Flusslandschaft 2020

Internationales

Allgemeines

- Australien
- USA und Iran
- Indien
- Israel, Palästina, Deutschland
- Mexiko
- Großbritannien und EU
- Argentinien
- Italien
- Mercosur — Europa
- USA
- Türkei, Syrien, Kurdistan
- China
- Ägypten
- Ungarn
- Honduras
- Belarus
- Chile und Brasilien
- Kolumbien


Allgemeines

1
In Europa gibt es Verlierer- und Gewinner-Länder. Es ist schön, wenn aus ersteren gut ausgebil-
dete Menschen auf der Suche nach Arbeit letztere aufsuchen. Der Vorteil ist doppelt: Die Zuzügler verlangen weniger Lohn und das Aufnehmerland hat sich die Investitionen in Ausbildung gespart.


Für den 10. Oktober planen die Kammerspiele eine Stadtraum-Performance mit 150 Münchnerin-
nen und Münchner auf dem Odeonsplatz. Sie fragen: „What is the City?“ Übersetzt ins heimische Idiom: „Wer oda wos is d’ Stod?“ Genauer interessieren sich die Veranstalter für folgende Fragen: „Wie soll München eine Stadt für Alle bleiben? Mit Corona wird es schwieriger. Was fehlt seit dem Virus? Was vermisst Du? Auf was kannst Du verzichten? Und auf was kannst Du schlecht verzich-
ten? Wir wollen alle gut leben – Was heißt das? Wir wollen uns nichts wegnehmen. Wie soll das gehen? Wen brauchst Du für dein Leben in München? Was brauchst Du für dein Leben in Mün-
chen? Von wem können wir lernen? Wie leben wir in einer Krise?“ Nun erlaubt die Pandemie keine Veranstaltung, aber zumindest können Passanten in einem Zelt ihre Meinungen zu den Fragen aufschreiben. Eine Münchnerin radelt am Nachmittag dieses 10. Oktober gerade die Ludwigstraße gen Süden, hält bei den ambulanten Kammerspielen, denkt nach und schreibt ihre Gedanken auf eine der Karten. Wochen später – sie hat das Ereignis längst vergessen – radelt sie durch die Weinstraße und sieht im Vorbeifahren ein Plakat, dessen Aussage sie spontan befürwortet. Es braucht ein paar Sekunden, bis ihr klar wird: sie hat ja selbst diese Botschaft den Kammerspielen auf eine Karte geschrieben. In den nächsten Tagen entdeckt sie, dass „ihr“ Plakat an vielen Stellen der Stadt aushängt. Das positive Gefühl, das sie hierbei hat, kann sie nur unzulänglich in Worte fassen. Liebe Leserin, lieber Leser, wer ist diese Frau? Sachdienliche Hinweise bitte an den Verant-
wortlichen dieser Webseite.

AUSTRALIEN

Die Ostküste Australiens brennt um die Jahreswende lichterloh. Tausende Menschen sind auf der Flucht, Millionen Tiere sind verbrannt, es wurden zusätzlich halb so viel Treibhausgase ausgesto-
ßen, wie Australien sonst in einem ganzen Jahr emittiert. Am Freitag, 10. Januar, protestieren um 12 Uhr Fridays for Futur und attac vor der Siemens-Konzernzentrale am Wittelsbacherplatz unter dem Motto „Australien brennt, Joe Kaeser, gießen Sie Kohle ins Feuer?“ Danach beginnt eine stille 24-Stunden-Mahnwache, um gegen die Beteiligung des Konzerns an einer vom Adani-Konzern ge-
planten gigantischen Kohlemine in Australien zu protestieren. Seit über einem Jahrzehnt kämpfen Umweltschützer*innen und indigene Völker in Australien unter dem Motto #StopAdani gegen den geplanten Bau der sogenannten „Carmichael Mine“. Der Plan: Das Unternehmen möchte dort auf teilweise geschützten und heiligen Flächen eins der größten Kohleminenprojekte der Welt verwirk-
lichen. Jährlich sollen 60 Millionen Tonnen Kohle gefördert werden. Diese soll dann mit 500 Koh-
lefrachtern pro Jahr bis 2080 durch das Great Barrier Reef nach Indien verschifft werden. Dort soll sie dann verbrannt werden und schmutzigen Strom nach Bangladesch liefern. Der deutsche Konzern will für die Bahnen der Kohlenmine die Signalanlagen liefern. In Deutschland hingegen will Siemens lieber als Umweltschützer glänzen und betont, bis 2030 ein klimaneutrales Unterneh-
men sein zu wollen.2 Siemens-Chef Joe Kaeser behauptet unter dem Eindruck der Proteste, der Vorstand werde seine Planung noch einmal überdenken. Dann aber teilt er mit, der Konzern werde an seinem Vorhaben festhalten. Am Montag, 13. Januar, kommt es ab 15 Uhr vor der Firmenzen-
trale am Wittelsbacherplatz zu einer Protestkundgebung.3 Bei der Hauptversammlung der Sie-
mens-Aktiengesellschaft am 5. Februar in der Olympiahalle am Coubertinplatz kommt es zu Pro-
testen.4

USA und IRAN

Am 3. Januar tötet die US-amerikanische Armee bei einem Raketenangriff nahe dem Flughafen von Bagdad einen der höchsten iranischen Generäle, Ghassem Soleimani, den Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Brigaden, und den militärische Kopf der Haschd-Brigaden, den Iraker Abu Mahdi al-Muhandis. Am Samstag, 4. Januar, schlagen iranische Raketen in der Nähe von zwei US-amerikanischen Stützpunkten im Irak ein. Am 7. Januar, Dienstag, treffen Dutzende iranische Ra-
keten auf Ain al-Assad, eine der größten US-Luftwaffenbasen im Irak, und auf eine Basis in der nördlichen Stadt Erbil; Tote und Verletzte gibt es nicht, da die Iraner die US-Amerikaner vorge-
warnt haben. Die Lage scheint sich wieder zu beruhigen. Trotzdem demonstrieren Kriegsgeg-
ner*innen am 18. Januar, Samstag, um 15 Uhr auf dem Max-Joseph-Platz gegen den „Kriegsbrand-
stifter Trump“. Sie fordern: „Schluss mit der deutschen Beihilfe  zu den Völkerrechtsverbrechen der US-Regierung. Die Bundesregierung muss jegliche Beihilfe zum Krieg gegen den Iran verwei-
gern. Sie muss den USA die Nutzung der US-Militärbasen in Deutschland untersagen. Die Air Base Ramstein, alle US- Kommandozentralen und Truppenstützpunkte in Deutschland müssen ge-
schlossen werden.“5

