Flusslandschaft 1971

StudentInnen

Konservative Studenten haben vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben: der Studentenschaft sollen politische Forderungen und Stellungnahmen verboten werden, die über hochschulpolitische Belange hinausgehen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts: Der Studentenschaft der Münchner Universität ist es untersagt, politische Forderungen zu erheben und Stellungnahmen abzugeben, die sich nicht auf hochschulpolitische Angelegenheiten erstrecken. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird der Studentenschaft eine Geldstrafe in unbestimmter Höhe angedroht.
Der AStA legt Berufung ein.

Im Juni protestieren Studierende gegen die Mietaufkündigung eines Studentenheims in der Türkenstraße in der Maxvorstadt.1

Ende Juni/Anfang Juli: Den Studierenden gelingt es zwei mal, die Wahlversammlung für das
Amt des Rektors der Universität zu sprengen. Erst der dritte Versuch in der Residenz, der von eintausendzweihundert Polizisten abgeriegelt wird, ist erfolgreich.

Ein Teil der Roten Zellen nennt sich „AK-Fraktion“ nach der reglmäßig von ihnen veranstalteten „Arbeitskonferenz“. Von der „AK-Fraktion“ spaltet sich 1971 der „Zentralverband der Roten Zellen München“ ab, der sich der von Christian Semler 1969 gegründeten KPD (ursprünglich KPD-AO = KPD-Aufbauorganisation) anschließt und ab da als Kommunistischer Studenten-Verband (KSV) firmiert. „… Die durchschnittliche Lähmung der Studentenschaft nach Auftreten der Dogmatisie-
rung dauerte zwei Jahre. Dann war auch der Großteil der politisch aktiven Studenten (in den letzten zehn Jahren so gut wie durchgehend ein ungefährer Durchschnitt von 35 Prozent der Gesamtstudentenschaft) der ewigen ‚Kampf dem …, weg mit …’-Forderungen überdrüssig und
sah sich nach Alternativen um. Begann dieser Prozess z.B. in München schon 1971, als sich die Arbeitskonferenz-Fraktion (der die Dogmatiker nicht gründlich genug Marx gelesen hatten)
und die ‚Arbeitersache’ (welche, anstatt zu lesen, eine multinationale Massenarbeiterbewegung aufzubauen beabsichtigte) von den Marxistisch-Leninistischen (ML-)Gruppen abspalteten, so war er allgemein etwa 1973/74 zu seinem Ende gebracht …“2

Bei den Auseinandersetzungen um eine zukünftige Hochschulreform positionieren sich zwei Interessengruppen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) kann auf finanzielle Ressourcen zurückgreifen und rühmt sich bester Verbindungen zur Politik, die Studierenden können nur Flugblätter verteilen.3

Der Aufbruch der Studierenden seit Ende der 60er Jahre bewirkt, dass in der Öffentlichkeit neue Themen und Fragestellungen auf die Tagesordnung kommen.4 Die meisten Studierenden werden allerdings von einer akademischen Karriere an den Hochschulen ferngehalten. Sie schlagen sich später als „freie“ Vortragende, als ghostwriter und Lektoren, als temporär bei den Gewerkschaften oder an der Volkshochschule Beschäftigte oder fachfremd in völlig anderen Berufszweigen wie zum Beispiel als Taxifahrer durchs Leben.


1 Fotos: Stadtarchiv Standort ZB-Ereignisfotografie-Politik-Demonstrationen.

2 Rolf Schwendter, Theorie der Subkultur, Frankfurt am Main 1978, 396.

3 Siehe „Industrie greift nach den Hochschulen“ und „Herr Maier und die Arbeiterkinder“.

4 Siehe „Emanzipation durch Räte? Die Lehren von München 1918/19“.

Überraschung

Jahr: 1971
Bereich: StudentInnen