Flusslandschaft 1948

Lebenshaltungskosten

Bei der Währungsreform vom 20. Juni verlieren kleine Sparer 93,5 Prozent ihres Geldes, der Aktienbesitz dagegen wird 1 : 1 umgerechnet. Schon bald steigen die Preise, die Reallöhne sinken. Die Reform füllt schlagartig die Schaufenster mit vielen gehorteten Schwarzmarktwaren. Schon bald sind die Schaufenster wieder leer, da die Produktion den Bedarf nicht erfüllt. Fett, Fleisch, Eier und Milch sind immer noch Mangelware, die auf dem Schwarzen Markt astronomische Preise erzielen und den Preiswucher im Handel fördern. Schon kurz nach der Währungsreform steigen auch Inflation und Arbeitslosigkeit. Am 22. Juli überziehen Gewerkschafter die Stadt mit Plakaten und verteilen Flugblätter.1

12. Juli 1948 – Montag: „Zur Zeit befinden sich die Münchner in einer Art ‚Bierstreik’. Seit der Währungsreform ging der Bierverkauf um 90 bis 95 % zurück. Die Bürger sind nicht bereit, 74 Pf pro Liter des Dünnbieres zu bezahlen. Um die vor dem 20. Juni gebrauten 600.000 Hektoliter Bier nicht verderben zu lassen, senkt das Finanzministerium jetzt die Steuer für die alten Biervorräte von 30 DM auf 10 DM pro Hektoliter. Die Halbe darf nicht mehr als 25 Pf kosten.“2

13. Juli 1948 – Dienstag: „Vor dem Landwirtschaftsministerium demonstrieren mehr als 400 Münchner Metzger, die im Schlacht- und Viehhof keine Zuweisung an Vieh erhalten hatten, ob-
wohl gegenwärtig außerordentlich viel Vieh angeliefert wird. Die Metzger drohen, das Vieh mit Gewalt zu holen und das Fleisch ohne Marken zu verkaufen. Ein Vertreter der Nachrichtenagentur Dena wird als vermeintlicher Beamter des Ministeriums verprügelt.“3

31. Juli: „Auf dem Viktualienmarkt kommt es heute zu erregten Zwischenfällen und Handgreif-
lichkeiten, in denen sich die Empörung der Bevölkerung über die steigenden Preise Luft macht. Einer Eierhändlerin, die für das Ei siebenunddreißig Pfennige verlangt, werden die Kisten abge-
nommen und zusammengeschlagen. Eierhändler werden tätlich angegriffen. Unter dem Schutz des herbeigerufenen Überfallkommandos, das schnell wieder Ordnung schafft, ziehen die ‚gekränkten’ Eierhändler mit ihrer Ware ab.“4

Am 12. August demonstrieren Einzel- und Straßenhändler gegen die überhöhten Großhandelspreise vor der Großmarkthalle.5


1 16 Fotos: Schwarzmarktaktion am 22. Juli 1948, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung, Mappe 6b.

2 Chronik der Stadt München 1945 – 1948, bearbeitet von Wolfram Selig unter Mitwirkung von Ludwig Morenz und Helmuth Stahleder, München 1980, 388.

3 A.a.O.

4 Stadtchronik, Stadtarchiv München; siehe Karin Sommers „Hausfrauen stürmen den Viktualienmarkt“.

5 Foto: Demonstration der Einzel- und Straßenhändler gegen die überhöhten Großhandelspreise vor der Großmarkthalle am 12. August 1948, Standort: Haus der Bayerischen Geschichte, Signatur: bp-2026.1.4.