Nachdem das iranische Militär eine ukrainische Passagiermaschine abschießt, sind 176 Menschen tot. Verantwortliche Politiker faseln tagelang von einem „technischen Defekt“. Erst spät geben sie den Abschuss zu. Tausende protestieren seit dem 11. Januar gegen die Vertuschung von Fakten durch die Regierung und forderten den Rücktritt aller beteiligten Offiziellen. In den sozialen Medi-
en kursieren Videos, die Rufe auch nach einem Rücktritt der iranischen Führungselite zeigen. Die Proteste richten sich sowohl gegen die Unterdrückung im eigenen Land als auch gegen Einmi-
schung von außen durch die USA. – Am Freitag-Nachmittag, 14. Februar, demonstrieren Iranerin-
nen und Iraner auf dem Marienplatz für ein Ende der klerikalen Diktatur in ihrer Heimat. Für viele von ihnen bedeutet dies ein Risiko. Es ist bekannt, dass der iranische Geheimdienst die Demon-
stranten fotografiert. Viele von ihnen haben Verwandte in ihrer Heimat. Sie fürchten um deren Si-
cherheit. Ein Redner meint, es könne nicht mehr lange dauern, bis das Mullah-Regime endgültig zum Teufel gejagt werde. Man habe jetzt keine Angst mehr.6

Der Verantwortliche für diese Web-Seite lernt bei einem Klinikaufenthalt einen Perser kennen, der ihm einiges über seine Heimat erzählt.7

INDIEN

Die hindunationalistische Regierung von Indiens Premier Narendra Modi diskriminiert indische Muslime. Polizei prügelt seit Ende des letzten Jahres auf protestierende Studierende los. Das im Dezember 2019 verabschiedete Staatsbürgerschaftsgesetz, der sogenannte Citizenship Amendment Act, kurz CAA, und das neue Staatsbürgerregister „National Register of Citizens“ (NRC) führt der-
zeit zu vielen Protesten in Indien. In der Stadt Guwahati im Norden Indiens wurden bei einer De-
monstration gegen den CAA Ende des letzten Jahres zwei Männer von der Polizei erschossen. Bis Mitte Januar diesen Jahres haben bei Demonstrationen mindestens 31 Menschen ihr Leben verlo-
ren. Der CAA soll Verfolgten religiöser Minderheiten, die bis Ende 2014 nach Indien gereist sind, eine Einbürgerung erleichtern, beispielsweise Flüchtlingen aus den Nachbarstaaten Pakistan, Bangladesch und Afghanistan. Doch die Regelung gilt nicht für verfolgte Muslime, sondern nur für Christ*innen, Hindus, Sikhs, Buddhist*innen, Jana und Parsen. Schließlich würden Muslime in den Nachbarländern nicht verfolgt. Gegner der rechtsnationalen Regierung sehen die CAA als einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zum «Hindu Rashtra». Modi und seine Gesinnungsge-
nossen benutzen diesen Begriff, wenn sie von dem Indien ihrer Träume sprechen: einem Land, in dem der Hinduismus Staatsreligion ist und in dem Andersgläubige als Bürger zweiter Klasse be-
handelt werden. Im Gegensatz zum Nachbarland Pakistan hat Indien nach der Unabhängigkeit das Prinzip des säkularen Staates in der Verfassung festgeschrieben. Obwohl etwa 80 Prozent der Be-
völkerung Hindus sind, gibt es keine Staatsreligion; alle Glaubensrichtungen bestehen gleichbe-
rechtigt nebeneinander. Jetzt aber werden 200 Millionen Menschen auf dem Subkontinent, die sich zum Islam bekennen, ausgegrenzt. Während in Indien die Demonstrationen für die Verteidi-
gung der säkularen Verfassung zunehmen, die berühmten Protestslogan „Azaadi” (Hindi/Urdu: Freiheit) sowie „Iquilab Zindabad” (Hindi/Urdu: Lang lebe die Revolution) gerufen und Lieder des Protestes gesungen werden, demonstrieren am 18. Januar etwa dreißig Inderinnen und Inder für das CAA ab 15 Uhr vom Geschwister-Scholl-Platz zum Odeonsplatz.8

Mehr als ein Viertel der Bevölkerung vor allem auf dem Land ist zu arm, um sich ausreichend er-
nähren zu können. Die Suizidrate besonders bei Kleinbauern ist hoch. Wer auf dem Land keine Perspektiven hat, zieht in die Stadt. Dharavi in Mumbai ist mit mehr als einer Million Menschen der größte Slum Asiens. Die Pandemie verschlimmert die Lage. Unterernährung, fehlende medizi-
nische Versorgung und das Ende noch so marginaler Arbeitsmöglichkeiten fordern bei den Armen unzählige Opfer; Abstand ist Luxus. Ein indisches Sprichwort sagt: „Wenn ein Reich nach vernünf-
tigen Grundsätzen regiert wird, muss es sich schämen, wenn Armut und Dürftigkeit herrschen, wenn aber ein Reich nicht nach vernünftigen Grundsätzen regiert wird, muss es sich des Reich-
tums und der Ehren schämen.“

ISRAEL, PALÄSTINA, DEUTSCHLAND

Am 27. Januar spricht Judith Bernstein auf Einladung des Kulturforums München-West in Ober-
menzing im Gedenken an ihre Großeltern vor mehr als hundert Gästen und wird in ihrer Rede sehr aktuell.9

Die neue israelische Regierung beschließt eine weitere Annexion von etwa dreißig Prozent palästi-
nensischen Territoriums. Mehrere Dutzend Menschen protestieren am Mittwoch, 20. Mai, um 13 Uhr auf dem Karolinenplatz vor dem israelischen Generalkonsulat, Barer Straße 19, für einen ge-
rechten Frieden in Nahost.

