Flusslandschaft 2011
Kunst/Kultur
Das Areal an der Dachauer Straße 110 dürfte eines der letzten kreativen Reservate in der Stadt sein. Hier befindet sich das Atelierhaus für Bildende Künstler, das Pathos-Transport-Theater; weitere Gruppen treten regelmäßig auf. Der Standort soll neu bebaut werden. Am 24. März organisieren die Nutzer des Geländes eine Podiumsdiskussion. Sie werben für den Erhalt ihres Quartiers.1
Das seit über zwanzig Jahren tätige Selbsthilfezentrum in der Westendstraße 68 im Westend vernetzt Initiativen und Gruppen. Zur Zeit aktive Projekte findest Du unter www.shz-muenchen.de, hier: „Gruppen“, hier: „Freizeit, Gespräch, Kultur“.
Wolfram P. Kastner sieht nicht ein, dass in der Zeitschrift „Kunst und Kultur“, die der Fachbereich 8 (Medien, Kunst + Industrie) in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) herausgibt, Artikel erscheinen, die in jedem Kunstmarktblättchen ebenfalls stehen könnten. Er verbindet seinen Protest mit grundsätzlichen Überlegungen über die Aufgaben zeitgenössischer Kunst.2
BILDENDE KÜNSTE und AKTIONEN
Vom 13. Mai bis 12. Juni zeigt im Kunstpavillon im Alten Botanischen Garten die Vereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler in ver.di Bayern die Ausstellung „Krieg im Frieden“.3
Samstag, 14. Mai: Ab 11 Uhr demonstrieren die KünstlerInnen vom Haus 49 für den Erhalt ihres Hauses auf dem Marienplatz. Im Anschluss findet ab 16 Uhr auf dem Gelände der DomagkAteliers, Domagkstr. 33, eine große Kunstaktion mit Ausstellungen, Konzerten, Diskussionen und Vorträ-
gen statt. Ab 20 Uhr hält Wolfram Kastner im Haus 49 einen Vortag über Kurt Eisners Verhältnis zur Kultur.
Im Rahmen der Reihe „Protest in München seit 1945 bis heute“ bieten KünstlerInnen Interventio-
nen zum Thema „Der öffentliche Raum als Forum künstlerischen und gesellschaftlichen Protests“ an. – Schülerinnen und Schüler des Städtischen Luisengymnasiums gestalten unter dem Motto „Platz da? Hier bin ich!“ am 3. und 4. Juni gemeinsam mit Elke Richly, Manuel Boecker und Oliver Losehand eine provozierende Installation auf dem Vorplatz vor ihrer Schule an der Ecke Luisen-/ Elisenstraße. – Fabian Vogl zeigt vom 9. bis 25. Juli in der Fussgängerzone nahe dem Karlstor seine „Kapelle der öffentlichen Meinung“. Ursprünglich hat Vogl die Innenseite seines Baus mit Protestplakaten beklebt. Immer häufiger werden diese nun von Zetteln überwuchert, auf denen Münchnerinnen und Münchner ihre persönlichen Gedanken in Bezug auf Politik, Wirtschaft, Umwelt etc. aufschreiben. – Sciopero Monaco 2011: Marc Weiss und Martin de Mattia haben das Automobil nachgebaut, aus dessen zwei Megaphonen in der Eingangssequenz aus Antonionis Film „Rote Wüste“ (1964) vor den Mauern einer Fabrik zum Streik aufgerufen wurde. Sie fahren vom
1. Mai bis Mitte Juni dienstags und donnerstags durch die Stadt und „rufen zum Streik auf“. – Stephanie Senge hat am 23. Juli mit ihrer Aktion „Tütendemo für den Wohlstand“ Einzelhändler davon überzeugt, Tüten mit konsumkritischer Aufschrift zu verwenden und ruft nun Menschen auf, in diesen Läden einzukaufen, damit sie auf diese Weise selbst zu Demonstranten werden. – Vom 29. bis 31. Juli läßt Lisa Erb auf dem „Liquid Wall Forum“ auf dem Isarbalkon der Cornelius-
brücke im Rahmen des „Fresh Future Theory Festival“ TheoretikerInnen, ForscherInnen und AktivistInnen „zukunftsweisende Anschlüsse an unterschiedliche Denksysteme und Technologien“ realisieren. – Stefano Giuriati schlüpft unter dem Motto „Political Compass“ vom 1. bis 24. Juli
in der Fußgängerunterführung unter der Ludwigstraße an der Kreuzung Oskar-von-Miller-Ring sowohl in die Rolle des demonstrierenden Bürgers wie in die des Vertreters der staatlichen Exeku-
tive. — Petra Gerschner meint: „History is a work in process.“ Sie zeigt auf dem Marienplatz am 6. August ab 21.00 Uhr Bilder und Videos aus 30 Jahren Münchner Protestgeschichte. Leute, bringt Stühle und Liegegelegenheitn wie Luftmatratzen o.ä. mit; es wird DIE LANGE NACHT DES PROTESTS.
THEATER und KLEINKUNST
Für den im Juni 2009 verstorbenen Schauspieler und Kabarettisten Jörg Hube richtet die Mona-
censia. Literaturarchiv und Bibliothek in der Maria-Theresia-Straße 23 in Bogenhausen vom
9. Dezember 2011 bis 8. Juni 2012 eine grandiose Ausstellung aus. Der 1943 geborene Hube, unangepasst, Querkopf, Anarchist hat mit seinen Vorträgen und Rezitationen eine Vielzahl von Veranstaltungen und Demonstrationen der linksalternativen Münchner Szene bereichert. Außer-
dem war er als Bewohner Haidhausen gegen die Gentrifizierung des Stadtteils engagiert. Die Ausstellung zeigt u.a. einen bitterbösen Brief Hubes an den seinerzeitigen Oberbürgermeister Kronawitter und die verbissen eingeschnappte Antwort des Adressaten.
Nicht zuletzt hat Hube 2003 in seinem letzten Programm, in „Herzkasperls Her- und Hinrichtung oder Die Spielräume werden enger“, mit dem offiziellen Kulturbetrieb abgerechnet: Der Schau-
spieler opfert seine Seele für den Erfolg auf der Bühne durch Anpassung an Konventionen. Im
zur Ausstellung erscheinenden Buch „Jörg Hube. Herzkasperls Biograffl“ von Eva Demmelhuber finden sich die wichtigsten Texte aus den Herzkasperl-Programmen, dazu Erinnerungen von u.a. Georg Ringsgwandl, Gerhard Polt, Hans Well.
1 Siehe www.atelierhaus-dachauerstrasse.de/ und Bilder vom „juli an der dachauer 110“ von Volker Derlath.
2 Siehe „Kaufkunst, Kunstkomplizen, Gegenmacht“ von Wolfram P. Kastner.
3 Siehe www.kunstpavillon.org.