Materialien 1999
Ministerpräsident zu braun geraten?
Eine schöne Plakatserie hat die DGB-Jugend zum Thema Integration und doppelte Staatsbürgerschaft in den öffentlichen Raum gebracht. „Verfremdet“ wurden die Köpfe bekannter bayerischer Regierungspolitikerinnen und -politiker (und, gewissermaßen als Zugabe, noch der von Wolfgang Schäuble). Barbara Stamm mit moslemischem Kopftuch, Kurt Beckstein als bärtiger Beduine, und Edmund Stoiber, sympathisch lächelnd, aber halt recht negroid eingefärbt. Das Wort „negroid“ stammt nicht aus dem Sprachschatz der „an“-Redaktion, sondern wird nach wie vor von der hiesigen Polizei zu Persönlichkeits-Charakterisierungen verwendet.
Die Polizei war es denn auch, die in der bayerischen Landeshauptstadt der DGB-Plakat-Aktion zu zusätzlicher Öffentlichkeitswirksamkeit verhalf. JungsozialistInnen und junge Gewerkschafterinnen, die gegenüber der Bayerischen Staatskanzlei ganz ordentlich und der Straßenverkehrsordnung gemäß die Plakate auf einem Grünstreifen aufstellten, waren den Ordnungshütern suspekt. Vier junge Leute wurden daraufhin eine Stunde lang festgehalten und in die Staatskanzlei gebracht. Ihre Personalien wurden festgehalten.
Hauptargument der Polizei: Die Plakate könnten eventuell den Tatbestand der Beleidigung erfüllen. Dem war natürlich nicht so, alles erwies sich als ganz legal. Außerdem: Selten hat man die dargestellten Politikerinnen so sympathisch erlebt, wie auf diesen Postern (der außerbayerische Schäuble durfte übrigens einen Chinesen machen). Dass das Leben bunt ist und nicht nur weiß-blau, wie auf den Plakaten zu lesen ist, erfüllt bisher auch (noch?) keinen Straftatsbestand.
Ein Polizeibeamter allerdings sagte, mit Blick auf den „verfremdeten“ Ministerpräsidenten, das Wesentliche: Herr Stoiber könnte „etwas zu braun“ geraten sein.
antifa-rundschau 38 vom April 1999, darin: Beilage antifa-nachrichten, 2.