Am Samstag, 13. Juni, findet von 11 bis 12 Uhr auf dem Rotkreuzplatz eine Mahnwache gegen die Annexion großer Teile palästinensischen Territoriums durch den Staat Israel statt. Es sprechen Rechtsanwalt Hildebrecht Braun, die Publizistin Judith Bernstein sowie der Historiker Götz Schindler (Vorstand Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern). Zudem werden Auszüge aus hier weithin unbekannten oppositionellen israelischen Pressebeiträgen ver-
lesen. Paul Kleiser in seiner Ansprache:

„Die offizielle Politik in Israel, die hierzulande gerne nachgeplappert wird, behauptet, Israel sei ein ‚jüdischer und demokratischer Staat‘. Dies ist in mehrfacher Hinsicht eine Lüge: 1. leben in Israel mindestens 20% Araber (und andere Minderheiten), die eben nicht die gleichen Rechte besitzen; 2. liegt die wirtschaftliche Macht im Wesentlichen bei den Aschkenasen; 3. sind Juden/Jüdinnen aus arabischen Ländern und Äthiopien einem massiven Rassismus ausgesetzt, selbst wenn sie formal gleiche Rechte haben, und 4. werden die Rechte der PalästinenserInnen der Westbank tagtäglich mit Füßen getreten, z.B. an den über 600 Checkpoints, die man dort errichtet hat. Hinzu kommen – vor allem nach der Annexion der Golan-Höhen – die Drusen. (Vom Freiluftgefängnis Gaza reden wir erst gar nicht!) Israel ist ein Produkt des Zionismus als einer Sonderform des europäischen Nationalismus (vor allem aus Osteuropa). Das Judentum ist eigentlich eine Religionsgemeinschaft, die – wie alle anderen Religionen in Europa – seit dem 18. Jahrhundert einem massiven Säkulari-
sierungsprozess ausgesetzt wurde. Daraus ergab sich die ‚Erfindung der Nation‘ (Hobsbawn, P. Anderson), die im Zionismus teilweise – unter Vermittlung der Kolonialmacht Britannien (Balfour Declaration) – die Vorstellung einer ‚Rückkehr ins Heilige Land‘ als einem kolonialen Projekt an-
nahm. Die Mehrheit der Juden/Jüdinnen wollte sich jedoch gleich anderen Minderheiten – bis zum Anbeginn des Dritten Reichs – assimilieren. Erst das Dritte Reich und der Holocaust haben dem Zionismus, wiewohl die Einwanderung nach Palästina bereits in den 1880er Jahren begann – die Staatsgründung ermöglicht. Seit 1967 setzen die radikaleren Zionisten den Plan der schrittwei-
sen ‚Eroberung von Judäa und Samaria‘ durch Siedlungsbau um, weil ihnen das Land angeblich in der Bibel versprochen wurde. Mittlerweile gibt es ca. 4.000 Siedlungen mit etwa 460.000 Siedler-
Innen. Die Lage hat sich seit 2016 verändert, weil in den USA Netanjahus ‚Bruder im Geiste‘ Do-
nald Trump zum Präsidenten gewählt wurde. Netanjahu möchte den Friedensplan von Trump (und Kushner) in aller Eile umsetzen, auch weil die Trump-Administration im November ziemlich unrühmlich enden könnte. – Auf den weltweiten ‚Sozialforen‘ waren immer auch VertreterInnen der israelischen Friedens- und anderer sozialer Bewegungen zugegen, die vor Ort gegen die Besat-
zungspolitik und den Rassismus der israelischen Gesellschaft ankämpfen. Ich zitiere hier eine Er-
klärung der ‚Independent Jewish Voices‘, die zwar schon 10 Jahre alt ist, aber nichts von ihrer Ak-
tualität verloren hat: ‚1. Die Menschenrechte sind universal und unteilbar und sollten ausnahms-
los gelten. Das trifft sowohl auf Israel als auch auf die besetzten palästinensischen Gebiete zu. 2. Palästinenser wie Israelis haben die gleichen Rechte auf ein Leben in Frieden und Sicherheit. 3. Frieden und Stabilität setzen den Willen aller am Konflikt Beteiligten voraus, sich an das interna-
tionale Recht und das Völkerrecht zu halten. 4. Es gibt unter keinen Umständen eine Rechtferti-
gung für irgendeine Form von Rassismus, sei es in Form von Antisemitismus, gegen die Araber gerichteten Rassismus oder Islamophobie. 5. Der Kampf gegen den Antisemitismus ist zentrales Anliegen; er wird immer dann beeinträchtigt, wenn Kritik am israelischen Staat (oder am Zionis-
mus) automatisch als antisemitisch gebrandmarkt wird.‘ – Genau dies ist jedoch die Vorgehens-
weise der Netanjahu-Regierung, die damit versucht, von ihren Menschenrechtsverletzungen in Israel und der Westbank abzulenken. Wir verurteilen diese Banalisierung des Antisemitismus und natürlich die Annexionspolitik von Trump und Netanjahu in aller Entschiedenheit! Im Gefolge der weltweiten Demonstrationen gegen den Polizei-Mord am US-Bürger George Floyd gab es vergan-
genen Sonntag auch eine Großdemonstration gegen Rassismus in Tel Aviv. Kurz zuvor war von den israelischen ‚Sicherheitskräften‘ ein unbewaffneter Palästinenserjunge erschossen worden. Daher waren auf der Demo auch viele Schilder mit der Aufschrift ‚Palestinian Lives Matter!‘ zu sehen. Wir solidarisieren uns mit den DemonstrantInnen und bekämpfen alle Formen von Rassismus, wo im-
mer sie auftreten.“10

Volker Beck, Ex-Grüner Bundestagsabgeordneter, argumentiert gegen das Projekt „School for Unlearning Zionism“. Jüdische KünstlerInnen der Weißensee Kunsthochschule Berlin: „:Unlearning Zionism’ bedeutet Macht und Privilegien der eigenen Gruppe sichtbar und sich das eigene hegemoniale Narrativ bewusst zu machen.“ Beck wittert die Nähe zu BDS und damit zu Antisemitismus und spricht von „propagandistischer Ungeheuerlichkeit“. In einem Brief an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek fragt Beck: »Wie würde es die Bundesregierung empfinden, wenn ausländische Ministerien Veranstaltungen zum Abtrainieren deutscher Kultur und Zugehörigkeit finanzieren würden? Wie vereinbart das Ministerium die Finanzierung dieser Veranstaltung mit dem Anti-BDS-Beschluss des Bundestages?« Daraufhin sagt die Kunsthochschule die Veranstaltungsreihe ab und Helmut Suttor schreibt am 21. Oktober einen Brief.11

