Materialien 2015

wenn wir eines tages nie wieder die glocken hören ...

Nachdem der Osterspaziergang am Ostermontag und der Bagida-Aufmarsch an des „Führers“ Geburtstag ausgefallen waren, startet am 27. April ein „Schweigemarsch“ der Bagidas am Stiglmaierplatz. Sie sollen diesmal in Schwarz kommen. Weil es düster aussieht in diesem Abendland.


„Wir tragen unsere Kultur zu Grabe“, so die Bagida-Veranstalterin Birgit Weißmann. Am Anfang und am Ende des „Spaziergangs“ dröhnt lautes Glockenläuten aus der Konserve. „Wenn wir eines Tages nie wieder die Glocken hören“, so Weißmann, könnte bis dahin der Umgang mit der eigenen Mutter- und Vatersprache noch ein wenig geübt werden.


Und Frau Weißmann lobte die Bagida-Ordner, die „nach dem Rechten sehen“.
Das Logo stammt von einer Rechtsrock-Band mit nationalistisch-völkischer Prägung.


Christian Stückl, der Intendant des Volkstheaters, sieht interessiert zu. Er wird wiederum von zwei Polizisten genau beobachtet. Er könnte etwas vorhaben. Auffallend viele gut aussehende (vor allem männliche) Polizist_innen sind anwesend.


Ein Bagido spricht mich an: „Warum sind Sie vermummt?“ (Mütze plus Sonnenbrille). Es gäbe Fotografen, die würden mitten ins Gesicht rein fotografieren, Porträts sammeln und damit eine eigene Verbrecherkartei anlegen. Wie dieser Robert Andreasch. Das wäre „wie bei der Stasi“. Auf meine Bemerkung, dass BND und Polizei auch fotografieren würden, meint er, dass die das dürften.


Das steht uns bevor, wenn die Islamisierung soooo weiter geht. Gewalt gegen Frauen! Auf meine Bemerkung, die abgebildete Frau sei doch blond, sagt der Bildträger, dass das Foto in Schweden entstanden sei. Auf meine nächste Frage, wo der Zusammenhang zum Bagida-Spaziergang wäre, meint er mit fragendem Unterton, ich wäre doch wohl eine Frau.


„Rotgrüne“ sowie „Schwarzweiß-Denker der Antifa“ säumen die Route und sorgen mit einer Sitzblockade für eine längere Verzögerung der islamophoben Latscherei. Jetzt wird die Ordnungsmacht aktiv.


Stürzenberger wird beim Filmen der Auflösung der Sitzblockade fotografiert.


Ich frage einen Fahnenträger, was für eine Fahne er da trägt. Näheres dazu unter: www.netz-gegen-nazis.de/artikel/service-was-ist-das-eigentlich-immer-f%C3%Bcr-eine-fahne-mit-kreuz-bei-pegida-und-co-9970. Der Bagida-untypische Mann redet wie ein Wasserfall. In sehr eloquenter Weise. Von seiner „Stauffenberg-Fahne“. Vom Stauffenberg und dem Bendlerblock, von „aktiver Toleranz“, von seinem grünen Schwiegervater, der auch Lehrer sei. Früher wäre er auch bei „denen“ gewesen (Antifa). Er wäre eigentlich Anarchist. Sein „Lieblingsanarchist“ sei Erich Mühsam. Er zitiert ihn. Auf meine Frage, wie seine Kinder politisch interessiert seien, sagt der mittlerweile bekennende Christ, dass er sie auf die „Demo für alle“ (u.a. gegen das Recht auf Abtreibung) mitnähme. Schon beim Bewegen meiner Kamera zuckt er zusammen. Er wolle nicht sagen, in welcher Schulart er heute unterrichte. „Sie könnten ja eine Journalistin sein.“
 
 


Auf der Abschlusskundgebung am Stiglmaierplatz spricht eine Frau – kurz vor dem Absingen des nationalen Kulturguts – in einer hoch angeekelten Hassrede von den „linksrotgrünen Verstrahlten“ mit ihrer „unglaublich versifften Meinung“. Zum Ende hin singen alle das Deutschlandlied.


Text und Fotos: Frieda von Bülow

Überraschung

Jahr: 2015
Bereich: Rechtsextremismus