Flusslandschaft 1983
Zensur
Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) verweigert im März eine Freigabe des Films „Das Gespenst“ von Herbert Achternbusch. In der Springerpresse startet eine Kampagne gegen Achternbusch und Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) streicht die letzte ausstehende Förderzahlung. Er meint: „Ich lasse nicht zu, dass mit Steuergeldern gefördert wird, dass einem Christus am Kreuz eine Schweinszunge aus dem Munde hängt, dass Kröten gekreuzigt werden und dass besoffene Polizisten ihre Notdurft in ein Schnapsglas verrichten, während unun-
terbrochen auf der Polizeiwache das Telefon läutet, aber niemand hingeht, um die Assoziation zu erwecken, bei der Polizei brauchst du nicht anzurufen: Die sind besoffen, die haben für dich keine Zeit.“1 Beim Filmfest München im Sommer 1983 protestieren fünfzig Filmemacher gegen die Zen-
sur des Films. Nach einem Rechtsstreit erhält Achternbusch 1992 die nicht ausbezahlte Förder-
summe, erst 2008 erscheint „Das Gespenst“ auf DVD, von der FSK „freigegeben ab 12 Jahren“.
„Bayernfunk stoppt Dr. Borg – Beim Südfunk Stuttgart und beim NDR ist er ein Publikumsfavorit; die Hörer des Bayerischen Rundfunks, die ihn gerade liebgewonnen hatten, müssen sich jetzt von ihm verabschieden: ‚Der Frauenarzt von Bischofsbrück’, das satirisch-possierliche Radio-Serial über den heldenhaften Kampf des Gynäkologen Dr. Borg gegen die finstere Pharma-Industrie, wird vom BR nicht mehr gesendet. Es hatte, in München, von Anfang an viel Ärger gegeben um die mit aktuellen politischen Anspielungen gespickten Doktorspielchen. Von den 250 Borg-Folgen, die der BR vom Südfunk gekauft hatte, nahm der Sender nur etwa 140 ins Programm. Episoden etwa, in denen offensichtlich CSU-Chef Strauß kritisiert wurde, blieben im Archiv. Auch wenn in ‚unappe-
titlichen Szenen’ einmal ‚gerülpst’ wurde, griff der zuständige Redakteur zur Schere. Die Südfunk-Autoren Herbert Borlinghaus und Alfred Marquart, die schon 340 Borg-Storys produziert haben, warten noch auf eine Begründung für die Beerdigung ihres Helden. ‚Die Herren mauern’, sagt Marquart. Und dass der BR die Serie überhaupt gekauft hat, kann er sich nur so erklären: ‚Die haben die Drehbücher wohl vorher gar nicht gelesen.’“2
Der Jamaicaner Peter Tosh, ehemals Bandmitglied der „Wailers“, tourt durch Deutschland. „… In der Bundesrepublik freilich darf nicht jeder Toshs neue Show sehen und hören. Die Münchner Kreisverwaltung untersagte seinen Auftritt, weil, so unter anderem die Begründung, ‚aus allen Teilen Süddeutschlands Besucher und sog. „Kommunen“ anreisen’ könnten, ‚um sich mit Betäu-
bungsmitteln einzudecken’. Betäuben darf sich Bayerns Jugend bei jenem anderen exotischen Ritual, dem Oktoberfest, wo Oberbürgermeister Erich Kiesl zeremoniell ein Fass aufmacht. Tosh, der Alkohol für eine Droge des Teufels hält: ‚Die haben Angst vor grünen Blättern. Aber sie wollen, dass Jugendliche umfallen, angefüllt mit Bier.’“3
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Der Nürnberger Grafiker Michael Mathias Prechtl gestaltet das Plakat zur Ausstellung „Die Isar. Ein Lebensweg“ im Münchner Stadtmuseum. Zu sehen ist Ludwig I. in inniger Umarmung mit einer unbekleideten Lola Montez. Es hagelt Proteste.
Siehe auch „Alternative Medien“.
1 Zit. in: Michael Ackermann: „‚Der Steuerzahler will nicht provoziert, er möchte unterhalten werden’ – Zimmermanns Filmpolitik und der Neue Deutsche Film“ In: Kommune. Forum für Politik und Ökonomie 8 vom 12. August 1983, 57.
2 Der Spiegel 32 vom 8. August 1983, 123.
3 Der Spiegel 41 vom 10. Oktober 1983, 266.
4 Privatsammlung