Der bayrische Verwaltungsgerichtshof gibt am 17. November bezüglich des Stadtratsbeschlusses „Gegen jeden Antisemitismus! – Keine Zusammenarbeit mit der antisemitischen BDS-Bewegung“ einer Klage statt, dass die Landeshauptstadt München für eine BDS-Podiumsdiskussion einen Veranstaltungssaal zur Verfügung stellen muss.12

13
Aufkleber Ecke Tulbeck-/Bergmannstraße am 31. Dezember

MEXIKO

Die organisierte Kriminalität hält das Land im Griff, Kartelle und Banden liefern sich Schlachten, jeden Tag werden im Schnitt zehn Frauen ermordet, politische Aktivisten werden getötet oder „ver-
schwinden“. Besonders ausgeprägt ist die Gewalt in den nördlichen und westlichen Bundesstaaten entlang der Pazifikküste, sowie in  Großstädten wie Tijuana, Acapulco, Victoria, Ciudad Juárez, Irapuato, Cancún, Culiacán, Uruapan, Obregón, Coatzacoalcos, Celaya, Ensenada, Tepic oder Rey-
nosa. Am 7. Januar beschließen NGOs und Indigene, zu Versammlungen und Protesten am 20. bis 22. Februar aufzurufen. Die Mexikaner*innen hoffen auf solidarische Aktionen weltweit.14

GROSSBRITANNIEN und EU

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,89 Prozent der Britinnen und Briten bei einem EU-Mitgliedschafts-
referendum für den Austritt aus der Europäischen Union. Die Verhandlungen über die Modalitäten des Austritts gestalten sich in den folgenden Jahren äußerst schwierig. Im Februar startet der Münchner Bastian Däxl mit einem Kollegen eine Online-Petition mit der Forderung, den Engli-
schen Garten in „Europäischen Garten“ umzubenennen. Bei Beendigung der Petition im April hat er 141 Unterstützer.

ARGENTINIEN

Die Gefahr, sich mit dem Coronavirus anzustecken, ist nicht für alle gleich: Sie variiert von Land zu Land. Die wichtigen Hygienevorschriften, die die Ausbreitung des Virus verlangsamen sollen, kön-
nen Menschen in vielen Ländern gar nicht einhalten. Wo es kaum Wasser gibt, kann sich niemand zwanzig Mal am Tag je 30 Sekunden lang die Hände waschen. In Afrika und in Indien, in Ländern wie Syrien, Lybien und Jemen bahnen sich Katastrophen an. Und in Lateinamerika! Gaby Weber berichtet aus Argentinien und verweist auf den Zusammenhang zwischen profitgeleiteter Umwelt-
zerstörung und deren Folgen: https://www.youtube.com/watch?v=uIFfo-Oatfc&feature=youtu.be.

ITALIEN

Aus einem der Länder, in dem das Virus besonders wütet, schreibt ein Freund am 29. März dem Verantwortlichen dieser Web-Seite und verweist auf ein Interview, das Ken Jebsen mit Fulvio Gri-
maldi führte: https://www.youtube.com/watch?v=O3BuNp01vpc&feature=youtu.be. Das Jebsen mit seinen kruden Verschwörungstheorien unseriös ist, dürfte bekannt sein. Trotzdem teilt der Verantwortliche das Interview im Freundes- und Bekanntenkreis. Darauf erhält er einige, zum Teil empörte Briefe. Einer lautet: „Jetzt bin ich aber – anders als so oft – überhaupt nicht mit Dir einverstanden. Zur Katastrophe, die wir erleben, gehören auch die staatlichen Repressionen, die vor allem in Zukunft noch unseren heftigsten Widerstand erfordern werden. Alle die, die gegen das Polizeiaufgabengesetz und andere Maßnahmen von Überwachungsstaaten kämpfen, brauchen in dieser Hinsicht keine Belehrung. Auch die sich aus der Quarantäne für fast alle von uns ergeben-
den Probleme liegen auf der Hand. Man darf aber nicht Ursache und Wirkung verwechseln. Ange-
sichts der Ausbreitung der Epidemie hat das einsichtige Verhalten von einigermaßen aufgeklärten Zeitgenossen nichts mit ‚Autoritätsfixierung‘ zu tun, aber sehr viel mit Solidarität. Etwas mehr Em-
pathie für die Tausenden, die in italienischen und spanischen Krankenstationen verrecken, und für die, die vor Ort akut gefährdet sind, fände ich schon wünschenswert. Im übrigen bewegt sich Dein Freund Leo (Epidemie als ‚Klamauk‘, Nähe zu Wodarg, gleiche Größenordnung wie die Grippe) in Nähe zu ‚Russia Today‘ und anderen zweifelhaften Quellen, die aus durchsichtigen Gründen ihr eigenes Geschäft betreiben. Auch politische Aufrichtigkeit kann blind machen; ich kenne viele Bei-
spiele dafür. Gerade in der jetzigen schwierigen Situation sollte man für Freiheit und Solidarität und gegen Isolation streiten, ohne Empirieverweigerung zu betreiben.“

MERCOSUREUROPA

Der EU-Rat will einen Handelsvertrag mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay beschlie-
ßen, der den Kahlschlag im Amazonasregenwald beschleunigen wird. Das EU-Mercosur-Abkom-
men fördert den Handel mit Rindfleisch, Zucker und Bioethanol – Agrargüter, für deren Produk-
tion in Südamerika großflächig Wälder abgeholzt werden. Im Schatten der Corona-Krise schreitet die Zerstörung des Regenwaldes rasant voran. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nahmen die Abholzungen zwischen Januar und März um 51 Prozent zu. Weil die Behörden immer weniger kon-
trollieren, können illegale Holzfäller und Landräuber ungestört und tiefer in den Regenwald vor-
dringen. Die Gefahr, dass sie das Coronavirus dabei in die Reservate der indigenen Bevölkerung tragen, ist enorm. Die zum Teil isoliert lebenden Gemeinschaften sind besonders anfällig für ein-
geschleppte Krankheiten. Viele Indigene mit einer Covid-19-lnfektion sind bereits gestorben. Gan-
ze Völker könnten ausgelöscht werden. Hinzu kommt: Durch die Zerstörung des Regenwaldes wer-
den die Lebensräume von Wildtieren wie Affen, Jaguaren und Ameisenbären immer kleiner – mit der Folge, dass sie eher mit Menschen und Haustieren in Kontakt kommen. Dadurch steigt die Ge-
fahr, dass Krankheitserreger von Tieren auf Menschen übertragen werden. Neue Pandemien dro-
hen.

