Materialien 1957
Die drei Weisen aus dem Abendland
… und es waren Bundespolitiker in derselben Gegend auf dem Felde, die hüteten des Nachts ihre Schäfchen.
Und siehe, der Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Engels erleuchtete die Bundespolitiker; und sie fürchteten sich sehr.
Und der Engel sprach zu den Bundespolitikern: Fürchtet euch nicht; siehe, ich verkündige euch große Freude, welche allen Deutschen widerfahren wird.
Denn euch ist heute die Wiedervereinigung geboren, welche ist in Berlin Fleisch geworden, im Fleische des Bären.
Und das habet zum Zeichen: Ihr werdet finden die Wiedervereinigung in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.
Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der bundespolitischen Heerscharen, die lobten Gott und den KANZler und sprachen:
Ehre sei Conny in der Höhe, und Wiedervereinigung in Deutschland, und den Deutschen ein Wohlgefallen.
Und da der Engel gen Bonn fuhr, eilten die Bundespolitiker eilends nach Westberlin und fanden den Stall und die Krippe, und die Öchslein und Eselein, die des KANZlers Reden wiederkäueten. Und sie fielen, wie so oft, auf die Kniee und falteten verwundert ihre Hände und priesen ohne Hinsehn den Inhalt der Krippe.
Und es machten sich auch auf die Drei Weisen aus dem Deutschen Abendland, als da waren Theodor Heuss, Gerd Bucerius und Stadtmagistrat Dr. Otto Suhr, Rejierender Bürjermeister von Jesamtberlin, und sie gingen in den Stall und fanden die Öchslein und EseIein, die des KANZlers Reden wiederkäueten, und die Krippe und das Kind in der Krippe, welches war, so schien es ihnen, ein kleiner Bär. Und so fielen sie nieder und beteten ihn an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Weihrauch, Volksreden, Resolutionen, Myrrhen, Klagen beim Bundesverfassungsgericht und Wahlpropaganda.
Und während sie murmelnd auf den Knieen lagen, schrie ein Eselein an der Krippe: I-A-A-H – ist-ja-gar-nicht-wahr!
Als die Drei Weisen aus dem Deutschen Abendlande ihre Köpfe erhoben, erkannten sie, dass die Krippe leer war.
Paul Hilbert
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Die drei Weisen aus dem Abendland
… unter dieser Überschrift veröffentlichten wir in unserer Nummer 15 vom 13. April 1957 einen Aufsatz von Paul Hilbert, der nach Auffassung uns bekanntgewordener Mitteilungen aus dem Leserkreis einen schwerwiegenden rechtswidrigen Angriff gegen die Ehre Gottes in Verbindung mit verletzenden Kundgebungen der Missachtung und Nichtachtung der göttlichen Person, des weiteren nach Form und Inhalt eine Beschimpfung der Gebräuche und Einrichtungen der katholischen Kirche darstellt.
Die Redaktion bedauert, dass dieser Eindruck entstehen konnte,und ist gerne bereit zu erklären, dass eine solche Auslegung nicht ihren Absichten entsprach. Bei der Erwägung, die beanstandete Veröffentlichung in Druck zu geben, gingen wir vielmehr von der Auffassung aus, dass es sich dabei ausschließlich um die satirische Behandlung politischer Realitäten in unserer Bundesrepublik handelte. Es war nicht beabsichtigt, mit dem oben genannten Beitrag die religiösen Gefühle anderer zu verletzen.
Simplicissimus 15 vom 13. April 1957, 239 und Simplicissimus 23 vom 8. Juni 1957, 361.