpunkt, wurde im Winter geschlossen. Das Kulturreferat Technik, das infrastrukturelle Rückgrat des Quartiers wurde vor die Tore Münchens verbannt. Als nächstes sollen die nun leerstehenden Gebäude abgerissen und der Bauschutt in der Halle 3 des Rodeo-Festivals gelagert werden …

Wir setzen ein Zeichen:

Die kulturelle Nutzung der Halle 3 wird über den Zeitraum des Festivals hinaus verlängert und wie alle anderen Formen der Zwischennutzung auf dem Gelände in eine dauerhafte Lösung überführt. Die Planung des Geländes wird transparent und demokratisch gestaltet und die Kreativen einbezogen. München braucht dringend Räume für freies Theater, Tanz, Musik und Kunst. Hier sind sie vorhanden! Und deshalb nutzen wir sie.“

Obwohl es sich innerhalb der „Szene“ rasch herumgesprochen hatte, scheint in dieser Woche noch nicht die „kritische Masse“ entstanden zu sein, die für eine längerfristige Umsetzung des „Kreativquartiers“ nötig wäre. Der Grund dafür dürfte laut einer Wäglerin neben dem furchtbaren Wetter wohl auch an der Überforderung der Aktivist_innen liegen. Wie bei so vielen Projekten ist auch hier die Öffentlichkeitsarbeit zu kurz gekommen.

Am heutigen Samstag jedenfalls geht es um 11 Uhr mit einem „veganem Weißwurstfrühstück“ los. Ab 13 Uhr gibt es ein Kinderprogramm und einen Schauspielworkshop. Nach dem – wohl nicht vermeidbaren – Fußball-Glotzen werden ab 18:30 Uhr Ausschnitte aus dem Film „Die deutsche Mutter“ gezeigt, anschließend feiert das „Volxvergnügen“.

Am Sonntag dann werden die Besetzer_innen beim ausgedehnten Brunch ab 11 Uhr über das weitere Vorgehen und Perspektiven sprechen. Auch hier sind Interessierte herzlich eingeladen. Am Abend präsentiert „Ohne Mampf kein Kampf“ dann ein Drei-Gänge-Menü, gefolgt von einer Tanzdarbietung.

Ob es an dieser Stelle also seit langem einen Freiraum mit Wagenplatz geben wird, hängt also nicht zuletzt von der Resonanz des Publikums ab. Die (wenigen) Aktivist_innen jedenfalls habe das ihre gegeben. Eine dauerhafte Präsenz scheint zwar – auch angesichts des geplanten neuen Justizzentrums gegenüber – kaum denkbar, eine Weile aber könnte der „Statt Park Olga“ und die besetzte(n) Halle(n) das „alternative München“ durchaus bereichern.

19. Juni 2010


www.luzi-m.org/nachrichten/artikel/datum/2010/06/19/351.

Überraschung

Jahr: 2010
Bereich: Kunst/Kultur

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