Aktivist*innen der Umweltbewegung Extinction Rebellion protestieren am 6. und 7. September (Sonntag/Montag) vor dem brasilianischen Generalkonsulat in der Sonnenstraße. Sie kleben sich unter anderem an die Fassade des Gebäudes und machen damit auf die Waldbrände im Amazonas-
gebiet und die Verantwortung aufmerksam, die die brasilianische Regierung dafür trägt.

USA

Der Mord an George Floyd und weiteren Afroamerikanern ohne jegliche strafrechtliche Folgen für die Täter ist der Anstoß der Silent Proteste. Nun zeigen Menschen weltweit Solidarität mit ihren Mitmenschen in den Vereinigten Staaten sowie mit allen Opfern des Rassismus auf der ganzen Welt. Am Samstag, 30. Mai, ziehen ab 19.30 Uhr spontan 350 Menschen von der Ludwigstraße über die Von-der-Tann-Straße am US-Konsulat vorbei, über den Franz-Joseph-Strauß-Ring, Karl-Scharnagl-Ring, Maximilianstraße, über die Sparkassenstraße, den Viktualienmarkt, Rosental, Rindermarkt, Sendlinger Straße, Färbergraben, Altheimer Eck, Herzogspitalstraße, Sonnenstraße bis zum Karlsplatz. Um 21.15 Uhr wird die Kundgebung am Stachus beendet.


In München beginnt die große Kundgebung am Samstag, 6. Juni, um 15 Uhr auf dem Königsplatz. Der Zustrom ist überwältigend. Schon bald muss die U-Bahn-Station Königsplatz gesperrt werden. Tausende ziehen vom Hauptbahnhof her kommend zum Ort der Kundgebung. Die Polizei ist völlig überfordert. Am Ende dürften es etwa 25.000 Menschen sein, die demonstrieren. nach kurzen ersten Ansprachen findet ein stilles Gedenken statt. Über acht Minuten lang knien Menschen auf dem Boden und denken an des Todeskampf von Floyd, der wiederholt zu seinem uniformierten Peiniger sagte „Ich kann nicht atmen“.15

Kabarettist, Schauspieler und Moderator Trevor Noah meint nach dem Tod von George Floyd in Minneapolis: „When you are a ‚have‘ and when you are a ‚have-not‘, you see the world in very diffe-
rent ways. And a lot of the times people say to the ‚have-nots‘, ‚this is not the right way to handle things‘. When Martin Luther King had children as part of his protest, in Burmingham, Alabama, people said making children a part of the protest is not the right way to do things. When people marched through the streets in South Africa during the Aparthied, people said it’s the not way to do things. When people burn things … they say it’s not the right way … it’s never the right way to pro-
test because that is what protest is. It cannot be right because you are protesting against the thing that is stopping you.“16

17
Im Kreativquartier Ecke Dachauer/Schwere-Reiter-Straße

TÜRKEI, SYRIEN, KURDISTAN

Am 15. Juni versammeln sich Kurd*innen, Ezid*innen und Türk*innen mit deutschen Sympathi-
santen um 17 Uhr auf dem Stachus und protestieren gegen das türkische Bombardement auf Şen-
gal, Mexmûr und Qendîl.18

Am Samstag, 25. Juli, gehen Kurd*innen und Deutsche erneut gegen den Krieg in Kurdistan und die deutsch-türkische Waffenbrüderschaft mit etwa 150 Teilnehmer*innen auf die Straße. Die De-
mo führt vom Innenministerium in der Nähe des Odeonsplatzes zum Stachus. Vor der Siemens-Hauptverwaltung am Wittelsbacherplatz hält der Zug. Ein Redebeitrag wird gehalten, der auf die historische Verstrickungen des Konzerns in türkische Verbrechen und seine aktuellen Geschäfte mit der Erdoğan-Diktatur eingeht. Dann zieht die Demo unter Parolen wie „Bijî Berxwedana Roja-
va, Bijî Berxwedana Qendîl", „Siemens, Daimler, Deutsche Bank – der Hauptfeind steht im eigenen Land" und „Iran, Irak, Syrien, Türkei ‒ bei jeder Schweinerei ist die BRD dabei" weiter.19

Vier Jahre dauert der Prozess gegen zehn Mitglieder der Kommunistischen Partei der Türkei/Mar-
xisten-Leninisten (TKP/ML), darunter Frau Dr. med. Banu Büyükavci, ver.di-Mitglied und Mit-
glied in den Migrationsausschüssen von ver.di Mittelfranken und ver.di Bayern. Für Dienstag, 28. Juli, ist die Urteilsverkündung geplant. Ab 9.30 Uhr findet eine Kundgebung in der Nymphenbur-
ger Straße vor dem Gerichtsgebäude statt, eine Demo ab 14 Uhr zum Stachus. Die Verteidiger der Angeklagten, die jahrelang in U-Haft saßen, betonen, dass die zutiefst fragwürdigen Anschuldigun-
gen gegen ihre Mandanten von den Erdoğan-Behörden zur Verfügung gestellt worden seien. Die Angeklagten werden zu Freiheitsstrafen zwischen 2 Jahren und 9 Monaten und 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Ein Verteidiger: Bei so langer U-Haft könne es keine Freisprüche geben.20

Am Samstag, 12. September, demonstrieren 800 Menschen in der Ludwigsvorstadt von 13.35 bis 15.25 Uhr gegen die türkische Aggression in Kurdistan. Polizisten filmen und fotografieren YPG- und YPJ-Fahnen. Am Sonntag, 13. September, protestieren zwischen 20.45 und 21.25 Uhr mehrere Menschen in der Fußgängerzone der Altstadt. Auch hier werden YPG-Fahnen gezeigt. Drei Männer werden kontrolliert. Sie rechnen mit einer Strafanzeige.

