Materialien 1947

Zur Landtagsdebatte über die Personalpolitik im Kultusministerium

Die Stellung der politisch Verfolgten im K.M.

Verfassungsfragen existieren für Herrn Minister Hundhammer nicht,
wenn sie nicht seiner Politik entsprechen.

Vorschläge oder Erwägungen, die innerhalb der Regierung oder der rechten CSU gemacht werden, werden vom Kultusminister ohne die verfassungsmäßige Zustimmung des Landtages einzuholen, in seinem Amtsbereich angewandt! So geschehen in der Schulreform, (die ja nicht nur eine Brüs-
kierung des Landtages, der Militärregierung, sondern des fortschrittlichen Geistes bayrischer Kulturträger darstellt), in der Ver- und Entsetzung von Flüchtlingslehrkräften aus konfessionellen Gründen, in der Geschäftsordnung des Kultusministeriums, die jeder demokratischen, verantwor-
tungsbewussten Haltung Hohn spricht, in der Wiedergutmachungsverpflichtung u.s.w.

Es ist also weiter nicht verwunderlich, dass Herr Dr. Hundhammer – dessen gesamter Verdienst ein aufblühender Antiklerikalismus sein wird – übrigens eine Überlegung, die aus dem Munde fortschrittlicher, katholischer geistlicher kommt, in seinem Ministerium eine Personalpolitik und im Lande eine so sture Parteipolitik treibt, dass man diese als schwarze Diktatur bezeichnen muss!

Die Behauptung wird bewiesen! Wenn man im Kultusministerium Uniformen, das graue Ehren-
kleid des Führers und seine Parteiabzeichen verteilen würde, dann würde dieses Haus am Salvator-
platz erzittern unter den Militärstiefeln höchster Offiziere mit höchsten Orden. Aber nicht nur der allerchristlichste Minister hat sichtlich Wohlgefallen an dem ehemaligen Beruf der von ihm gehol-
ten oder protegierten Herren, auch Herr Hitler persönlich könnte zufrieden sein mit der Persön-
lichkeitenauslese im Ministerium für Kultur und Erziehung: er findet sie vor: seine Parteigenossen, seine unverzagten Offiziere, die in seinem Sinne aufklärten und seine treuen Beamten, die in jeder Minute bereit waren, ihm ihre Loyalität und Ergebenheit zu bekunden – alle getreu ihres auch ihm geleisteten Eides! – – Männer? – – nein, Handlanger! Das ist es, was der Herr Minister Hund-
hammer in seiner Umgebung, das heißt im Ministerium und in seinem ganzen großen Arbeitsbe-
reich braucht und verlangt und sich schafft! Er kennt deshalb nur das Prinzip der äußeren Autori-
tät, des Gehorchens, des Vorgesetzten und des Untergebenen! – Demokratische Prinzipien wie Kollegialität, Selbstverwaltung, verantwortliches Mitarbeitertum sind dem Herrn Minister fremd. Er hat in seiner christlichen Demut und Nächstenliebe, in seinem Humanismus zuviel vom Geiste der Unfehlbarkeit verspürt – was geht ihn das alles an!

Man sieht dem Herrn lange, sehr lange schon zu. Man kann nicht sagen, dass ihn das Glück begün-
stige oder große, mächtige Sympathien, wobei die ecclesia militans et politicans nicht unterschätzt sei, ihn so restlos stützten, nein, der Herr Minister Hundhammer rechnet mit anderen, besseren Faktoren: er kennt den Untergebenen- und Handlangergeist der großen Mehrheit, auf die er sich ja berufen kann. Die ganze große CSU, einschließlich des hin und wieder grollenden Landesvorstan-
des und der genasführten, als „fortschrittlich“ propagierten und gelegentlich vorgeschobenen „jungen Union“ hat nicht den Mut und die Kraft sich einmal selbst zu behaupten! – So braucht also der Herr Hundhammer gar nicht warten, bis eine Verfügung vom Landtag bestätigt wird, wenn sie in seine Parteipolitik passt, wird sie angewandt – der nachträglichen Unterstützung nicht nur seiner gleichgesinnten Regierungskollegen, sondern auch aller seiner Parteifreunde ist er ja gewiss! Wie gesagt, die Mehrheit des Volkes steht ja hinter ihm – wie er so schön und deutlich immer wieder zu sagen pflegt. Nun, es hieß einmal, dass die Mehrheit des deutschen Volkes Nazis waren – ich drücke mich vorsichtig aus, das heißt, ich möchte diese Betrachtungen gar nicht anstellen, da sich sonst Konflikte über die Praktiken unserer augenblicklichen Demokratie ergäben …

Die Sozialdemokratische Partei ist nicht mehr Willens, die Politik des Herrn Hundhammer ohne schärfste Opposition und warnende Hinweise zu verfolgen!

Es wird folgender Antrag eingebracht:

Der Kultusminister hat seine Geschäftsordnung dem Landtag zur Überprüfung vorzulegen.

Der Kultusminister soll Rechenschaft über seine Personalpolitik geben und zwar hinsichtlich folgender Fragen:

— Wie viel politisch, rassisch oder religiös Verfolgte sind im Kultusministerium verbeamtet und seit wann?

— Wer ist von diesem Personenkreis befördert worden – wer wurde zurückgesetzt, beurlaubt oder pensioniert?

— Wer wurde seit der Amtszeit des Herrn Kultusminister Hundhammer neu in das Kultusministerium berufen und verbeamtet?

— Wer ist von diesem Personenkreis ehemaliger Offizier, ehemaliger Parteigenosse oder ehemaliger Beamter aus der NS-Zeit?

— Wer wurde aus diesem gleichen Personenkreis befördert und welche Stellen sind damit besetzt?

Der Landtag setzt einen Ausschuss von 5 Mitgliedern ein, der die Personalangaben des Kultusministeriums überprüft und dem Landtag und damit der Öffentlichkeit Bericht vorlegt.

Nicht nur die Sozialdemokratische Partei hat ein Anrecht darauf, die politische Sauberkeit des wichtigsten Ministeriums des Landes, dem die Erziehung, die Bildung, die Wissenschaft und Kunst überantwortet ist, endlich einmal genauer kennen zu lernen – auch die anderen Parteien, ein-
schließlich der fortschrittlicheren CSU, geht dies an. Nicht zuletzt – und dies muss hinzugefügt werden – sind wir auch der Besatzungsmacht und allen deutschen Landen immer wieder Rechenschaft schuldig!

Jeder Steuerzahler hat das Recht zu erfahren, wie viele Beamte immer wieder neu hinzukommen und wie die Vergangenheit und das Gesicht dieser Beamten ausschaut. Der Arbeiter, der Geschäfts-
mann, der Bauer, der Wissenschaftler und Erzieher, sie alle wollen dies wissen und Sie selbst, Herr Minister, werden mir zustimmen, wenn Sie einmal ihr hohes Ministeramt übersehen und sich als Inhaber eines Schuhgeschäftes, einer Schnellsohlerei und als Hausbesitzer die Sache überlegen.

Otto Graf


Depositum Otto Graf, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.

Überraschung

Jahr: 1947
Bereich: CSU