Flusslandschaft 1977
Wohnen
Seit Anfang 1977 besteht in München kein „Grauer Kreis“ mehr. Jetzt sind die Mieten in Altbauten nicht mehr an einen festen Quadratmeterpreis gebunden, sondern orientieren sich an den üblichen Vergleichsmieten. Die Stadt veröffentlicht im Januar einen sogenannten Mietpreisspiegel, der u.a. eine durchschnittliche Mieterhöhung von 160 Prozent für eine vor 1919 erbaute Altbauwohnung mit WC, Bad und Zentralheizung errechnet. Proteste zwingen die Stadt, diese Statistik zurückzunehmen und neu zu überarbeiten.1
Das „Westendkomitee“ um Peter Eberlen setzt sich für die Erhaltung des Westends als bezahlbares Wohngebiet ein und plant eine eigene Publikation: die Westend-Nachrichten.
Sanierung in Haidhausen: Die Bewohner befürchten Mietsteigerungen, haben Angst, dass sie ihre angestammten Mietwohnungen verlieren, wenn das Haus abgerissen wird, müssen übergangsweise umziehen … Das Münchner Sozialreferat hat zwar Hilfspläne ausgearbeitet, aber erst die Schauspielerin und Schriftstellerin Carlamaria Heim, die Vorsitzende des Sanierungsbeirats, kann mit massiven Protesten etwas bewegen.2
Die Auseinandersetzungen um Zweckentfremdung, Luxussanierung und Umwandlung von Wohn- in Büroräumen im Lehel hält an, zuweilen sogar von Erfolg gekrönt: „Jubel, Freudenschrei – Wir haben schon berichtet über das Haus Gewürzmühlstr. 17 im Lehel! Der frühere Besitzer verschuldete; Zwangsversteigerung; das Haus ging für etwa 650.000 an ein Architektenbüro Conle in Duisburg, der bei der Gelegenheit auch gleich das Nachbarhaus Sternstr. 16 kaufte. Den 7 WG’s und der älteren netten Dame, die hier wohnen, wurde gekündigt. Begründung: ‚Sicherstellung einer vernünftigen wirtschaftlichen Nutzung’. Die WG’s und die nette ältere Dame haben zusammen einen Prozess gegen diese Absichten angestrengt; der Zirkus aus Gutachten und Gegengutachten ging los … Warum? Einfach weil wir hier zusammen wohnen bleiben wollen und auch vielleicht mal mehr daraus machen. Im Herbst haben wir die erste Instanz gewonnen. Der neue Besitzer ging in Revision … und jetzt ist es heraus: trotz der ihm nachgesagten mieterfeindlichen Haltung hat uns das Landgericht recht gegeben: WIR BLEIBEN DRIN! Jetzt kommt hoffentlich das städtische Wohnungsamt zum Zuge und macht dem Besitzer Dampf, damit er endlich herrichten muss, was er bisher absichtlich verwahrlosen ließ. Wir wünschen uns selber Glück für ein besseres Leben in der Gewürzmühlstraße, die wir – abgesehen von der Versicherungskammer-Ecke – liebgewonnen haben. — Leute aus dem Haus“3
1 Vgl. Haidhauser Nachrichten 3 vom März 1977, 1.
2 Siehe „Keine Hilfe bei Sanierungshärten“.
3 Blatt. Stadtzeitung für München 109 vom 8. Dezember 1977, 2. Vgl. auch Blatt. Stadtzeitung für München 110 vom 16. Dezember 1977, 7.