Eine weltweite Kampagne wird unter dem Motto „Freiheit für Öcalan! Für ein Ende von Faschis-
mus und Besatzung“ Ende September in Berlin gestartet. Der bundesweite Dachverband KON-MED (Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland) ruft zur Teilnahme an einer Kundgebung für die Freiheit und gegen die Isolation Abdullah Öcalans auf der Gefängnisinsel Im-
rali am Samstag, 10. Oktober, um 13.30 Uhr auf dem Stachus auf. In dem Aufruf von KON-MED heißt es: „… Nirgendwo konkretisiert sich diese Isolation so deutlich wie auf der türkischen Ge-
fängnisinsel Imrali. Hier wird der Gründer und Vordenker der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, seit dem 15. Februar 1999 festgehalten. Dort war er über zehn Jahre hinweg der einzige Gefangene. Trotz seiner unbeschreiblichen Haftbedingungen hat er nie die Hoffnung auf eine friedliche Lösung für die Konflikte im Mittleren Osten aufgegeben, insbesondere für die kur-
dische Frage. Mehrere Jahre verhandelte die türkische Regierung mit Öcalan über eine Lösung des Konflikts. Darüber hinaus steht die überwiegende Mehrheit der Kurden hinter Öcalan. 3,5 Millio-
nen Kurdinnen und Kurden haben sich 2005/2006 mit ihrer Unterschrift für ihn als ihren politi-
schen Repräsentanten ausgesprochen. Gegenwärtig setzt der türkische Staat Öcalan und damit die kurdische Frage erneut einer beispiellosen Isolationspolitik aus. Jeder Besuch seines Anwaltsteams oder seiner Familienangehörigen auf Imrali ist das Ergebnis langatmiger gesellschaftlicher Kämp-
fe. So durchbrachen tausende Menschen in- und außerhalb der Gefängnisse der Türkei mit einem monatelangen Hungerstreik im Mai 2019 die Isolation auf Imrali und machten nach jahrelanger Verweigerung durch die türkischen Behörden für einen kurzen Zeitabschnitt Anwaltskonsultatio-
nen bei Öcalan wieder möglich. Doch seit dem 7. August 2019 besteht erneut kein Kontakt mehr zwischen dem Verteidigerteam und Abdullah Öcalan. Die Staatsanwaltschaft reagiert weder positiv noch negativ auf die wöchentlich gestellten Besuchsanträge. Die türkische Regierung blockiert da-
mit jegliche Möglichkeit für Verhandlungen und eine friedliche Lösung des Krieges in Kurdistan und im Mittleren Osten … Öcalan ist der ideologische Wegbereiter des Demokratischen Konföde-
ralismus, eines basisdemokratischen, geschlechterbefreiten und ökologischen Gesellschaftskon-
zepts, das ein Gegenmodell für das krisenbehaftete Nationalstaatsmodell im Mittleren Osten dar-
stellt. Er legte die theoretischen und praktischen Grundlagen für den gesellschaftlichen Aufbruch in Nordsyrien, die Befreiung der ezidischen Kurdinnen und Kurden in Shengal und das Projekt der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in der Türkei … Rise Up Against Isolation!“

Im Sommer 2017 tauchte die sogenannte „FinSpy“-Software auf einer türkischen Webseite auf, die als Mobilisierungswebseite der türkischen Oppositionsbewegung getarnt war. So ermöglichte „Fin-
Spy“ wahrscheinlich die Überwachung einer großen Zahl politischer Aktivistinnen und Aktivisten und Medienschaffender. Reporter ohne Grenzen hatte 2019 gemeinsam mit weiteren zivilgesell-
schaftlichen Organisationen Strafanzeige gegen die Geschäftsführer der deutschen Spähsoftware-
firma FinFisher erstattet. Das Zollkriminalamt nahm daraufhin Ermittlungen wegen des Verdachts des illegalen Exports von Überwachungssoftware in die Türkei auf. Die Staatsanwaltschaft Mün-
chen lässt Anfang Oktober 2020 ein gutes Dutzend Büros der Firma durchsuchen.

Der 1. November ist der Welt-Kobanê-Tag. Am 2. November findet die Kundgebung auf dem Sta-
chus statt.21

Am Abend des 16. Oktober wurden zwei Münchner Kurden von türkischen Faschisten angegriffen. Am Sonntagnachmittag des 15. November findet am Gollierplatz im Westend eine Protestkundge-
bung mit anschließender Demonstration statt.22


„Können Sie sich das vorstellen: Ihnen wird keine konkrete Straftat vorgeworfen, trotzdem wird nachts ihre Wohnung gestürmt, Sie werden verhaftet und fast 3 Jahre lang in Untersuchungshaft gesteckt. Nach über vier langen Prozessjahren werden Sie verurteilt zu 3 1/2 Jahren Gefängnis. Doch noch bevor die schriftliche Begründung vorliegt und bevor Sie überhaupt gegen das Urteil vorgehen können, sollen sie abgeschoben werden – in die Türkei. So geschieht das gerade einer aktiven Gewerkschafterin, der Psychotherapeutin Dr. Banu Büyükavci, mitten in unserem Land. Auch ihrem Mann, Dr. Sinan Aydin, droht die Abschiebung. Damit es nicht geschieht, deswegen sind wir heute hier!“ Am Donnerstag, 10. Dezember (Tag der Menschenrechte), ab 18 Uhr auf dem Stachus.23

CHINA

Von 14 bis 16 Uhr protestieren mehrere Dutzend Menschen am Samstag, 20. Juni, auf dem Isartor-Platz dagegen, dass über 3 Millionen Uyghuren in chinesischen Umerziehungslagern gefangen ge-
halten werden.

ÄGYPTEN

24
In der Ludwigstraße
Am 3. Oktober fährt ein Konvoy mit zehn Kfz durch die Stadt. An den Autos flattern Fahnen, auf Plakaten heißt es, der ägyptische Präsident soll abhauen.

UNGARN

Ende Oktober tritt die Sprecherin des ungarischen Gesundheitsministeriums vor die Öffentlichkeit. Sie trägt gut sichtbar ein Kreuz um den Hals. Der Journalist Peter Szegö, der vor vier Jahren mit seiner Familie nach München umgezogen ist und sich hier als Fahrer durchschlägt, kommentiert dies auf Facebook sinngemäß: Wenn ich Ministerpräsident wäre, würde ich Frau Müller bitten, das Kreuz bei öffentlichen Auftritten abzunehmen. Szegö stammt aus einer jüdischen Familie, seine Frau hat früher in Ungarn Holocaust-Gedenkfeiern veranstaltet. Jetzt beschuldigen ungarische Medien Szegö und seine Frau der Hetze gegen Christen. Regierungspolitiker, darunter Gesund-
heitsminister Miklós Kásler persönlich, faseln von Motiven, die in islamistische Terroranschlägen münden. Anonyme Drohungen folgen, „wobei sich die Unbekannten eines besonders perfiden Alias-Namen bedienten: Andor Jaross. So hieß der faschistische Innenminister Ungarns, der 1944 für die Vernichtung der ungarischen Jüdinnen und Juden mitverantwortlich war. Damals wurden Zehntausende in die deutschen Vernichtungslager deportiert oder am Donau-Ufer erschossen. Die Drohung der anonymen Hetzer an Peter Szegő ist unmissverständlich: ‚Du verreckst mit deiner Familie. Es wird uns große Freude bereiten euch in die Donau zu schießen.‘“25

