Materialien 2018

Streiflicht

Jupp Heynckes hat kürzlich ganz beiläufig eines seiner Erfolgsgeheimnisse preisgegeben, indem er seine – wie Soziologen sagen würden – hohe „interkulturelle Kompetenz“ demonstrierte. Er tat dies, indem er den urbayerischen Begriff „Sauhund“ vollkommen korrekt verwendete.

Wie kam es dazu? Im Interview mit einer großen Tageszeitung kam die Rede auf den Koi-Karpfen, den Heynckes bei seinem letzten Abschied aus München von der Mannschaft des FC Bayern ge-
schenkt bekommen hatte. (Den Fußballfans unter uns ist dies natürlich geläufig, dem kleinen Rest der Menschheit sei es hiermit berichtet.) Als der Beschenkte die Bedrohungsanalyse für den heimi-
schen Fischteich referierte, kam er auch auf den Fischreiher zu sprechen, der sich auf der benach-
barten Birke eingenistet hat und sich, so Heynckes, als echter „Sauhund“ erwiesen habe. Für einen Menschen, der die ersten vier Jahrzehnte seines Lebens außerhalb des Freistaates verbringen musste, doch eine imponierend treffsichere Anwendung dieses vielschichtigen Begriffs.

In linguistischer Hinsicht fasziniert der „Sauhund“ weniger durch seine taxonomische Schieflage als vielmehr durch seine Doppeldeutigkeit. Zum einen handelt es sich hier um eine schlichte Tat-
sachenfeststellung: Jemand ist bereit und in der Lage, erheblichen Schaden anzurichten. Anderer-
seits tut der so Titulierte dies auf derart effektive, dreiste und/oder unkonventionelle Art und Weise, dass selbst der Geschädigte seinen Respekt nicht versagen kann. An diesem Punkt beginnt nun das abschüssige Gelände. Moralisch weniger gefestigte Personen, und davon gibt es reichlich, neigen dazu, die Fähigkeit, Schaden anzurichten, als Stärke zu interpretieren – und Stärke per se mit Bewunderung zu honorieren. Damit wären wir bei Markus Söder angelangt.

Daran führt leider kein Weg vorbei, da nach den jüngsten Entwicklungen der außerbayerische poli-
tisch-publizistische Komplex wieder nach Erklärungen für das schwerlich Fassbare fahnden wird. Dabei wird aller Voraussicht nach erneut kaum das Niveau übertroffen werden, das bereits zu Ludwig Thomas Zeiten erreicht worden ist. Deshalb muss dieses Problem einmal auf seinen in-
nersten Kern reduziert werden. Letztlich geht es nur um die Frage, was Söder denn für das Minis-
terpräsidentenamt qualifizieren könnte. Unmittelbar nach der Entscheidung zur Wachablösung wurde Horst Seehofer von einigen vorlauten Journalisten mit genau dieser Frage konfrontiert; der Noch-Ministerpräsident spielte den Ball zurück und verweigerte eine Antwort. Auch in einem entspannten SPIEGEL-Interview versuchte der Vollprofi Seehofer gar nicht erst, diese Leerstelle doch noch zu besetzten. Wie auch.

Sucht man nach Söders schöpferischen Leistungen in der Politik, so findet sich – im wörtlichsten Sinne – die Mensch gewordene schwarze Null. In Erinnerung sind noch sein Einsatz für das Sand-
männchen und sein Vorschlag, verhaltensauffällige Jugendliche zum Holzhacken in die Oberpfalz zu verfrachten; zugegebenermaßen eine Maßnahme mit erheblichem Strafcharakter (wenn auch nicht des Holzhackens wegen, sondern aufgrund der für die Deportierten kaum überwindlichen Sprachbarriere). Die einzige „Idee“, die Söder mit Verve und Verbissenheit verfolgt, ist sein Plan, Bayern möglichst flächendeckend zuzubetonieren. Die dafür instrumentalisierte Behörde „Heimat-
ministerium“ zu nennen, zeugt von einem Zynismus, den angemessen zu benennen sich selbst das Bairische sträubt (obwohl es diesem Idiom an Verbalinjurien nicht mangelt).

Von allen seelischen Facetten, die man noch im 18. Jahrhundert als „Geist“ bezeichnet hat, ist Sö-
der vollkommen frei. Das macht ihn nahezu unverwundbar, aber eben auch unfähig, jemals über das kleine Karo von Gewerbegebieten und Datenautobahnen hinauszudenken. Seine Energie ver-
sprüht stets das Aroma des Destruktiven, sie steht immer nur im Dienst des eigenen Vorteils. Sö-
ders Beliebtheit verdankt sich ausschließlich der Aussicht auf Posten und Förderbescheide. Folg-
lich kommt man hier auch mit Max Webers Charisma-Begriff nicht weit: Söders „Charisma“ manifestiert sich im Beisteuern eines Bierfasses zum JU-Sommerfest.

Die Erklärung für die so vorangetriebene Karriere ist also simpel: Söder ist der größte „Sauhund“ seiner Partei. Noch einmal: Dieser Begriff ist in der Landessprache keine Beleidigung, sondern steht für aufrichtige Anerkennung (aus eben diesem Grund hat es Seehofer bei der Beantwortung einschlägiger Fragen auch geschickt vermieden, diesen Ausdruck in den Mund zu nehmen). Auf der nach oben offenen Sauhund-Skala ist Söder so weit entrückt, dass Aigner, Herrmann, Weber etc. dagegen nur noch wirken wie Leichtmatrosen vor dem Herrn. Söders Bereitschaft und Fähig-
keit, auch in den eigenen Reihen Schaden anzurichten, ist nach den Ereignissen der letzten Wo-
chen legendär. Da unter den CSU-Funktionären jener Menschentypus dominiert, der diese Fähig-
keit für Stärke hält, gilt Söder als der Stärkste. Und der Stärkste muss nach vorn. So einfach ist das. Punkt.

Allerdings: Wenn einem erfolgreichen Menschen nicht nur Anerkennung gezollt, sondern auch herzliche Verbundenheit vermittelt werden soll, dann wird eben ein Karpfen verschenkt. Ganz sicher kein Fischreiher.

Ignaz Hobel
29. Januar 2018

Überraschung

Jahr: 2018
Bereich: CSU