Materialien 1986

Neonazis: ,,Testlauf“ in Bayern

In Bayern sollen Signale gesetzt werden. Die NPD hat sich dieses Bundesland – nicht von ungefähr – ausgesucht zu einem „Testlauf“ für die Bundestagswahlen. Getestet werden soll die Wählerbe-
reitschaft für ausländer- und gewerkschaftsfeindliche Parolen, für „Großdeutschland“-Projekte (von Südtirol bis zum Ural), für manches, was die regierende CSU auch gerne hätte, sich aber nicht laut zu sagen traut. Die NPD steigt massiv ein in den Testlauf: 50.000 Exemplare ihres Organs „Deutsche Stimme“ verteilte sie in München beim „Sudetendeutschen Tag“. Dort war der Haupt-
redner Bundeskanzler Kohl, der im Grunde genommen auch nichts anderes kundtat, als die NPD-Redakteure: Die „verlorenen Gebiete“ müssen zurückgewonnen werden.

Neben der NPD tritt rechtsaußen die Partei des SS-Weißwäschers und ehemaligen Hauptabtei-
lungsleiters beim Bayerischen Rundfunk, Franz Schönhuber, zu den bayerischen Landtagswahlen an. Ob auch die von dem Neonazi-Terroristenführer Michael Kühnen gesteuerte FAP einen Kandi-
daturversuch machen will, ist noch unklar. Aktiv sind ihre Gruppierungen bereits: im Raum Bam-
berg mit Aufklebern („Rotfront verrecke!“), in München mit einem Stamm von etwa 15 Leuten, die kürzlich, in schwarze Uniformen gekleidet, versuchten, eine Veranstaltung gegen Ausländerfeind-
lichkeit zu sprengen und im März ein Schulzentrum mit Wandschmierereien verunzierten. In den von ihnen verteilten Materialien rufen die FAP-Parteigänger dazu auf, „alle Ausländer, Besatzer samt ihrer Unkultur herauszuschmeißen“ und „Rassenmischung“ zu verhindern. Antifaschisten wird gedroht: „Einst kommt der Tag der Rache.“ „Republikaner“ Schönhuber hat zu diesem Tag noch nichts anzumerken, wohl aber – bei seinen zahlreichen Auftritten in der bayerischen Provinz – zu den Ausländern: „Die Türken erobern (den Westen) heute mit Bussen und Flugzeugen in be-
quemen Polstersesseln und bei Kaffee und Kuchen.“ Auch eine Reihe anderer Gruppen – mit Adressen oder zumindest Postfächern in Bayern – meldet sich mit Plakaten und Flugblättern ähnlichen Inhalts in letzter Zeit immer häufiger zu Wort.

„Die Partei der deutschen Freiheit“ (Postfach 1472, 8035 Gauting) verkündet „Deutschland ruft!“ und weiter: „Du bist es, nicht die Politiker, der sich mit einem Millionenheer von Ausländern konfrontiert sieht“, eine „Deutsche Familien-Partei. Kreisverband München“ lädt stolz ein „zur Versammlung mit unserem Kameraden Otto-Ernst Remer“ zum Thema „Der 20. Juli 1944. Ver-
räter oder Helden?“, ein „Deutscher Block“ läßt von den Litfaßsäulen verkünden: „Freiheit für Rudolf Heß.“ Aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, daß es sich bei manchen dieser Gruppie-
rungen lediglich um „Briefkastenfirmen“ handelt, deren einzige Funktion es ist, rechtskonservative und neofaschistische Schlagworte öffentlich zu machen. Eine besonders ominöse Rolle spielt in diesem Spektrum die aus den USA dirigierte „Europäische Arbeiterpartei“ (EAP), die in verschie-
denen Städten Bayerns mit Informationsständen auftritt, eine Tarnorganisation „Patrioten für Deutschland“ gegründet hat und mit großen Anzeigen in überregionalen Zeitungen gegen „Mos-
kau-Fraktionen“ in Parteien, Verbänden und Gewerkschaften wettert, und – hier wieder unter dem Kürzel EAP – vor der „Weltseuche AIDS“ warnt, Kernkraftwerke und Reagans Weltraumrüstung propagiert. Ins Gespräch kam diese international organisierte Gruppierung unlängst auch im Zuge der Ermittlungen des immer noch nicht aufgeklärten Attentats auf den schwedischen Ministerprä-
sidenten Olof Palme.

Ernst Antoni


Wir. DGB-Kreis München 3 vom Juli 1986, 4.

Überraschung

Jahr: 1986
Bereich: Rechtsextremismus