HONDURAS


Unmittelbar neben dem Dorf Guapinol in Honduras entsteht derzeit die größte Aufbereitungsanla-
ge für Eisenerz in Zentralamerika. Die dort gewonnenen Pellets sollen in den Export hauptsächlich in Richtung USA und Europa gehen. Die beteiligten Unternehmer*innen sind auch Partner des Münchner Flughafens beim Bau und Betrieb des neuen internationalen Flughafens Palmerola Air-
port. Ihr Versprechen lautet: „verantwortlicher Bergbau“, Arbeitsplätze, soziale Projekte und wirt-
schaftlicher Aufschwung. Die Tagebaue für das Eisenerz liegen allerdings mitten in einem Natur-
schutzgebiet. Acht lokale Umweltschützer, die Flüsse und Trinkwasser in Gefahr sehen, sitzen seit über einem Jahr in Untersuchungshaft, fünf weiteren droht ebenfalls ein Prozess. Am 7. Oktober organisiert das Öko-Büro eine Digitalkonferenz.26

November: Auf der honduranischen Karibik-Insel Roatán wird gebaut: Próspera soll die weltweit erste „Charter City“ für private Investoren mit eigener Gesetzgebung und eigener Rechtsprechung werden. Das nächste Projekt in der Küstenstadt La Ceiba ist in Planung. Beteiligt sind unter ande-
ren ein Unternehmen der Technischen Universität München und der deutsche libertäre Unterneh-
mer Titus Gebel. Auf Roatán und landesweit formiert sich Widerstand gegen die extraterritorialen „Sonderzonen für Beschäftigung und Ökonomische Entwicklung“ (ZEDE).

Die UN-Sonderkomission MACCIH (Misión de Apoyo Contra la Corrupción y la Impunidad de Honduras), gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras, wurde 2016 eingerichtet, aber 2020 nicht verlängert. Die Bevölkerung hatte vor vier Jahren auf den Straßen eine starke Mission unter UN-Aufsicht und mit eigener Ermittlungskompetenz gefordert und – zumindest – eine OAS-Mis-
sion erhalten. Die seit zwei Jahren sehr aktive honduranische Sonderstaatsanwaltschaft, die mit der MACCIH zusammenarbeitete und das unabhängige Antikorruptionsgericht mussten ihre Arbeit ebenfalls Ende Januar einstellen. Die Akten der 16 von der MACCIH aufgedeckten Fälle, darunter „Der Betrug am Gualcarque“ zum Wasserkraftwerk Agua Zarca, gehen nun an die regie
rungsnahe Generalstaatsanwaltschaft. Da in Honduras, die Gewaltenteilung ausgehebelt ist und ein militärisch orientierter Sicherheitsrat unter Präsident Hernández die Fäden zieht, sind die Ängste groß – auch was den Schutz der Zeugen und Zeuginnen betrifft, die unter dem internatio-
nalen Schirm der MACCIH ausgesagt und Regierungsfunktionäre und Mitglieder des organisierten Verbrechens benannt hatte.27

BELARUS

Der autokratische Präsident Weißrusslands, Alexander Lukaschenko, wird bei einer höchst frag-
würdigen Wahl in seinem Amt bestätigt. Am 10. August demonstrieren 5o Frauen und Männer um 19 Uhr vor dem Generalkonsulat Weißrusslands in München in der Schwanseestraße 91A.

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Lotte Llacht aus Burghausen besucht Kiev und unterstützt nicht nur mit diesem Plakat und einer Spendensammlung die Opposition gegen den Diktator. Sie schreibt: „In Belarus ist derzeit eine klassische Revolution zu erleben. Seit der gefälschten Wahl gehen die Menschen zu 100.000 auf die Straße. Nicht nur in der Hauptstadt Minsk, auch in Grodno, Vitebsk, Gomel, sogar auf den Dör-
fern. Eine Besonderheit der belarussischen Revolution ist, dass die Frauen darauf bestehen, die Proteste gewaltfrei zu halten, d.h. ‚mit Blumen bewaffnet‘ und hübsch zurechtgemacht den martia-
lischen Sicherheitskräften entgegenzutreten. Daher sehen die porträtierten Frauen auf dem Plakat so festlich aus (Fotos fast alle von der Demo in Minsk am 23. August). Je drastischer die Gewalt und Repression seitens des Lukaschenko-Regimes, desto mehr Volk steht auf. Seit am 25. Oktober Svetlana Tichanovskajas Ultimatum verstrichen ist, wird ein Generalstreik mit Blockade größerer Straßen versucht. Unterstützt die belarussische Revolution! Das Spendenkonto unterstützt die Rechtshilfe-NGO ‚Viasna‘(Frühling).“

CHILE und BRASILIEN


Die chilenische Mapuche Yudy Macarena Valdés Muñoz aus Panguipulli, Los Lagos Region, enga-
giert in feministischen, sozialen und ökologischen Projekten, besonders gegen den Bau eines Was-
serkraftwerks am Tranguil-Fluss, wurde am 22. August 2016 ermordet. Bis heute behaupten Be-
hördenvertreter, sie habe Suicid begangen. – Am 31. März 2020 wurde der Indigene Zezico Rodri-
gues Guajajara, Verteidiger der Rechte der Indianer und des Amazonas-Regenwaldes, überfallen, als er mit einem Motorrad in sein Dorf Zutiwa in Arame, Bundesstaat Maranhão im Nordosten Brasiliens, zurückkehrte. Er wurde mit einer Schrotflinte getötet. Es war der Tag, an dem er die Leitung der Koordination der Häuptlinge und Führer des indigenen Landes Araribóia übernahm. – Am 1. November 2020 geriet der 26-jährige Paulo Paulino Guajajara in einen Hinterhalt und wur-
de erschossen, als er versuchte, das Territorium seines Volkes zu verteidigen. — Am Abend des 10. Dezember schildert eine junge Frau auf dem Marienplatz die Vorfälle und betont, dass die ange-stammten Gebiete der Indigenen Lateinamerikas von der organisierten Umweltkriminalität in höchstem Maße bedroht sind.29

KOLUMBIEN

73 Massaker mit mindestens 296 Toten finden in diesem Jahr statt, die höchste Zahl seit 2014 (UNHCR). 73 Menschen werden bei 42 Einsätzen von staatlichen Einsatzkräften getötet. 30% dieser Einsätze sind gegen Demonstrationen gerichtet (UNHCR).

