Flusslandschaft 1971

Militanz

Am 13. April überfallen Margit Czenki und Rolf Heißler eine Bank. Sie brauchen Geld für die „Bewegung“.1 Zwei jugendliche Mittäter werden zu Freiheitsstrafen von vier Jahren und acht Monaten sowie zu vier Jahren und vier Monaten verurteilt; Heißler bekommt acht, Czenki sechs Jahre Gefängnis. In Hamburg erhält ein Bankräuber Anfang 1972 zwei Jahre Gefängnis. Er han-
delte aus unpolitischen Motiven und wollte sich lediglich persönlich bereichern.

Am 4. August 1971 um 15.55 Uhr überfallen Dimitri Todorov und Hans Georg Rammelmayr eine Filiale der Deutschen Bank in der Prinzregentenstraße. Eine „Rote Front“ fordert zwei Millionen Mark und einem Fluchtwagen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, nehmen sie die in der Bank anwesenden Personen als Geiseln, ein Novum in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ein vierhundert Mann starkes Polizeiaufgebot umstellt die Bank. Zahlreiche Zuschauer kommen in Volksfeststimmung. Ihre Sympathien liegen bei den Bankräubern. Nach Verhandlungen mit der Polizei werden gegen 23 Uhr die geforderte Summe und ein Fluchtfahrzeug bereitgestellt. Als Rammelmayr daraufhin mit der Geisel Ingrid Reppel die Bank verlässt, eröffnen Scharfschützen das Feuer; Rammelmayr und die Geisel sterben. Beim anschließenden Sturm auf das Gebäude wird Todorov festgenommen. In der Bevölkerung werden Sympathiekundgebungen für die beiden „Ro-
bin Hoods“ laut. Obwohl er niemanden von eigener Hand getötet hat, wird Todorov zu lebenslan-
ger Freiheitsstrafe verurteilt, unter anderem wegen „versuchten Polizistenmordes mit bedingtem Vorsatz“. Auch dieses Urteil führt zu Protesten. Todorov bleibt 22 Jahre lang inhaftiert, bevor er entlassen wird. Die Sympathie für die beiden Bankräuber hält über Jahrzehnte an.2 Im Straubinger Gefängnis holt Todorov das Abitur nach und studiert bis zu seiner Entlassung sechs Semester Sozi-
alwissenschaften. Seine Autobiographie ist unbedingt lesenswert.3

Rolf Pohle ist angeblich ein RAF-Terrorist. Nach ihm wird gefahndet; festgenommen wird er im Dezember.4


1 Siehe „‚Man wusste, dass das Knäste sind’ Ivo Bozic: Margit Czenki im Gespräch über antiautoritäre Erziehung in den siebziger Jahren und die heutige Debatte“ 1969.

2 Siehe „Drecksbullen! Ihr bringt uns noch alle um!“.

3 Siehe den Auszug aus dem Nachwort „Acht Jahre danach“ von Dimitri Todorov.

4 Siehe „Die Rechtshilfe der APO in München und die RAF-Prozesse“.