Flusslandschaft 1971

Rechtsextremismus

NPD und rechtsextreme „Aktion Widerstand“ zerfallen. Am 16. Januar gründet Gerhard Frey im Hotel „Deutscher Kaiser“ nicht nur als deren Auffangbecken den Verein Deutsche Volksunion (DVU), der bald siebzig Arbeitskreise in allen Bundesländern und etwa 4.000 Mitglieder ange-
hören; als Vereinsorgan fungiert der ,Deutsche Anzeiger’. Für den 3. April lädt die DVU zu einer Großveranstaltung in den Schwabinger Bräu, Leopoldstraße 82. Oberbürgermeister Vogel spricht auf der Gegenkundgebung. Auf einem Plakat ist zu lesen „Der Feind steht rechts“.1 Die Polizei verhaftet vor allem Kommunisten.2 — Am 5. April (3. April?) findet eine Demonstration auf dem Feilitzschplatz, wie die älteren Schwabinger die Münchner Freiheit immer noch nennen, unter dem Motto „Kampf dem Rechtsradikalismus“ statt. Auf einem großen Plakat heißt es „Kommunisten und Sozialdemokraten gemeinsam gegen rechts“.3

Die Verständigungspolitik der sozialliberalen Bundesregierung sorgt für kollektive Hassausbrüche. Am 6. Februar hält die Sudetendeutsche Landsmannschaft eine Kundgebung ab. Ihr Sprecher Walter Becher meint zur Politik der Bundesregierung: „Diesmal handelt es sich wahrhaftig nicht um eine Legende, diesmal ist der Dolchstoß perfekt.“4 Der Saal brüllt „Hängt die Verräter“.

Am 22. Mai erweitert sich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zum „Bund der Antifaschisten“ (VVN-BdA), da sie im Gefolge der studentischen Protestbewegung und durch das starke Anwachsen der NPD verstärktes Interesse der jungen Generation an der Auseinanderset-
zung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ausmacht. Damit können nicht nur Verfolgte und ihre Familienangehörigen, sondern auch junge Leute, die sich mit den Überlebenden der Konzentrationslager und ihrem Vermächtnis verbunden fühlen, Mitglied der VVN werden.

Bei einer Wohnungsdurchsuchung bei Viktor R. Gislo, dem „Führer“ des „Arbeiterkomitees Deut-
sche Einheit“ finden sich in der Kaiserstraße Aufkleber5:

Für den 3. Dezember lädt die Kampagne für Demokratie und Abrüstung zu einer Demonstration „Stoppt die Nazis jetzt!“6


1 Vgl. Süddeutsche Zeitung 81/1971 und Münchner Merkur 77/1971. Fotos von Dimitri Soulas, Fotomuseum. Erst 1987 wird die DVU eine Partei.

2 Siehe „Münchner Prozesse“ von Conrad Schuhler.

3 Fotos: Stadtarchiv Standort Rudi Dix-Archiv. Mappe 2024 Demonstrationen.

4 Zit. in Klaus Antes/Imanuel Geiss/Harald Jung/Heinz Rabbow, Eckart Spoo, Ulrich Wickert, Das Rechtskartell. Reaktion in der Bundesrepublik, München 1971, 159.

5 Vgl. Kürbiskern. Literatur und Kritik 4/1971, 671.

6 Stadtarchiv, Zeitgeschichtliche Sammlung 190/5.