(zuletzt geändert am 11.1.2024)


1 Grafik: Bernd Bücking. In: Roland Charles Pauli, Boomstädte und Schrumpfregionen. Das Auseinanderdriften der Regionen und das Versagen der Regionalpolitik in der Eurozone, isw-Report Nr. 120, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung München e.V., Februar 2020, 16.

2 Siehe https://www.stopadani.com/siemens, https://www.marketforces.org.au/siemens-adani-german/.
Ein australischer Senator schreibt um Unterstützung an die UN gegen das Projekt:
https://www.abc.net.au/news/2019-12-20/un-pressured-to-drop-ties-with-siemens-over-adani-contract/11817018. Ausführliche Berichte der Proteste von Labournet: https://www.labournet.de/internationales/australien/soziale_konflikte-australien/ein-neues-kohlebergbau-projekt-in-australien-wird-von-grossen-teilen-der-bevoelkerung-abgelehnt-siemens-will-es-dennoch-ausruesten-was-protest-hervorruft/.
Sehr guter Bericht von Lok-Report: https://www.lok-report.de/news/uebersee/item/15178-australien-wird-siemens-die-signalisierung-des-adani-netzwerks-zurueck-ziehen

3 Siehe die Bilder der Kundgebung „JOE GO!“ vom 13. Januar von Richy Meyer.

4 Siehe https://klimaguerilla.noblogs.org/post/2020/01/22/unfuckaktionarsversammlung-5-februar/

5 Siehe die Bilder der Kundgebung „gegen den kriegsbrandstifter trump“ vom 18. Januar von Richy Meyer.

6 Siehe die Bilder der Kundgebung „#FreeIran“ vom 18. Januar von Peter Brüning.

7 Siehe „Ein unfreiwilliger Forschungsaufenthalt mit teilnehmender Beobachtung“ von Günther Gerstenberg.

8 Siehe die Bilder der Kundgebung „für das CAA“ vom 18. Januar von Franz Gans.

9 Siehe https://www.jrbernstein.de/blog-1.

10 Vom Redner als Manuskript erhalten

11 Siehe „Aufpasser mit wachem Blick“ von Helmut Suttor.

12 Siehe dazu das Interview mit Judith Bernstein: https://www.marx21.de/interview-judith-bernstein-bds-besatzung. — Karin Wetterau weist darauf hin, dass die Beschlüsse von Bundestag, Ländern, Kommunen und weiterer Institutionen, BDS als antisemitisch zu klassifizieren, nicht den Antisemitismus bekämpfen, sondern illiberale Tendenzen befördern, die offene Gesellschaft beschädigen und elementare demokratische Rechte aushöhlen. Siehe Karin Wetterau, Neuer Antisemitismus? Spurensuche in den Abgründen einer politischen Kampagne, Bielefeld 2020.

13 Foto: Richy Meyer

14 Siehe „SAMIR SIND WIR ALLE“.

15 Siehe Bilder der Kundgebung „black lives matter 1“ am 7. Juni von Peter Brüning und „black lives matter 2“ am 7. Juni von Günther Gerstenberg.

16 „Wenn Sie ein Wohlhabender sind und wenn Sie ein Habenichts sind, sehen Sie die Welt auf sehr unterschiedliche Weise. Und oft sagen die Leute zu den Habenichtsen: ‚Dies ist nicht der richtige Weg, um mit Dingen umzugehen.‘ Als Martin Luther King im Rahmen seines Protests in Burmingham, Alabama, Kinder dabei hatte, sagten die Leute, es sei nicht der richtige Weg, Kinder beim Protest mitzunehmen. Als die Menschen während der Apartheid durch die Straßen Südafrikas marschierten, sagten die Leute, es sei nicht der richtige Weg, etwas zu erreichen. Wenn Menschen Dinge verbrennen … sagen sie, es ist nicht der richtige Weg … Es gibt keinen richtigen Weg zum Protest, das macht den Protest aus. Protest ist niemals richtig, weil Du gegen das protestierst, was Dich aufhält.“ https://www.scoopwhoop.com/news/never-a-right-way-to-protest-trevor-tiktok-video-us-protests-racism/

17 Foto vom 4. Oktober 2023: Franz Gans

18 Siehe „Gegen den türkischen Angriffskrieg auf die Straßen!“ und https://www.smje.de/.

19 Siehe Bilder der Kundgebung „bijî berxwedana rojava“ am 25. Juli von Peter Brüning.

20 Siehe die Bilder der Kundgebung „freiheit für die türkischen §129-gefangenen“ am 28. Juli von Peter Brüning sowie https://anfdeutsch.com/aktuelles/muenchen-urteilsverkuendung-im-tkp-ml-prozess-am-dienstag-20551 und https://www.tkpml-prozess-129b.de/de/28-07-2020-umstrittener-muenchner-kommunistenprozess-endet-mit-hohen-haftstrafen/.

21 Siehe die Bilder der Kundgebung zum „welt-kobanê-tag“ am 2. November von Günther Gerstenberg.

22 Siehe https://farbe-bekennen.net/ und Bilder der Kundgebung und Demonstration „farbe bekennen“ vom 15. November von Günther Gerstenberg.

23 Siehe Bilder der Kundgebung „banu bleibt“ vom 10. Dezember 2020 von Richy Meyer.

24 Foto: Verena di Rovereto

25 https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/exil-ungarn-im-fokus-von-regierung-und-rechtsextremen,SJLpzCA

26 Siehe https://www.oeku-buero.de/details/stahl-f%C3%BCr-den-globalen-norden-knast-f%C3%BCr-den-globalen-s%C3%BCden.html.

27 Mehr dazu unter: https://www.oeku-buero.de/honduras.html

28 Plakatsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung. Siehe auch www.spring96.org.

29 Foto: Richy Meyer, siehe u.a. #FueHomicidio und #AlaNegraLaMatados.

Überraschung

Jahr: 2020
Bereich: Internationales