Flusslandschaft 1968

Kunstakademie

Das Flugblatt „Wem gehört die Akademie?“ informiert im Januar u.a. darüber, dass die Studieren-
den nur dann in den Werkstätten arbeiten dürfen, wenn sie nicht gerade mit den privaten Auf-
tragsarbeiten der Professoren beschäftigt sind. Ja, ein Studi hat nur dann Aussicht auf Karriere-
förderung, wenn er den Professorenknecht spielt.

Der AStA der Akademie der Bildenden Künste an der Akademiestraße 2 – 4 ruft zum dreitägigen Streik gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze auf, Präsident Prof. Paolo Nestler und sie-
ben weitere Professoren unterstützen den Protestaufruf. Der AStA richtet in der Kunstakademie das „Widerstandszentrum“ gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze ein.

Am 17. Mai demonstrieren die Studentinnen und Studenten der Akademie; ein Zug der Bayeri-
schen Bereitschaftspolizei begleitet den Marsch.

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Auf der Akademiewiese wird am 18. Mai ein Notstands-Happening veranstaltet, viele Kunststuden-
ten beteiligen sich an den Malaktionen, Kinder werden miteinbezogen (Stacheldraht, ein model-
lierter Panzer, riesige Transparente, Skulpturen mit blutroter Farbe, ein Verbrennungsofen, ein Galgen usw.). Hanns Zischler lädt Schülerinnen und Schüler dazu ein mitzumachen.2

In der Kunstakademie wird am 21. Mai ein Film über die Notstandsgesetze gezeigt; Dr. Hans Kilian hält einen Vortrag über den „Notstand der Demokratie – Inner- und außerinstitutionelle Krise“. Es kommt in der Frage der Ablehnung der Notstandsgesetze zu einer Solidarisierung zwischen Stu-
dierenden und Lehrkörper.3

26. Juni: Kunststudenten bemalen die Wände im Foyer der Kunstakademie mit Zeichnungen ge-
gen die Professoren. Dabei ist auch Rita Mühlbauer.4

Im AStA-Raum der Kunstakademie wird am 2. Juli eine Dokumentationsausstellung zum „Fall Hermann Kaspar“ eröffnet, die die Nazivergangenheit des Ordentlichen Akademieprofessors be-
leuchtet, mit „Fotokopien aus dem Briefwechsel Kaspar – Speer in den Jahren 1938 – 1942. Ein Beitrag zur Bewältigung der Vergangenheit von Professoren mit tausendjähriger Amtszeit“.

Die Hochschulleitung genehmigt die „Weihnachtsfeier“ am 24. Juli 1968 nicht, die Studierenden veranstalten sie mit Musik und Gesängen und mit einem Schweinskopf tragenden Gekreuzigten trotzdem. Die Hochschulleitung bedauert die damit verbundene „Verletzung religiöser Gefühle unserer katholischen Mitbürger“.

Neumann fotografiert im Oktober ein Kundgebungsplakat vor der Kunstakademie „Organisiert euch in Arbeitsgruppen“.5

Akademiestudenten und HSK-Mitglieder bringen am 30. Dezember im Treppenhaus der Kunst-
akademie eine „Antiheldengedenktafel“ mit dem Bert Brecht-Text: „Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten, es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten“.6

(zuletzt geändert am 17.11.2019)


1 Foto: Günter Wegener, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

2 Siehe „Rote Fahnen an der Münchner Akademie“ und Zischlers „Wir, der Lehrkörper …“.

3 Siehe „Aus einem Papier der Hochschulgruppe sozialistischer Studenten“.

4 Siehe „Nabel der Welt“ von Rita Mühlbauer.

5 Fotos: Stadtarchiv Standort ZB-Ereignisfotografie-Politik-Demonstrationen

6 Die Studierenden Lukas Loske, Nadja Baschang und Lina Augustin führen 50 Jahre nach 1968, im Juli 2018, ein ausführ-
liches Gespräch mit Alfred Lachauer und Wieland Sternagel über die Studierendenproteste von damals. Hier ging es um Auslöser, Mittel, Reaktionen und Folgen der Revolte, auch für die Akademie heute. : Siehe https://www.adbk.de/de/alumni/alumni-tv.html. Das Gespräch in ungekürzter Version und weiteres Material zur Revolte der Studierenden der 1960er Jahre können im Archiv der Akademie eingesehen werden.