Flusslandschaft 1986

Wohnen

1983 durfte die klamme gewerkschaftseigene Neue Heimat 933 Sozialwohnungen in Eigentums-
wohnungen umwandeln. 1985 wollte sie weitere 2.000 Wohnungen in Sendling, Moosach und Giesing verkaufen. Schon bald entstanden Mieterinitiativen; es kam zu Demonstrationen mit der Forderung, dass die Stadt die Wohnungen kaufen soll. 1986 sieht es so aus, als ob gekauft wird und hier neue Wohngenossenschaften entstehen.1

Die Bundesregierung stellt 1986 die Förderung des Sozialen Mietwohnungsbaus ein. Ein weiterer Schritt zur Wohnraumverknappung, die erhöhte Mieten und Umwandlung von sanierten Miet-
wohnungen in Eigentumswohnungen befördert.

1983 hat der Stadtrat mit seiner CSU-Mehrheit das Glockenbachviertel zum Stadterneuerungs-
gebiet erklärt. Seitdem rumort es im Viertel.2 Die „Stadtteilinitiative Glockenbach“ protestiert am 20. Juni gegen eine geplante Luxussanierung in der Hans-Sachs-Straße14.3

Auch in Haidhausen ist die Welt immer noch nicht in Ordnung. Die Mieter in der Lothringer Straße 9 sind mitsamt dem Haus mehrmals verkauft worden und wehrten sich gegen eine Luxusmodernisierung. Schließlich springt die Stadt ein; es kommt zu einem Kompromiss. Außerdem wollen die HaidhauserInnen den Bau des Ungetüms „Löwenbräu-City“ verhindern.4

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Die studentischen Mieterinnen und Mieter der Einfachstwohnungen an der Osterode-/Bad-Soden-Straße in Nordschwabing haben die Bewohnergemeinschaft Osterode-/Bad-Soden-Straße e.V. (BOBS)6 gegründet. Sie demonstrieren am 24. Juni für die Erhaltung ihrer Wohnungen.7 Am 15. August protestieren sie vor dem Verwaltungsgebäude der GWG gegen die Kündigung zum 1. Sep-
tember.8 Sie ketten sich an ihre alten Bäume an und stellen Mahnwachen gegen die Bulldozer in ihren Gärten auf. „… Da wird in München die Initiative von Bürgern zunichte gemacht, die eine alte Siedlung mit Phantasie, Mut und der Kraft ihrer eigenen Hände vor der Spitzhacke retten wollen. Diese BOPS-Siedlung mit ihren schönen alten Gärten sollte als Genossenschaft die verlo-
rengegangene Lebensqualität einer Großstadt wiederherstellen, die zunehmend vom Spekulations-
wahnsinn besessen ist … Keine Zeitung und kein Rundfunk- oder Fernsehreporter ist bereit, die Öffentlichkeit über dieses Ereignis, das zum Himmel schreit, zu informieren. Was die Politiker beschlossen haben, das ist sakrosankt. Das darf nicht einmal mehr als Nachricht über die Fern-
schreiber ticken. Schließlich haben die BOPS-Menschen mit ihrer jahrelangen Aufbauarbeit keinen Erfolg gehabt — und über Erfolglose weint man keine Träne mehr …“9

In München sind 8.000 Obdachlose registriert.


1 Siehe „Über Chancen und Grenzen von Initiativen in einer Wachstumsmetropole“ von Thomas Ködlpeter.

2 Siehe Ködlpeter, a.a.O.

3 Vgl. Süddeutsche Zeitung 139/1986.

4 Siehe Ködlpeter, a.a.O.

5 Foto: Jessica di Rovereto

6 Siehe Ködlpeter, a.a.O.

7 Vgl. Süddeutsche Zeitung 142/1986.

8 Vgl. Münchner Merkur 186/1986.

9 Hans Werner Saß: „Warum wir diese Zeitschrift machen müssen“ In: Der Zeitgenosse. Zeitschrift der Aktion Lebensqualität 1/1986, 4.

Überraschung

Jahr: 1986
Bereich: Wohnen