Materialien 1983

Für eine »Geschwister-Scholl-Universität«

Münchner ASten

Offener Brief an
– die Bayrische Landesregierung
– Präsident Steinmann und Senat der LMU

Anlässlich des 50. Jahrestages der »Machtergreifung« durch den deutschen Faschismus am 30.1. 1933 und anlässlich des 40. Jahrestages der Hinrichtung der Geschwister Scholl am 22.2.1943 fordern wir die Umbenennung der Ludwig-Maximilian-Universität in Geschwister-Scholl-Uni-
versität München.

Begründung

Die Geschwister Hans und Sophie Scholl gehörten zu dem Kreis der »Weißen Rose«, einer Wider-
standsgruppe, die aus Studenten der LMU München bestand.

Ihre Arbeit gehört zu den Aktionen des deutschen Widerstands, die noch während des Krieges in der ganzen Welt bekannt wurden. Die Weiße Rose und deren bekanntesten Mitglieder die Ge-
schwister Scholl stehen stellvertretend für den gesamten studentischen Kampf gegen die faschisti-
sche Diktatur. Ihre selbsterstellten Flugblätter enthielten engagierte Aufrufe an das deutsche Volk, das Schweigen zu durchbrechen, der faschistischen Propaganda nicht zu folgen und dem verbre-
cherischen Krieg ein Ende zu bereiten.

Die Geschwister Scholl waren und sind ein leuchtendes Vorbild, sie beweisen, dass es auch damals nicht gelang, dass es niemals gelingen wird, Menschlichkeit, demokratisches Denken und Frie-
densliebe zu unterdrücken.

»Brave, herrliche junge Leute! Ihr sollt nicht umsonst gestorben, sollt nicht vergessen sein. Die Na-
zis haben schmutzigen Rowdys, gemeinen Killern in Deutschland Denkmäler gesetzt – die deut-
sche Revolution, die wirkliche, wird sie niederreißen und an ihrer Stelle eure Namen verewigen, die ihr, als noch Nacht über Deutschland und Europa lag, wusstet und verkündetet: „Es dämmert ein neuer Glaube an Freiheit und Ehre.“«
(Thomas Mann, Rundfunkansprache an »Deutsche Hörer«, 27.6.1943)

Heute, 40 Jahre nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl, treiben NeoNazls und Rassisten be-
reits wieder ihr Unwesen.

Das Münchner Wiesenattentat vom 26.9.80, die Nürnberger Bluttat des Oxner, aber vor allem auch die Kandidatur von »neofaschistischen und neonazistischen Kräften« rfs und NHB (laut Amtsgerichtsurteil Münster vom 6.11.81) und die Tatsache, dass Schröcke, ein Mitunterzeichner des »Heidelberger Manifests« an der LMU lehren darf, sind Beweise mangelnder Wachsamkeit!

Der Ungeist des Faschismus wuchert noch immer – die Verharmlosung der feigen Morde von München und Nürnberg nach dem »Einzeltäter«-Prinzip ist gefährlich und eine Verhöhnung der Opfer von damals und heute.

Hinter einem Namen verbirgt sich ein bestimmter Geist!

Mit der Umbenennung der LMU in Geschwister-Scholl-Universität München zeigen wir Angehö-
rige der Münchner Universitäten, dass wir uns der demokratischen, antifaschistischen, friedlichen Tradition der Geschwister Scholl verpflichtet fühlen.


Sozialistischer Hochschulbund Bayern. offensiv 61 vom Januar/Februar 1983, 4.

Überraschung

Jahr: 1983
Bereich: StudentInnen