Flusslandschaft 1979

Fußball

Im März veranlasst die Mannschaft des FC Bayern den Rücktritt des Vereinspräsidenten Wilhelm Neudecker, der als neuen Trainer Max Merkel verpflichten will. Mit 16 zu 0 Stimmen votieren die Spieler gegen den neuen Coach.1

„… Wir wollen noch einmal die Veränderungen zusammenfassen, die sich durch die Verwandlung des Fußballsports aus einem Element subkultureller Partizipation in ein Element der Unterhal-
tungsbranche ergeben haben. Nicht in erster Linie das Spiel hat sich verändert (wenngleich es im ganzen professioneller, taktischer und auch artistischer geworden ist), geändert haben sich vor allem die Erwartungshaltung und Wahrnehmungsweise des Publikums und die Interaktionsfor-
men zwischen Spieler und Zuschauer sowie das Verhältnis von Verein, Spieler und Zuschauer. Verlorengegangen sind die lebensgeschichtlichen Erinnerungen und die kulturellen Bezüge, die Verbundenheit mit den Spielern als Repräsentanten und die Verbundenheit mit dem Platz als einem Ort subkultureller Kommunikation und Interaktion. Der Platz, der im Zentrum des Wohn-
viertels liegt, mit seinen Kassenhäuschen und Buden, auf dem man sich trifft, wo man sich unter-
hält, an dem man womöglich mitgebaut hat, ist nicht nur räumlich meilenweit entfernt vom kom-
fortablen Großstadion mit seinen Tribünen und Rängen, seinen Erfrischungskiosken mit Ständen für Fan-Utensilien. Die Mannschaft, die das Viertel repräsentiert, deren Spieler man kennt und zuweilen, und sei‘s nur an der Theke des Vereinslokals, trifft, hat kaum etwas mit der zusammen-
gekauften Profitruppe aus Spielern zu tun, die man mit einigem Glück gerade noch, bevor sie in ihren Porsche, Mercedes oder Maserati steigen, zum Autogrammgeben erwischt. Die Veränderung dieser Rahmenbedingungen des Fußballsports, die das Spiel selbst noch weitgehend unberührt lässt, verändert den Fußballsport nichtsdestoweniger substantiell. Sie raubt dem Fußballsport seine kulturelle, soziale und geschichtliche Dimension und macht ihn zu einem, wenn auch auf-
grund seiner spezifischen Faszination nicht beliebig austauschbaren Segment der Unterhaltungs-
branche …“2


1 Siehe „Putsch mit Paul“ von Jörg Schallenberg. — Max Merkel: „Die Fußballer wollen immer eine Extrawurst. Sie sind jung, sie schlafen den halben Tag, sie fressen wie die Raubtiere, jeden Tag eine halbe Sau, sie werden gepflegt von hinten und vorn, sie werden abgerieben und massiert, und dann spielen sie eineinhalb Stunden Fußball. Und davon wollen sie ausgelaugt sein und abgenützt.“ Zit. in Ror Wolf, Die heiße Luft der Spiele, Frankfurt am Main 1980.

2 Rolf Lindner/Heinrich Th. Breuer, Fußball als Show. Kommerzialisierung, Oligopolisierung und Professionalisierung des Fußballsports, in: Wilhelm Hopf (Hg.), Fußball. Soziologie und Sozialgeschichte einer populären Sportart. Bensheim 1979.

Überraschung

Jahr: 1979
Bereich: Fußball